Meine Genesung schreitet voran und es scheint eine Punktlandung zu werden, ob und in welchem Zustand ich in das Flugzeug steigen werde. Ich liege fast pausenlos im Bett und auf dem Sofa und nur in Ausnahmefällen weiche ich davon ab. Nahrungsaufnahme und die spätere Abgabe derselben veranlasst mich dann doch immer wieder, eine andere Position an einem anderen Ort oder Örtchen einzunehmen. Aber insgesamt fühle ich mich immer besser von Tag zu Tag. Die Generalprobe dafür, ob ich nun schlussendlich mit in den Urlaub fliegen kann steht für den Dienstagnachmittag an: das Kofferpacken!
Das Kofferpacken treibt mir schon in normalen Zeiten ein bisschen Schweiß auf die Stirn und der Grund dafür liegt nicht zwingend bei mir. Denn ich packe meinen Koffer und nehme mit: alles mögliche von mir und auch immer wieder einen großen Teil der Sachen des Hasen. Der Hergang ist dann immer so, dass ich meine Klamotten in den Koffer packe und mich darüber freue, dass ich noch eine Menge Platz habe. Also ich freue mich eher kurz darüber, dass ich eine Menge Platz habe, denn der Hase hat eigentlich immer Platznot. Und so mischen sich schon mal gerne Schuhe und eindeutig weibliche Kleidungsstücke, die ich ausdrücklich nicht anziehe, unter meine Sachen. Mein Einwand, dass in ihrem Koffer eigentlich noch Platz vorhanden ist, verhallt ungehört. Denn schließlich muss sie sich den noch freihalten.
Wofür? Zum einen für die Kulturtasche. Die ist beim Hasen so groß, dass meine Ausgabe da dreimal reinpasst. Aber das ist eigentlich nur eine Randnotiz, denn der eigentlich wichtige Teil des Platzes wird für ihn benötigt: DEN HASENFÖHN!!! Es ist egal wohin der Hase reist, der Föhn ist immer dabei. Der Hase ist nur ein halber Mensch ohne ihren Föhn. Eine Art der Beziehung, die auch immer eine kleine Eifersucht in mir hervorruft und die mir schon in den frühen Zeiten unserer Beziehung (also noch vor der Ehe) aufgefallen ist. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass mein Hase eine Seelenverwandte von Prinzessin Vespa ist. Für die Nichtkenner sei gesagt, es handelt sich hierbei um eine Figur aus dem Film Spaceballs. Die Kenner wissen genau was ich meine. Ich füge mal einen Link bei, der alles erklären sollte…… https://www.youtube.com/watch?v=5vFWzQVrwpY
Als der Hase und ich uns kennenlernten waren die frühen 90er in ihrer vollen Blüte und es war nicht ungewöhnlich, dass die Damenfrisur im Allgemeinen eine etwas aufwändige Angelegenheit gewesen ist. Ich habe mir darüber nie groß Gedanken gemacht. Obwohl ich mit einem Anflug von vorn etwas kürzer und hinten etwas länger auch keine komplett schlichte Art von Haarpracht hatte. Eigentlich wollte ich richtig lange Haare haben, so wie die Rockstars aus den 70ern und so meinen Protest gegen alles Angepasste zum Ausdruck bringen. Aber da ich als Revoluzzer nur eine halbe Portion bin, verließ mich der Mut irgendwo zwischendurch und ich trug dann diesen seltsamen Wischmop auf den Kopf, der mir heute noch ein bisschen peinlich ist. Aber wie gesagt, es waren die frühen 90er und ein bisschen optische Entgleisung war irgendwie geduldet. Man optimierte sich noch nicht so über die Maßen, damals. Also ich habe es jedenfalls nicht getan.
Die Frisur des Hasen habe ich damals als die „aufgehende Sonne“ bezeichnet. Die Haare schienen vom Kopf her zu strahlen. Wenn ein Mensch diese Frisur tragen konnte, dann mein Hase (es sah irgendwie umwerfend aus) und ich dachte in meiner Ahnungslosigkeit, dass die Haare so gewachsen wären. Erst später realisierte ich, dass dahinter auch ein gutes Stück Arbeit steckte. Ein täglicher Zeitrahmen im Badezimmer, den ich im Monat nicht mal mit Schönheitspflege verbrachte, eine nicht genauer definierte Menge an Haarspray und natürlich ein Föhn waren vonnöten, um diese „aufgehende Sonne“ zum strahlen zu bringen. Aber dass der Föhn nicht einfach nur irgendein Föhn war, das bemerkte ich, als der Hasenföhn seinen Föhngeist aufgab.
