Es hatte sich schon länger abgezeichnet. Wenn ich ehrlich mit mir bin, habe ich schon im Frühjahr bemerkt, dass mir die Ideen ausgehen und ich nicht mehr in der Lage war, irgendwie einen halbwegs vernünftigen Text zu schreiben. Einzig die Geschichte, wie ich vom Rad gefallen bin, war da ein Licht in dunkler Nacht. Ansonsten war es weg. Was auch immer für eine Art „Talent“ (mal hochtrabend ausgedrückt) in mir schlummerte, es war weg. Wieder eingeschlummert. Im Sommerschlaf und ich versuchte verzweifelt etwas dagegen zu unternehmen. Ich habe dutzende Texte begonnen und enttäuscht wieder beendet. Vorzeitig. Koitus Interruptus Literarus. Mir fehlte die nötige Inspiration. Vom Rad fallen hatte ich ja schon und es schien mir nicht die beste Lösung meiner schriftlichen Probleme zu sein, das häufiger zu wiederholen. Einmal auf die Fresse fallen reicht auch irgendwie. Was nun? Brauchte ich mehr Alkohol? Nicht direkt die beste Lösung, weil ich besoffen die Tasten nicht treffe und die Worte dann noch weniger Sinn ergeben. Wie wäre es mit Therapiestunden? Zu teuer und ich würde mir anmaßen, dass ich mich selbst besser kenne, als irgendein Therapeut. Sollte ich mich vielleicht auspeitschen lassen? Würde mein Hase Spaß daran haben? Ich möchte das lieber nicht hinterfragen.
Ich befinde mich also in einer Art Schreibblockade und das ist ein merkwürdiges Gefühl. Es ist ein bisschen wie ein Beinbruch, wenn man laufen möchte. Es nervt einfach nur und mit jedem versemmelten Textanfang wird es schlimmer. Ein berühmter Schriftsteller hat mal gesagt, dass bei einer Blockade nur viel Schreiben hilft. Dann würde man in einen Rhythmus kommen und die Muse würde einen wieder küssen. Geschrieben habe ich viel in letzter Zeit, aber die Muse hat sich nicht blicken lassen. Wahrscheinlich hat sie was mit nem Anderen, dieses Flittchen.
Ein Grund für mein derzeitiges Scheitern ist mit Sicherheit meine Eigenschaft, die Dinge nicht zu einem Ende zu bringen. Das passiert mir nicht immer, aber wenn, dann verfolgt mich so etwas und beschäftigt mich irgendwo im Hinterkopf. Also habe ich beschlossen, hier mal zu stöbern und die offenen Sachen endlich mal zu beenden. Wie zum Beispiel mein Leben bei der Bundeswehr…..
Ich habe eine Menge geschrieben über meine Zeit beim Bund und nicht alles davon entsprach zu hundert Prozent der Wahrheit. Manche Dinge habe ich ein wenig aufgepeppt, aber im Prinzip lag ich immer recht nahe an der Wahrheit. Die alles umfassende Wahrheit über meine Zeit bei der Truppe ist, dass es die Zeit in meinem Leben war, die sich am meisten verschwendet anfühlte. Ach was sag ich, sie fühlte sich nicht nur verschwendet an, sie war es auch. Wenn ich kiffen würde, was ich nicht tue, und ich hätte mir 12 Monate lang die Rübe weggehauen , dann hätte ich diese 12 Monate sinnvoller verbracht als beim Bund.
