Wenn ich als Schweinebraten zur Welt gekommen wäre, dann wäre ich gern ein großes Stück Kasseler-Nacken

Wobei ich betonen möchte, dass ich zwar der Braten hätte sein wollen, aber nicht das Schwein. Als Schwein hat man es nicht leicht. Ein Hausschwein ist in der Tierwelt vergleichbar mit den unteren Lohngruppen beim Menschen. Man spricht da auch von armen Schweinen. Sein Leben lang, so kurz es auch ist, wird das Schwein ausgebeutet und wenn es nicht gerade das Glück hat, bei einem Biobauern aufzuwachsen, muss es zusammengepfercht mit anderen armen Schweinen in desaströsen Wohnverhältnissen vor sich hin vegetieren und dann als Belohnung wird es dann mit einem Bolzenschussgerät ins Jenseits befördert. Das allerdings unterscheidet es zumindest im Moment von den Menschen. Die lässt man lieber so lange arbeiten, bis das mit dem Bolzenschussgerät nicht mehr nötig ist.

Als Braten hat man es da einfacher. Alle finden dich lecker und zum Anbeißen. Es gibt wenig, was attraktiver für einen Fleischesser ist, als ein richtig saftiger Braten. Oh, da war es das böse Wort. Und ich muss gestehen, ich gehöre auch dazu. Ich oute mich! Nein, nicht als Braten, obwohl ich einen schönen Krustenbraten im Speckmantel hätte abgeben können.  Ich gebe es zu und ich oute mich als Fleischesser. Nein, sogar als Fleischgenießer…….. Darf ich das überhaupt? Ist das noch zeitgemäß, ein Fleischesser zu sein? Oder erwartet mich jetzt ein Fäkaltornado (Shitstorm)? Oder besser gesagt, würde mich ein Shitstorm erwarten, wenn diese Zeilen mehr als fünf Leute lesen würden? Man weiß es nicht. Heutzutage wird ja gerne Hetzjagd auf jeden eröffnet, der sein Leben nicht komplett vorbildlich und möglichst biologisch abbaubar führt.

In meinen jungen Jahren hatte ich eine gute Freundin. Ja genau ein guter Kumpel in weiblich.  Eine sehr nette Person, die in vielen moralischen Fragen einen gewissen Vorbildcharakter für mich hatte. Sie war so ziemlich die erste Vegetarierin, die ich kannte. Ich glaube sie war 18, als sie sich überlegte, dass für ihr Wohlbefinden keine Tiere sterben müssten. Also aß sie fortan kein Fleisch mehr. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie es getan, aber dann siegten doch ihre moralischen Wertvorstellungen über das eigene Essverhalten. Das war für mich genauso in Ordnung, wie es für sie in Ordnung war, dass ich weiterhin ein leidenschaftlicher Fleischesser bleiben würde. Das fand ich perfekt, so wie es war. Deshalb habe ich auch nicht darauf herumgeritten, dass die Wildlederjacke, die sie damals trug, auch von einem Tier kommt und dass dieses Tier bestimmt nicht gänzlich damit einverstanden war, dass man ihm die Haut abgezogen hatte, um daraus eine Jacke zu schnitzen.  Mit meiner guten Kumpelfreundin verstand ich mich bestens. Wir hatten eine friedliche Koexistenz. Sowas ging. Versuch das mal heute. Sobald es irgendein soziales Medium aufgreift, bist Du als Fleischesser geliefert.

Nicht auszudenken, wenn ich jetzt noch rauchen würde. Wenn ich einer von den bedauernswerten Menschen wäre, die von der Gesellschaft geächtet, auf Bahnhöfen in kleine, gelbe, auf den Boden gemalte Quadrate gezwängt werden, um dort ihrer todbringenden Gelüste frönen zu dürfen. Wobei sie dann noch froh sein dürfen, dass sie vom Pöbel nicht bespuckt oder gar (Achtung Wortwitz) geteert und gefedert werden. Wenn ich also ein fleischessender Raucher wäre, der vielleicht auch dem Alkohol nicht abgeneigt wäre und der seine Kinder bei der Erziehung in eventuell auch einmal angemeckert hat, dann wäre ich der Antichrist und in etwa auf einer Stufe mit Kim und Donald und Vladimir.

