Teufel und Beelzebub…..Home sweet Home 3

Neulich hatte ich Geburtstag. Das an sich ist nicht faszinierend, schließlich hat ja eigentlich an jedem „neulich“ auch immer jemand Geburtstag. Vermutlich sind sogar täglich Geburtstage zu verzeichnen. Vielleicht sind sogar Straßen verstopft, wegen eines großen Aufkommens an Geburtstagen. So betrachtet, ist mein Geburtstag für die Menschheit nicht weiter von Belang und somit eigentlich unwichtig. Ich bitte daher von allzu stürmischen und überschwänglichen Glückwünschen abzusehen, zeige mich aber immer offen für Millionenbeträge, die man mir zu diesem Anlass zukommen lassen möchte. Von Kleinbeträgen und falschen Edelsteinen bitte ich aber auch abzusehen. Also, wie man sieht, ist auch dieser meine Geburtstag von neulich wirklich nichts besonderes (es gab weder Millionenbeträge noch echte Edelsteine, falsche allerdings auch nicht). Etwas ungewöhnlich war allerdings die Location. Dreimal Essen ans Bett und rund um die Uhr Betreuung durch nette junge Damen. Dass es ein Krankenhaus ist, ich dem ich nun diesen Geburtstag verbrachte, war halt eine kleine Randnotiz.

Seinen Geburtstag in einem Krankenhaus zu verbringen, ist genauso wie einen anderen Tag in einem Krankenhaus zu verbringen. Allerding gratuliert jeder, der hier rumläuft, und das sind Einige, und ich habe sogar ein kleines Präsent von der Station bekommen. Mehr VIP geht nicht. Natürlich gab es auch Glückwünsche von allen anderen, die ich im Zivilleben kenne und die Messenger Dienste rauchten. Aber ein Essen mit dem Hasen und den Kindern und die obligatorische Benjamin Blümchen Torte (im Tiefkühlfach erhältlich und wärmstens zu empfehlen) bleiben allerdings unersetzbar. Mit meinen Zimmergenossen (wir waren an dem Tag zu viert und alle nett) habe ich dann ein virtuelles Bier getrunken und ein virtuelles Stück Grillfleisch gegessen. Das habe ich selbstverständlich alles virtuell bezahlt und ausgegeben. Und so waren wir virtuell auch ein bisschen satt und hätten beinahe einen Kater gehabt.

Aber das ist ja auch schon wieder ein paar Tage her und der Neue neben mir, also der mit dem famos schlechten Einstand, kann nicht nur meckern, sondern auch richtig sprechen. Nur dass er immer einen irgendwie unfreundlichen Unterton hat. Mag auch an seiner irgendwie nervtötenden Stimme liegen und auch daran, wie er manche Dinge sagt. Der Ton macht hier eindeutig die Musik. Also wenn er beispielsweise ungeduldig ist, weil das Frühstück sich noch herauszögert, dann sitzt er auch schon mal auf der Bettkante und ruft ein lautes „Hallo!“ durch die geschlossene Zimmertür, wenn er meint, draußen jemanden zu hören. Aber eher ein herrisches, forderndes „Hallo!“. Macht er dann auch gern mal öfter. Und trommelt derweil mit den Fingern auf die Ablagefläche von seinem Beistellschrank, oder wie man das hier nennt. Oder er rülpst manchmal grundlos oder macht die gleichen Laute, wie beim Einschlafen, oder gibt sonstige Dinge von sich, die ich hier nicht weiter erwähnen möchte. „Seit wann bist Du denn hier?“, fragt er mich und ich kann so aus dem Stand nicht antworten. Dann denke ich nach und weil ich ja schon ein weiteres Mal hier gewesen bin, verschwimmen die Daten. „Ich glaube ich habe bald eine Woche voll“, sage ich und die Erkenntnis macht mich ein bisschen stutzig. Denn eigentlich hätte ich ja nach spätestens einer Nacht nach Hause gesollt. Und nun häng ich hier mit einem netten Menschen, einem netten Günter und eben diesem komischen Kerl rum.