Ein Beispiel dafür ist der Tag, als ich in meiner Stammeinheit, genau, da wo ich jeden verdammten Tag nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hatte, mich auf mein Bett legte. Ich war zwar Heimschläfer, aber man hatte als solcher trotzdem ein Bett in einer „Stube“, für den Fall, dass man mal Wache schieben musste. Ich hatte also wieder nichts zu tun und war deswegen so erschöpft, dass ich mich auf mein Bett in meiner Stube legte. So konnte ich wenigstens im Liegen meiner Beschäftigung, dem Nichtstun nachgehen. Ich hielt das für den besten Einfall seit langer Zeit. Solange bis mein Feldwebel, der mit dem Stock im Arsch, rein kam und meine Idee für nicht ideal befand. Ich vermute, es hat ihn ein wenig geärgert, mich da liegen zu sehen. Er fing dann wieder an mich Kamerad zu nennen und war offensichtlich der Meinung, ich solle „aber´n bisschen plötzlich“ aufstehen. Dann gingen wir auf den Flur, einem elend langen Gang. Und mitten in diesem Gang befand sich, an die Decke gehängt, eine Uhr. Ob ich die Uhr sehen würde, fragte mein verkrampfter Webel. Ich gab zu verstehen, dass ich diese Uhr sähe. „Auf dieser Uhr befindet sich Staub und den machst Du jetzt weg“, sagte er.
Für einen Moment dachte ich, dass es wirklich so wäre. Dass sich auf der Uhr wirklich Staub befindet und sich so eine logische Grundlage für dessen Beseitigung ausmachen ließe. Also organisierte ich eine Trittleiter und einen Lappen und einen Handfeger mit Schaufel, um diesen Staub zu entfernen. Von ganz weit drinnen in mir erklang eine Stimme, die mich fragte: „Was machst Du da? Bist Du jetzt blöd geworden?“. Das mit dem Staub war natürlich eine Finte. Die Uhr war auch von oben sauber wie ein frisch abgewischter Babyhintern. Also meldete ich nach rund fünf Minuten, ja ich habe mir extra viel Zeit gelassen, Vollzug. „Sehr schön Kamerad“, sagte der Feldwebel und meine innere Stimme wurde langsam lauter: „Wenn der noch einmal Kamerad sagt, dann hau ihm was auf´s Mett“, sagte sie. Da ich mich durch meine Einsatzfreude hervorgetan habe, meinte mein Feldwebel, wäre es doch sicherlich auch in meinem Interesse meine offenkundlichen Fähigkeiten auch weiter auszuüben.
Und so durfte ich den Flur fegen. Diesen scheißlangen, verkackten Flur, auf dem sich im Höchstfall drei Gramm Staub befanden. Und ich wusste, wenn ich auch hier zu schnell fertig werden würde, hätte mein Lieblingsvorgesetzter tausend und eine Idee, wie ich den Tag auch sonst sinnvoll verbringen könnte. Also beschloss ich, diesen Flur so langsam wie möglich zu fegen. Also so richtig langsam. So langsam, dass auch der Sekundenzeiger der Uhr in diesem Flur, die ich gerade gereinigt hatte, sich meinem schleppenden Tempo anpasste und die Sekunden in Minuten verwandelte. Das war dann der Zeitpunkt, an dem mir überdeutlich wurde, was für ein dämlicher Scheißhaufen die Bundeswehr ist. „Ich sollte eigentlich nicht hier sein“, dachte ich, “ überall anders, nur nicht hier!“ Allerlei Rekruten und Soldaten liefen den Flur entlang und jeder musste mir eine Bemerkung zuraunen, wie unfassbar langsam ich arbeiten würde. Wenn in diesem Moment ein bisschen mehr Rebell in mir gewohnt hätte, dann hätte ich den Besen genommen und damit auf irgendjemanden eingeprügelt. Aber so bin ich nicht. Ich dachte immer, wenn ich mich anpasse, dann würde ich in dem Laden klarkommen. Nur hat das leider nie geklappt. Für einen normal denkenden Menschen ist es keine befriedigende Alternative sich an einen Besen zu klammern und damit Staub zu fegen, den es nicht gibt, nur um nicht noch blödere Sachen machen zu müssen. Mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke, wie erniedrigt ich mich oft in diesem Laden gefühlt hatte.