Es ist manchmal so, dass ich mich fühle, als wäre ich aus der Zeit gefallen. Ein wandelnder Anachronismus. Obwohl ich eigentlich schon immer mit der Zeit gegangen war. Nur  ist sie mittlerweile deutlich schneller als ich. Vielleicht bin ich aber auch nur zu blöd, um alles zu verstehen……. Ein kleines Beispiel. Neulich war ich mal mit dem Hasen einkaufen. Ganz normal Lebensmittel und dergleichen. Leicht aufgeregt sprang sie aus dem Auto, nachdem wir geparkt hatten und konnte es kaum abwarten, dass wir das Geschäft betreten. „Ich muss Dir gleich etwas zeigen. Die haben hier etwas ganz Tolles im Laden“, sagte der Hase. Etwas ganz Tolles? Einem männlichen Impuls folgend, dachte ich natürlich sofort an Freibier. Es war zwar morgens um halb neun, aber für ein Bier ist es nie zu spät, oder zu früh. Ein Freibier ist wie der Zauberer Gandalf, es kommt immer zur richtigen Zeit. Egal wann.

Doch dann begann ich nachzudenken. Würde der Hase sich über Freibier freuen? Wahrscheinlich nicht. Also, was konnte es dann sein. Hmmh, wahrscheinlich eine von diesen unglaublich unfassbaren Rabattaktionen, bei denen man schlussendlich beinahe erstaunt ist, wenn man doch noch etwas für den Einkauf bezahlen muss. Prozente, Rabatte, Treupunkte, die sich zu einem Preisnachlassinferno der Superlative summieren. Und mein Schnäppchenhase mittendrin. Ja, das wird es wohl sein, dachte ich. Doch irgendwas war anders an diesem Morgen. Es war nicht dieser energische Blick eines geübten Schnäppchenjägers, den ich in meines Hasens Augen sah. Nein, sie sah irgendwie beseelt aus. Hmmh, sollten die da im Laden vielleicht einen feurigen Südländer am Fleischtresen haben? So ein braungebrannter Charmeur, der mit seinem italienischen Akzent Dinge sagt wie:“ Signora,darf es von der groben Mettwurst noch etwas mehr sein?“ Und bei ihm klingt das dann wie eine Serenade bei Sonnenuntergang. Oha, dagegen würde ich alt aussehen.

Wir betraten den Laden mit einem Einkaufswagen, den ich zuvor einer alten Dame aus der Hand gerissen hatte. Sie schimpfte mich einen Flegel und fuchtelte wild mit den Armen. „Ich bin ja doch schneller als Du, olle Spinatwachtel“, dachte ich.  „Das hab ich gehört Sie Rüpel!“ Anscheinend hatte ich mal wieder laut gedacht. Ich muss da unbedingt mal besser drauf aufpassen.  Eiligen Schrittes enterte  ich, meiner Gattin folgend, den Supermarkt. Der Hase stand dort schon in direkter Nähe des Einganges an einem mannshohen Ständer zeigte darauf und sagte: „Tadaa! Na, jetzt Staunst Du, oder?“ „Häh“, sagte ich, “ wasn das für´n Teil?“ „Na guck doch mal hin.“ „Ja, ein Ständer. Soll mir das jetzt irgendwas sagen?“ „Ach Du schon wieder. …..Vielleicht solltest Du mal drauf achten, wofür der ist“, sagte der Hase. Tja, und da fielen mir die berühmten Schuppen zentnerweise von den Augen. Es war ein Spender für Desinfektionstücher, mit denen man die Griffstange an seinem Einkaufswagen desinfizieren kann. Ahh ja.

Wieder so etwas, das ich nicht ganz verstehe. Warum gibt es den jetzt? Ja, ich weiß, um den gesundheitsbewussten Kunden vor Keimen und Bakterien, die die anderen, vielleicht nicht ganz so gesundheitsbewussten Kunden an den Griffen der Einkaufswagen hinterlassen haben könnten, zu schützen. Okay das leuchtet mir noch einigermaßen ein. Doch ein paar Fragen bleiben. Wie hoch war die Erkrankungsrate, was das Berühren der Griffe an  Einkaufswagen angeht? Gab es vielleicht sogar Todesopfer? Hat man nicht schon häufig davon gelesen, dass sich die Einkaufswagengriffstangenstreptokokken rasend schnell vermehren, auf den Menschen übergreifen und schon ganze Landstriche entvölkert haben? Nein hat man nicht. Ich zumindest nicht.