Man muss es sich auch hin und wieder ins Gedächtnis rufen. Wie war das noch? Genau, erst diese Ablation mit zwei Nächten. Dann ein paar Tage Freiheit und danach „The return of the bad Rhythm!“. Da war er wieder krumm und das Flimmern flimmerte. Und dann? Ich komme schon ins Schleudern, wenn ich darüber nachdenke, wie viele Tage ich in Freiheit war. Keine ganze Woche, glaub ich. Und dann wieder hier rein und aus einer Nacht wurden dann viele. Weil ich erstens resistent gegen Strom aus Bügeleisen zu sein scheine und zweitens, weil man beschlossen hatte den Teufel (das Flimmern) mit dem Beelzebub (dieses etwas andere Medikament) zu bekämpfen. Der Beelzebub, also dieses Medikament soll unterstützend wirken und bestenfalls den Rhythmus auch allein korrigieren können. Also bekomme ich täglich eine sechsfach erhöhte Dosis solange, bis ich dann ein drittes Mal gebügelt, also kardiovertiert werde. Man möchte mich damit auf einen gewissen Pegel bringen, also das Mittel soll auf mindestens 5mg bis höchstens 7mg verinnerlicht werden. Ein Mittel, das mehr gravierende Nebenwirkungen hat, als ich Haare auf der Brust. Also 12.

Nein, das war nur Scherz, ich habe 13 Haare auf der Brust. Aber mir fällt auf, dass es vielleicht auch Leser gibt, die das Sprichwort: „Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“ vielleicht nicht kennen. Der Beelzebub ist auch nur eine Art Teufel und somit hat man etwas Schlimmes, mit dem man etwas anderes Schlimmes bekämpfen möchte. Markus Söder mit Armin Laschet, Feuer mit Gegenfeuer, Modern Talking mit Stefan Mross, die Liste lässt sich beliebig fortführen. Also sitzliege ich hier (sitzliegen ist in Krankenzimmern ein häufig verwendetes Verb und umschreibt die Haltung, die man hier im Allgemeinen annimmt, wenn man im Bett das Kopfteil hoch fährt) Tag für Tag und warte auf die Folgen der Tabletteneinnahme. Ich denke ich werde, wenn ich hier irgendwann mal rauskomme nur noch sitzliegen können. Wie soll ich so Autofahren können? Wahrscheinlich muss ich zu einer Anschlussbehandlung zum Orthopäden.

Es herrscht insgesamt eine hohe Fluktuation, was die Bettenbelegung in meinem Zimmer angeht. Wobei es ist, wie im richtigen Leben: die Netten gehen einfach zu früh. Und wenn man schon einen netten Bettnachbarn hat, dann möchte man ihm natürlich alles Gute wünschen, aber eine kleine ungefährliche Komplikation, die ihn zum weiteren Verbleib zwingt, wäre dann schon ganz in meinem Sinne. Aber das ist nicht der Fall und so muss man immer sehen, wer denn als nächstes das Parkett betritt und hofft jedesmal, dass der Nachfolger so einigermaßen passt. Die jetzige Besetzung ist insgesamt aber erträglich. Günter die Insel, ist ja eigentlich schon wirklich ganz okay und mein schräg Gegenüber, der schon seit ein paar Tagen hier ist, ist sogar richtig freundlich. Da kann man den komischen Kerl neben mir doch einigermaßen ertragen. Auch wenn er HSV Fan ist (Günter im übrigen auch), was mich zu der Aussage verleitete: „Ach Ihr beiden seid das, hatte schon gehört, dass es noch welche gäbe.“ Nicht dass ich Ahnung von Fußball hätte, aber der musste mal sein.