Die Katastrophe war perfekt, der Föhn hatte seinen letzten Atemzug getan und die „aufgehende Sonne“ war mit Ach und Krach noch einmal zum Strahlen gebracht worden. Es musste ein neuer Heißlufthaartrockner her. Wir also rein in das nächstbeste Fachgeschäft und in meiner Ahnungslosigkeit griff ich mir das nächstbeste Modell und wollte schon damit zur Kasse gehen (zur nächstbesten natürlich). Der Hase war entsetzt: „Was zum Henker soll das denn bitteschön sein?“ „Na, ein Föhn“, ich verstand nicht ganz. „Das ist doch kein Föhn!“, sagte der Hase, „Damit kriegst du nichtmal ne Glatze trocken!“ Der fachkundige Hasenblick hatte sofort erkannt, dass das Teil, das auch irgendwie ein bisschen klein und wackelig aussah, nur eine beinahe lächerliche Wattzahl hatte. Und so streifte der Hase entlang der Regale durch den Laden, vorbei an „Billigscheiß“ wie der, den ich gefunden hatte, vorbei an „Mittelklassenmist“ hin zu den ganz heißen (wortwörtlich wahrscheinlich) Dingern.
Dort griff sie sich dann das Modell „Super 2000“ und das hatte mehr Watt als die Nordsee bei Döse. Das war dann das richtige Modell. Er klang ein bisschen wie die Turbine eines Langstreckenfliegers und wahrscheinlich konnte er diese Turbine auch ersetzen. Seitdem habe ich auch immer ein etwas sichereres Gefühl wenn ich zusammen mit dem Hasen fliege. Wenn dann mal ein Triebwerk ausfällt, könnte man immer noch den Föhn an die Tragfläche tackern und sicher landen. Wenn der Hase seinen Föhn anmacht, dann stockt der Fernseher, die Lampen im Haus werden dunkler und der Gefrierschrank versagt seinen Dienst. Wenn in den Alpen ein Wetterumschwung kommt und man dabei von einem Föhn spricht, dann steckt ziemlich sicher die Hasenausgabe dahinter.
Der Hase hat also eine besondere Beziehung zum eigenen Föhn und egal wohin mein Hase auch reist, sie würde nie ohne Föhn fliegen. Da würde sie lieber ein paar Sachen zu Hause lassen, als dass der Föhn keinen Platz im Koffer findet. Natürlich sind es meine Sachen, auf die der Hase verzichten würde, aber das nur am Rande. Ein Hotel wird danach ausgesucht, ob es ein eigenes Kraftwerk hat, um die Stromversorgung für den Föhn herzustellen. Ok, das war jetzt ein bisschen übertrieben. Es reicht auch schon ein eigenes Notstromaggregat. Ein Hoteleigener Föhn, taugt jedenfalls schon von vornherein nichts und wird als Alterative nicht in die nähere Auswahl genommen.
Und so kommt es, dass ich auch diesmal wieder beim Packen den Platz für Hasensachen zur Verfügung stellen möchte. Ich bin aber noch ziemlich eingeschränkt in meiner Fitness und so treibt mir jedes Paar Socken und jedes andere Stück, das ich verpacke, den Schweiß auf die Stirn. Ganz zu schweigen vom Probewiegen. Im letzten Jahr, als der Hase und ich auf Kos waren, hatten wir die 23 Kilo Höchstmarke nicht mal ansatzweise gestreift. Ich glaube wir sind sogar noch unter 20 Kilo geblieben. Unser festes Vorhaben war es also, dass wir auch in diesem Jahr nicht mehr einpacken würden. Man kann sich ja auch einschränken.
Komischerweise komme ich aber auf gut 10 Poloshirts, 8 T-Shirts und einen großen Haufen an kurzen Hosen. Wir werden für 11 Tage da sein und ich scheine mich mehrfach an jedem Tag umziehen zu können und zu wollen. Ich erkenne mich gar nicht wieder? Was ist bloß aus mir geworden? Es gab Zeiten, da habe ich für zwei Wochen drei Shirts und eine Hose dabei gehabt und das hat gereicht. Und nun? Ich bin mutiert und packe auch schon meinen halben Schrank in den Koffer. Ich bin bestürzt. Aber trotzdem habe ich noch ein bisschen Platz für die Hasenangelegenheiten. Mit rinnt beim Packen der Schweiß in Bächen überall am ganzen Körper entlang und ich will ja nicht jammern, aber so eine Lungenentzündung ist in zwei Wochen noch nicht komplett weg.