Was um alles in der Welt macht dann so eine Maßnahme notwendig? Oder, wie konnte das nur bisher all die Jahrzehnte gut gehen, ohne diese Tücher? Was passiert, wenn ich beim Einladen in den Einkaufswagen an das Metallgestell des Wagens gelange? Ist das vielleicht konterminiert? Und überhaupt, kann es nicht sogar sein, dass ein unachtsamer Kunde ein Produkt aus dem Regal entnimmt, es sich ansieht und dann wieder zurücklegt, weil er es dann doch nicht erwerben möchte? Vielleicht ist dieser Kunde schwer erkältet und hat sich vorher ein paarmal in geringeren Mengen grünes Sekret in die Hände gehustet. Wenn ich nun eben dies Produkt, dass der Hustinette kurz vorher besudelt hat, nehme und in meinen, eventuell konterminierten Einkaufswagen einlade, wie schütze ich mich da vor Viren und Keimen? Und dann am Ende des Einkaufs legt man seine ganzen Artikel auf dieses Band, auf dem auch all die anderen Artikel der anderen Kunden lagen…..nicht auszudenken, was da alles schief gehen kann. Ich bin regelmäßig froh, dass ich nach einem Einkauf mit dem Leben davongekommen bin. Sowas kann leicht ins Auge gehen. Da soll man nicht mit scherzen. Niemals nicht!

Dass der Hase einen leichten Hang zur Desinfektion und peniblerer Sauberkeit hat, ist ihrem Beruf geschuldet. Als Zahnarzthelferin hat sie da eine gewisse berufliche Vorbelastung. Jeder dessen Partner im zahnmedizinischen Wesen tätig ist, wird wissen was ich meine. Oh, da fällt mir auf, ich habe mich nicht korrekt ausgedrückt.  Zahnarzthelferin ist jetzt auch  nicht mehr zeitgemäß, denn diese Berufsbezeichnung wird so nicht mehr verwendet. Mein Hase ist eine zahnmedizinische Fachangestellte, wenn ich das richtig weiß.

Das ist auch so ein Trend, dem ich nicht viel abgewinnen kann. Dass das Ansehen vieler Berufsgruppen, vor allem im Handwerk und in den unteren Lohngruppen, derart im Arsch ist, dass man verzweifelt versucht, eine Aufwertung durch möglichst hochwichtige Berufsbezeichnungen krampfhaft zu erreichen. Ich habe demnach nicht mehr Bauschlosser gelernt und rund zwanzig Jahre als Beruf ausgeübt. Nach neuerem Stand war ich „Konstruktionsmechaniker Fachrichtung Metallbau“. Boah, das hätte ich mal früher wissen müssen.Da ist man doch nur hauchdünn von einem Doktortitel entfernt. Danach war ich rund zehn Jahre als Lagerist beschäftigt, was jetzt ein Facharbeiter für Lagerlogistik ist. Aktuell bin ich eine Art Hausmeister in einem Autohaus. Wahrscheinlich ist das ein „Facility Manager im Mobilitätssektor mit inhaltsübergreifendem Tätigkeitsfeld“!.

Da frage ich mich schon, warum ich kein Schlosser, Lagermokel oder Hausmeister mehr sein darf. Ist die Tätigkeit eine Andere, weil sie anders heißt? Komischerweise nicht. Oder bekommt man für den halben Adelstitel jetzt irgendwie mehr Geld?  Auch nicht. Das ist für mich nicht weiter schlimm. Ich bin schon alt. Aber wie ist das mit den jungen Leuten. Mit denen, die nicht das Potential haben, um ein Abitur zu machen und auch nie studieren werden.

Es soll sie geben. Vereinzelt. Wie ein imaginär beobachtetes Gespräch zweier Mütter zeigt…………… Mutter eins:“ Dein Sohn ist doch jetzt fertig mit der…“ es entsteht eine kleine Pause, weil Mutter eins nach einer milderen Formulierung sucht, sie aber nicht findet und es dann doch völlig ungeschönt aussprechen muss:“….mit der Hauptschule.“ Es ist ihr sichtlich unangenehm, dass sie den Finger so in die offenkundige Wunde legen muss. „Was macht er denn jetzt?“ Bohrt sie mit einer unnachgiebigen Neugier weiter nach. „Er hat eine Lehrstelle als Maurer“. antwortet die andere Mutter verzweifelt. „Oh Gott, das ist ja schrecklich! Aber heißt das nicht eigentlich Konstruktionsmechaniker Fachrichtung Mörteldesign?“ „Ja, das mag sein, aber schrecklich bleibt es doch. Wir haben so viel Geld in die Nachhilfe gesteckt und haben ihm weiterbildende Kurse ermöglicht und nun wirft er sein Leben einfach so weg. Was soll man machen.  Er wollte schon immer Maurer, äh Mörteldesigner werden und er hat sich nie davon abbringen lassen.“ „Du Ärmste, aber er muss das ja nicht immer machen. Viele finden ja später noch über den zweiten Bildungsweg heraus aus dem Elend.“ „Ja, das hoffe ich auch.“