Kam bei beiden nur so semi an. Irgendwann kommt ein Arzt vorbei und redet mit dem Knurrhahn neben mir: „Also wir sind jetzt diagnostisch soweit durch und auch weitere Behandlungen können wir momentan nicht durchführen, weswegen wir Sie eingentlich entlassen wollen.“ Ja geil, denke ich, ich helfe auch packen. Es ist Mittwochabend und ich wäre nicht böse, wenn er ginge. Aber er möchte nicht. Watt? Nein, er möchte lieber noch eine Nacht bleiben. Hmmh, kein schönes zu Hause? Die Telefonate da hin, bei denen er sich mit seiner Gattin regelmäßig beschimpft, lassen diesen Schluss zumindest zu. Da scheinen sich zwei gefunden zu haben. Und wer weiß, vielleicht wollen auch beide nicht, dass er so früh zurückkommt.

Mit dem Hasen telefoniere ich auch häufig. Gefühlt sechsmal am Tag und wir beschimpfen uns nie. Es geht mehr darum, ob es mir gut geht, wie ich mich fühle und ansonsten ob es mir auch wirklich gut geht. „Und Du merkst nichts von all diesen Tabletten?“, fragt der Hase. „Nein“, sage ich, „nicht ein bisschen. Man könnte mir die doppelte Dosis geben und mir würde es trotzdem gut gehen. Ich habe auch keine Magenproblem oder sowas“, antworte ich. Ehrlich gesagt, könnte ich auch zu Hause sein, aber nachher geht es mir dann doch schlecht, dann will ich lieber beim Fachpersonal liegen. Lustig sind auch manchmal die Chatverläufe mit dem Hasen. Wie zum Beispiel der zum Thema Rasenmäher.

Hase: „Der Rasenmäher ist kaputt!“…..Ich: „Wie der Rasenmäher ist kaputt?“…..H.:“ Na der Griff ist ab!“….I.: „Wie der Griff ist ab? Das verstehe ich nicht.“ …..H.: „Was gibt´s denn da nicht zu verstehen?“……I.: „Wieso ist der Griff ab und wo?“ „Na da, wo der an das Gehäuse geht, fehlt ne Schraube und deswegen ist der kaputt.“ Und ich denke, da ist man einmal für ein paar Tage weg und schon geht der Rasenmäher, der schon seit 16 Jahren anstandslos treu seinen Dienst getan hat, kaputt. „Was für eine Schraube muss da ran und wo kann ich eine finden?“ fragt der Hase. „Woher soll ich das wissen, ich kann es ja von hier nicht sehen“, sage ich. „Und wo finde ich einen Schraubenschlüssel und wie groß soll der sein?“ Der Hase ignoriert offensichtlich, was ich geantwortet habe. „Wenn ich das nicht sehen kann, dann weiß ich auch nicht, welche Schraube da ran muss und dann weiß ich auch nicht, welchen Schraubenschlüssel Du brauchst“, sage ich. Auch um davon abzulenken, dass mein Werkzeug ein bisschen verstreut herumliegt und ich selbst suchen müsste, wenn ich zu Hause wäre. „Das ist ja blöde“, schreibt der Hase, „wie soll ich den denn jetzt reparieren? Und Du weißt jetzt nicht, welche Schraube da rein muss?“ Hmmh, ich glaube das hatte ich schon erwähnt, oder? „Geh zum Nachbarn, der hat hundert Prozent eine passende Schraube“, sage ich und bin stolz auf mein Krisenmanagement. „Und wo finde ich denn nun die Schraube und den Schlüssel? Ich mach das ja auch, aber dafür muss ich wissen, wo ich hier in Deinem Sammelsurium irgendwas finde“, der Hase kann sogar bei Textnachrichten gereizt klingen. Und so vergehen noch ein paar Minuten, in denen ich sage, dass ich nicht weiß, was sie braucht und daher auch nicht, wo sie das finden könnte, von dem ich nicht weiß, was es sein soll. Ich verweise auf den Nachbarn und der Hase fragt, ob ich wirklich nicht wisse, wo sie was fände. Ich merke, wie mein Puls ein wenig ansteigt. Allerdings noch holprig, wie immer, leider. Die nächste Nachricht, die mich erreicht, ist ein Bild vom reparierten Rasenmähergriff. „Ich war beim Nachbarn, der hatte sofort ne Schraube und hat sie auch gleich angebracht. Den Tipp hättest Du mir ja auch geben können“, schreibt der Hase und ich beiße ins Kissen. Später erreicht mich die Botschaft, dass der Rasenmäher vielleicht noch mähe, aber eigentlich kaputt sei. „Der qualmt wie Sau und er mäht schief!“ schreibt der Hase. Und ich bin ein wenig bange um den Mäher. Was machen die zu Hause nur mit ihm. Ich traue mich aber nicht nachzufragen. Manche Dinge will man einfach nicht wissen.