Wir wiegen meinen Koffer, weil ich den ja schon vorab fertig packen kann. Ich benutze ja keinen Föhn. Und das Gewicht ist…..Trommelwirbel…: 22,78kg. Hart an der zulässigen Grenze. Spannend bleibt der Hasenkoffer, den wir erst kurz vor der Abreise wiegen können. Diese ist, mal wieder, für die Nachtstunden geplant und wir legen uns auch schon sehr rechtzeitig ins Bett, um vorab schlafen zu können. Das klappt bei mir natürlich nicht und so bin ich mal wieder total unausgeruht, als wir loswollen. Davor ist noch das allgemeine Fertigmachen an der Tagesordnung und dann kommt der heilige Föhn, der auch so manch einen Laubpuster in den den Schatten stellen könnte, in den Hasenkoffer und wir verschließen diesen. Und dann wird gewogen. Und es sind….Trommelwirbel (hoch zwei) 23,59kg. Wir beschließen, dass wir die Zahlen nicht so deutlich haben sehen können und packen die Gepäcke ins Auto und fahren los.
Es ist netterweise wieder ein Urlaub, den wir mit den Kindern verbringen werden und so sitzen wir vier im Auto und fahren gen Hamburg zum Flughafen. Eigentlich haben wir eine feste Sitzordnung, die sich über die vielen Jahre so etabliert hat. Die Kinder sitzen hinten (Tochter links, Sohn rechts), der Hase macht den Beifahrer und ich sitze hinterm Steuer. Diese Art der Sitzordnung wird im Allgemeinen nur dann aufgehoben, wenn der Blutalkoholgehalt des Fahrers mit den herrschenden Gesetzen in Konflikt geraten könnte. Dann sitze ich auch schon mal auf dem Beifahrersitz. Oder aber, wenn ich noch mit den Auswirkungen eine Lungenentzündung zu kämpfen habe und deswegen meine Fahrtüchtigkeit vom Hasen in Frage gestellt wird. Zufälligerweise ist das diesmal der Fall.
Nun fährt der Hase und unser Sohn (der technical Director in unserem Haushalt, der Gebieter über alle modernen Kommunikationsgeräte) sitzt daneben, um die Navigation zu übernehmen. Ich sitze also hinten. Was ungewöhnlich ist und sich sehr fremd anfühlt. Hinten im eigenen Auto zu sitzen ist so, als wenn man Taxi fährt. Und auch wenn es sich so komisch anfühlt, habe ich kein Problem damit. Ich bin keiner von denen, die stur darauf beharren vorne zu sitzen oder sowas. Ich kann auch gern mal das Steuer aus der Hand geben. Mach ich zwar selten, aber können könnte ich auf jeden Fall. Zumindest tagsüber.
Denn der Hase ist nach eigener Aussage nachts ein bisschen eingeschränkt in der Sehfähigkeit: „Ich bin nachts blind wie ein Maulwurf“ Und da ich ja nun ein bisschen klapprig bin und weil die Kinder aus versicherungstechnischen Gründen nicht zwingend als Fahrer zugelassen sind, kommt es nun dazu, dass der Maulwurf, der eigentlich mein Hase ist, uns mit schwindendem Blick zum Flughafen kutschiert. Das ist ein Stück weit abenteuerlich und führt dazu, dass meine, noch im Verborgenen in mir sitzende; Flugangst mit einem Mal komplett verschwindet und einer gewissen „Nachtfahrtmitdemhasenangst“ Platz macht.
Der Vorteil ist, dass mir der Start des Flugzeugs überhaupt nichts ausmacht. Ich bin sogar so weit, dass ich den Start verschlafe. Ich liege halbwegs sitzend auf meinem Sitz, den Kopf nach hinten gestreckt und schlafe mit offenem Mund, während die Triebwerke die Maschine über die Startbahn peitschen und sie sich in den „Frühmorgenhimmel“ erhebt. Es ist sogar so, dass ich die meiste Zeit des fünfstündigen Fluges verschlafe. Die Zeit vergeht wie im Flug (höhö). Ich glaube es ist ein ruhiger Flug. Von meinem Schnarchen einmal abgesehen. Und so schlummere ich meinem ersten Mal Urlaub auf den Kanaren entgegen. Die Kinder waren auch noch nie hier. Nur der Hase war mit 18 (also vor zwanzig Jahren (schmeichel)) schon einmal auf Gran Canaria. Sie wird das alles schon kennen und uns sagen wo es langgeht. Bin gespannt und wenn ich nicht so müde und erschöpft wäre, dann wäre ich wahrscheinlich auch ein bisschen aufgeregt.