Das mit dem „Er muss das ja nicht immer machen“ habe ich mir nicht ausgedacht. Der Satz stammt von meiner Lieblingspolitikerin. Ursula von der Leyen. Uschi, die schon so manches Ministeramt bekleidet hat und derzeit ihr allgemeines Versagen bei der Verteidigung fortführt. Sie wurde einmal, ich glaube da war sie Arbeitsministerin, angesprochen, ob die Menschen mit körperlich anspruchsvollen Berufen (Bauhandwerk und so weiter) nicht früher in Rente gehen sollten, als mit 67 Jahren, weil es erwartbar wäre, dass sie ihren Beruf nicht so lange ausüben könnten. „Nur weil einer Dachdecker gelernt hat, muss er das ja nicht bis ans Berufsende weiter machen“, hat die Uschi gesagt. Ich glaube es ging dann sinngemäß weiter, dass diese Leute doch, mit fünfzig oder so, eine Bürotätigkeit ausüben könnten. Da will ich mal bei sein, wenn Heerscharen von Maurern, Zimmerern und all den anderen Gewerken die Büros entern und mit Hammer, Schraubenschlüssel und  Kelle Computer  malträtieren. Und was ist das für ein Signal, was man der Jugend gibt? Wer möchte denn schon einen Beruf erlernen, den man am Besten nicht großartig lange ausüben sollte. Aber vielleicht bin ich auch hier nur zu begriffsstutzig.

Was mich heutzutage noch so stört sind…….ach es sind so viele Dinge, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Nehmen wir mal die Ladenöffnungszeiten. Die sind ja schon ziemlich lang und werden dann immer noch klammheimlich ausgeweitet. So Dinge wie verkaufsoffener Sonntag, Moonlight- oder Mitternachtshoppen sind ja voll im Trend. Und das Schlimme ist, die Läden sind dann immer zum Bersten voll. Vor einigen Jahren hat eine dieser Technikmarktketten im Osten der Republik eine neue Filiale eröffnet. Und als besonderen Clou wurde die Eröffnung auf Mitternacht gelegt. Stunden vorher rotteten sich tausende Leute zusammen und als dann die Tore geöffnet wurden brach großer Tumult aus. Es gab mehrere Verletzte. Zu Brei getrampelt weil……ja warum eigentlich? Was zur Hölle gab es an diesem Tag in diesem Laden, dass man dafür sein Leben und das Leben seiner Mitmenschen aufs Spiel setzte? Einen goldenen Toaster? Bananen (war ja schließlich im Osten)? Man weiß es nicht. Und wenn irgenein blödes Einkaufscenter an einem Sonntag geöffnet hat, sieht man den Boden nicht mehr, weil die Leute sich so dichtgedrängelt durch die Gänge schieben. Man möchte ihnen am liebsten zurufen, dass es nicht der letzte Tag ist, an dem man hier einkaufen kann. Gerüchte besagen, dass auch von Montag bis Samstag geöffnet ist. Und zwar beinahe rund um die Uhr. Manchmal scheint das Leben nur noch daraus zu bestehen, dass man entweder schuftet, um Geld zu verdienen oder seine verbleibende Zeit damit verbringt die Kröten wieder zu verpulvern.

Manchmal sind es aber auch so Kleinigkeiten, die mich ratlos zurücklassen. Da gibt es aktuell ein Playmate, dass sich hat ablichten lassen und, jetzt kommt die große Neuigkeit, dabei nicht sämtliche Haare vom Körper rasiert hatte. Wir reden jetzt aber nicht vom Haupthaar. Selbst Achselhaare hatte sie beim Shooting. Echte Achselhaare! Der Hammer! Und das ist jetzt voll der Aufreger. Ein Teil der Communitiy feiert sie wegen ihrer Natürlichkeit, der andere Teil rottet sich zu einem Shitstorm zusammen. Schon wieder so einer. Denn Körperbehaarung gilt in der heutigen Zeit als unhygienisch. Wer also Haare in der Achselhöhle hat, der stinkt und ist als Mensch einfach klebrig. Da mag man sich gar nicht ausmalen, was für Insekten und Krankheiten dort lungern und wie mag das erst an den anderen Regionen des Körpers sein. Schrecklich! Nicht auszudenken! Man kann als Körperhaarträger schon froh sein, wenn man nicht in Supermärkten mit diesen Desinfektionstüchern, die eigentlich für die Griffstangen der Einkaufswagen gedacht waren, von aufgebrachten Reinlichkeitsfanatikern von Kopf bis Fuß abgerieben wird.

Ich könnte jetzt beliebig weitermachen mit Dingen, die ich an der heutigen Zeit nicht versteh oder die mir einfach auf den Pinsel gehen. Vielleicht mache ich das auch noch irgendwann einmal. Das Thema an sich ist ja beinahe unerschöpflich. Aber vielleicht werde ich beim nächsten Mal einfach die Zeit zurückdrehen. Wir werden sehen……