Das Phänomen Rasenmäher ist allerdings kein Einzelfall von mir, denn einige meiner Mitbewohner haben ähnliche Gespräche mit den lieben Ehefrauen zu Hause. Manchmal liegt es an einem Akku, der im falschen Ladegerät steckt und manchmal sind es auch einfache Bedienfehler. Und uns allen hier im Zimmer wird immer mehr klar, dass wir wichtig sind und es zu Hause einfach nur drunter und drüber gehen würde, wenn wir länger hier bleiben müssen. Natürlich wissen wir auch, dass es andersrum nicht besser wäre, denn es gibt keinen unter uns, der weitreichende Kenntnisse von den Mysterien der Waschmaschine und des Bügeleisens hat. Durchaus sind wir in der Lage, die Wäsche nach dem Waschen aufzuhängen, aber sie vorher nach Farben zu sortieren bringt manch einen an seine Grenzen. Und dann noch das richtige Waschmittel, die richtige Temperatur, das richtige Waschprogramm finden, grenzt an das Unmögliche. Als Mann mag man es einfach und schlicht.

Der Donnerstag nach dem Mittwoch ist Himmelfahrt und statt mit ein paar Genossen per Rad durch die Botanik zu fahren und Gemüsesaft zu trinken (wenn es denn erlaubt wäre….ist es aber nicht aber rein hypothetisch wäre es ja möglich), sitzliege ich den ganzen Tag rum und mein Nervnachbar ist auch noch da. Das hatte er geschickt eingefädelt gestern Abend, denn heute wird hier keiner entlassen und so hat er noch einen Tag rausschinden können. Aber das ist mir egal, denn ich mache eine bahnbrechende Entdeckung. Mein Puls fühlt sich irgendwie anders an. Langsam, oder besser sehr langsam, wie der eines Verwaltungsbeamten, bei der Ausübung seiner Pflicht. Wobei ich mich an dieser Stelle für diesen unangemessenen Vergleich entschuldigen möchte. Ich habe ja die Beamtinnen vergessen. Gleichberechtigung bleibt nunmal Gleichberechtigung, da darf man keine Ausnahme machen. Aber das langsame Pochern meines Pulses ist nicht das bahnbrechende. Nein, ich habe das untrügliche Gefühl, dass er gleichmäßig schlägt. Auf dem EKG heute morgen war das noch nicht so zu sehen, aber jetzt, am frühen Abend, fühlt es sich halt so an. Das wäre der Hammer! Dann müsste ich nicht noch ein drittes Mal kardiovertiert werden und wahrscheinlich könnte ich dann spätestens Samstag raus. Aber ich bleibe natürlich verhalten euphorisch, denn schließlich ist hier für mich ja vieles anders gekommen, als ich dachte und da wäre es auch kein Wunder, wenn das hier noch einmal so wäre. Und ja, ich sollte recht behalten, aber dazu mehr in der nächsten, letzten Folge.