„Du hast bestimmt Corona, mach mal nen Test“, der Hase ist sich sicher. Denn der Hase ist neben all den anderen Haseneigenschaften auch ein hervorragender Diagnostiker. Zumindest meint der Hase, dass es sich so verhält. Ich hingegen habe so manchmal meine Zweifel und natürlich im Grunde sowieso immer Recht. Weswegen ich sie natürlich richtigerweise korrigieren muss: „Nein, es ist kein Corona, ich habe nur eine fiebrige Erkältung!“ „Na, dann mach doch einfach einen Test“, schlägt der Hase vor. „Warum sollte ich?“, frage ich und bin von meiner eigenen Unfehlbarkeit dermaßen überzeugt, dass ich meine Annahme nicht durch einen Wischiwaschi-Test widerlegen lassen möchte. Man hört ja immer wieder, dass die Dinger so ungenau sind. Ich brauche keinen Test, um mir und dem Hasen zu bestätigen, was offensichtlich ist: Meine Unfehlbarkeit!
Ja, ich weiß, alte Leute reden immer über Krankheiten und nun bin ich auch so einer. Aber in diesem Fall steckt auch ein bisschen mehr dahinter und es ist dramaturgisch wichtig. Es ist im übrigen Mittwochabend und in ziemlich genau zwei Wochen wollen wir in den Urlaub fliegen. Nach Gran Canaria, genaugenommen und der Hase schiebt schon seit Monaten Vorfreude. Diese erhält einen Dämpfer, denn ich bin nicht ganz so gesund, wie ich es eigentlich sein sollte, zu diesem Zeitpunkt. Ich fühlte mich den ganzen Tag schon nicht so recht gut, habe aber die Arbeit ganz tapfer durchgestanden (ich hätte einen Orden verdient, wenn man mich mal fragen würde) und bin kränkelnd (aber sehr wenig jammernd dabei) nach Hause gekommen. Ich huste häufig und es rasselt, wenn ich atme. Wenn ich nicht atme rasselt es nicht, aber die ganze Zeit nicht atmen scheint mir als Plan nicht zu hundert Prozent geeignet. Aber es geht mir nicht wirklich gut. Den ganzen Tag schon, hatte ich das erwähnt? Ich komme also nach Hause und sehe nicht wirklich gut aus. Also nicht in dem Sinne nicht gut, wie es eigentlich sowieso ist, sondern ich sehe auch zusätzlich kränklich aus.
Ein Blick des Hasen genügt und sie begrüßt mich mit den Worten: “ Na, du siehst ja scheiße aus!“ Mein Hase hat manchmal so was Aufmunterndes an sich. Ihre Feststellung an sich hat mir gerade noch gefehlt. Ebenso wie die das medizinische Halbwissen. Ein zweiter Blick vom Hasen und schon ist Corona die Diagnose. „Naja, das kommt vielleicht noch gerade rechtzeitig, dann bist Du zum Urlaub wieder fit“, sagt der Hase. „Aber ich habe ja kein Corona!“ „Hast Du doch!“ „Habe ich nicht!“ „Hast Du wohl!“ „Habe ich nicht!“ „Doch!“ „Nein!“ „Doch, dreimal schwarzer Kater!“……… An dieser Stelle unterbreche ich diesen fulminanten Dialog, der gefühlt noch acht Minuten andauert und damit endet, dass ich einen Test mache, damit endlich mal Ruhe herrscht. Schließlich fühle ich mich nicht so recht wohl. Und der Test ist…..Trommelwirbel……negativ! Natürlich ist er das! Schwarzer Kater hin oder her! Ich habe kein Corona. Man weiß ja, wie zuverlässig diese Tests so sind. Endlich mal Recht haben fühlt sich irgendwie gut an, auch wenn sich sonst nicht viel gut anfühlt.
Ich habe Fieber. 38,4°C! Ich huste und es rasselt beim Atmen. „Also hast Du Corona!“ Der Hase gibt keine Ruhe. „Morgen machst Du noch einen Test!“ Ich melde mich bei der Arbeit für die nächsten Tage ab. Meinem unfehlbaren Urteil folgend, habe ich eine fiebrige Erkältung, ohne Schnupfen und die müsste ich in den nächsten drei, vier Tagen auskuriert haben. Am nächsten Morgen mache ich noch einen Test. Negativ! Ich sags ja! Und dann mache ich noch einen. Der Hase meint, die Dinger sind auch nicht immer so zuverlässig. Und weil wir noch weitere Tests von anderen Herstellern haben (natürlich haben wir die, der Hase ist immer und überall auf alles vorbereitet), gönne ich mir noch einen zweiten. Ebenfalls negativ! Natürlich ist er das! Und abschließend folgt an diesem Morgen noch ein dritter Test, der überraschenderweise negativ ist. Ebenso überraschend stelle ich fest, dass ich kein Corona habe. „Heut Abend machst Du noch einen Test!“ Der Hase hadert noch mit meiner Diagnose.
Ich mache noch zwei Tests am Donnerstagabend und einen am Freitagmorgen. Alle negativ. Der Hase ist mittlerweile geneigt, die Annahme zuzulassen, dass das, was mich immer mehr von den Füßen holt, eventuell kein Corona ist. Mir ist das allerdings ziemlich egal, denn krank bin ich ja irgendwie trotzdem. Ich will ja nicht jammern, aber es geht mir kein Stück besser. Es wird sogar noch zusehends schlechter. Meine Atmung klingt zuweilen wie die Absaugung beim Zahnarzt, wenn da Stücke vom Zahn und Schleim durch den Schlauch gesaugt werden und das Fieber geht nicht einen Deut runter. Eigentlich steigt es sogar noch an. Selbst das Sitzen fällt mir schwer. Und ich habe so rein gar keinen Hunger! Das macht mir Sorgen. Wenn es mit dem Essen nicht mehr klappt, dann stimmt da irgendwas absolut nicht. Ich glaub ich könnte sogar dann noch essen, wenn man mich enthaupten würde. Jetzt keinen Hunger zu haben, ist schon ein bisschen besorgniserregend. Und der Rest von mir ist auch nicht viel besser. Ich bin schlaff wie eine zu weich gekochte Nudel und beschließe, dass es so nicht mehr weiter geht. Eine ärztliche Diagnose muss her.
Der Hase fährt mich zum Doktor und ich könnte nun die heroische Geschichte ausschmücken, wie ich total tapfer ärztliche Diagnose und eine zusätzliche Röntgenaufnahme über mich habe ergehen lassen (das Ganze hat über drei Stunden gedauert), aber ich möchte mich nicht mehr beweihräuchern als notwendig. Jedenfalls habe ich Recht und es ist kein Corona, aber dass es eine Lungenentzündung ist, damit habe ich nicht gerechnet. Ich hatte ja noch nie eine. Anscheinend ist die rechte Seite betroffen und mit einem Antibiotikum sollte das Ganze innerhalb der nächsten Woche grundlegend besser werden. Zumindest sagt mein Arzt, dass es so sein wird. „Wir kriegen Sie schon in den Flieger!“, sagt er. Und ich denke nur: „Hoffentlich nicht mit den Füßen zuerst!“
Die erste Tablette nehme ich noch mittags und dann insgesamt sieben Tage lang zwei davon pro Tag. „Auch wenn die schnell wirken sollen, musst Du Dich bis morgen gedulden, bevor es spürbar besser wird“, sagt der Hase. Ja, so ähnlich habe ich das auch gedacht. Abends nehme ich die zweite Tablette ein und es geht mir (erwartungsgemäß) noch nicht besser. Dem Hasen ist diese Art der Genesung nicht schnell genug. Schließlich hatte ich ja schon eine ganze Tablette zum Mittag und in anderthalb Wochen soll ich fit sein. Der Hase ist unruhig und läuft , auf der Suche nach einer Lösung, wie ich schneller auf die Beine kommen kann, im Kreis durchs Wohnzimmer. Es bilden sich schon Spurrillen auf dem Laminat, so viel läuft sie im Kreis. Ich werte das als Unruhe.
„Vielleicht sollten wir zur Notaufnahme“, sagt der Hase. Ihre Geduld scheint etwas geringer zu sein, als meine., denn ich möchte noch ein paar Tag warten. Und was sollten wir auch in der Notaufnahme? Die würden sagen: „Nehmen Sie mal ein paar Tage die Tabletten, die Ihnen der Onkel Doktor verschrieben hat und warten auf Besserung.“ Wahrscheinlich würden sie mich hochkant rauswerfen, weil ich den echten Notfällen den Platz nehme. Ich setze mich durch und die Notaufnahme kriegt mich nicht zu sehen. Die Tabletten beginnen aber auch zu wirken. Über Nacht verschwindet das Fieber, aber ich fühle mich immer noch, als hätte eine Dampfwalze mich überrollt. Was sich aber nicht bewahrheitet, der Bauch ist noch da. Aber ich liege mehr als dass ich sitze und ich kann noch nicht im entferntesten daran denken, vom Sofa in irgendein Flugzeug zu steigen.
Die gute Nachricht ist, dass es mir von Tag zu Tag besser geht. Sitzen ist nicht mehr anstrengend und ich verbringe tagsüber unter anderem die Zeit damit, unseren Staubsaugroboter bei seiner Arbeit zu beobachten. Und es ist egal, wie lange ich ihm zusehe, ich erkenne keine irgendwie geartete Logik bei seiner Streckenführung. Mal im Ernst, wer hat das Teil programmiert? KI ist doch irgendwie scheiße, oder? Man möchte das Ding schnappen und ihm ein paar Takte erzählen, wie man logisch eine Fläche absaugt. Aber vielleicht ist es auch merkwürdig, wenn man mit dem Staubsauger spricht. Die etwas schlechtere Nachricht ist, dass die Fortschritte eher langsamer werden und abends noch ein Rasseln in der Lunge beim Schlafen stört. Beim Kontrolltermin beim Arzt geht es mir aber einigermaßen gut und er sieht keine Probleme für die Reise. Zwei Tage später wird es wieder schlechter und ich soll mich auf Hasens Anraten nur noch hinlegen und „verdammt nochmal endlich gesund werden!“ Ich beschließe zu gehorchen. Man sollte seinem Hasen immer gehorchen, wenn einem das eigene Leben lieb ist. Also bleibe ich liegen (was mir erstaunlicherweise nicht schwer fällt) und versuche zu genesen (verdammt nochmal).