Zum Thema erniedrigt, es gab den Hobrima wirklich. Allerdings ist die Nachtwache mit ihm erfunden. Der Hobrima war mit mir zusammen in der Grundausbildung und war so etwas wie der Depp der Kompanie. Was ich sehr gut fand, denn somit war ich nicht der Kompanietrottel, auch wenn dieser Kelch nahe an mir vorüberging. Die Nachtwache mit ihm auf der Geländeübung war erfunden, aber die Übung selbst war schon etwas ähnlich vom Ablauf her. Den echten Namen vom Hobrima weiß ich nicht, aber was sich hinter dem Spitznamen verbirgt schon. Er war immer sehr darauf aus, von den Kameraden akzeptiert zu werden, die ihn offensichtlich schlecht behandelten. Hol mal dies, bring mal das, mach mal jenes, sagten sie ihm und er holte, brachte und machte….Hol, bring, mach = Hobrima……so kam dieser Name zu Stande und der hat sich bei mir eingeprägt. Bis heute und deshalb habe ich ihn in meiner Adresse für diesen Blog verwendet. Der Hobrima war übrigens ein netter Kerl, ganz im Gegensatz zu den meisten seiner „Kameraden“.
Eine weitere wahre Geschichte vom Bund ist die Waffenausbildung. Einerseits mit dem G3, der Flinte für den allgemeinen Soldaten damals. Ich war seinerzeit sehr erschrocken über den Rückschlag, den so ein Ding verursacht und war froh, dass wir liegend schossen, denn sonst hätte mich das Ding von den Füßen geholt und ich hätte aus versehen vielleicht auch noch eine Friedenstaube oder einen seltenen Habicht erlegt. Dann schossen wir mit der P1, einer handlichen Pistole für den Nahkampf und ich war dabei nicht in der Lage auf 10m Entfernung ein Scheunentor zu treffen. Nee mal ehrlich, mit mir hätte man definitiv keinen Krieg gewinnen können. Ich war so ziemlich der mieseste Schütze in meiner Kompanie. Ganz übel wurde mir bei der Übung mit der Handgranate. Ich hätte gerne drauf verzichtet, aber in der ZDV stand, dass ich auch diese Hürde würde nehmen müssen.
Man ging damals in eine Art Schießstand oder was auch immer, stand in einem Graben und musste dann die entsicherte Granate möglichst weit ins Gelände werfen. Bevor wir aber werfen konnten, wurde uns haarklein erklärt, wie das Teil funktionierte und was es anrichten könnte, wenn man es nicht richtig macht. Gruselgeschichten von Ausbildern, die sich auf eine fallengelassene Granate warfen und somit die gesamte Sprengwirkung für sich allein beanspruchten, um das Leben der umstehenden Kameraden zu retten. Und davon, wie die geretteten Kameraden die Einzelteile des Ausbilders zusammensuchen mussten. Also verfolgte ich sehr aufmerksam die Erläuterungen meines Ausbilders, damit ich für seine Verteilung nicht verantwortlich sein würde.
Er hielt eine Übungsgranate hoch und demonstrierte den Ablauf so präzise. dass auch der Dümmste es verstehen konnte. „Ihr haltet die Granate fest“, sagte er und umklammerte mit der einen Hand die Granate inklusive eines Bügels, “ dann zieht ihr an dem Ring von dem Sicherungsstift und wenn ihr diesen Bügel“, er zeigte auf diesen Bügel, „loslasst, dann ist die Granate scharf und nach ein paar Sekunden geht das Ding hoch. Pow!“ Er hatte wirklich Pow gesagt. „Und wenn Ihr das Teil nicht weit genug weggeworfen habt, dann seid Ihr Gulasch!“ Nach diesen Erläuterungen hatte ich ein gespaltenes Verhältnis zum Gulasch und außerdem wurde es jetzt Ernst für uns. Der Reihe nach mussten wir in diesen Graben und diese dämliche Granate entsichern und weggwerfen und dann machte es weniger „Pow“, sondern eher sehr dumpf und sehr laut „Bummm“. Schließlich kam ich an die Reihe und ich war mittlerweile derart figgerig, dass ich für einen sehr kurzen aber auch entscheidenden Moment dachte, ich hätte den Sicherungsstift geworfen und die Granate noch entsichert in der Hand. Dem war aber nicht so, die Explosion fand in ausreichendem Abstand statt und mein Ausbilder, der auch schon Schweiß auf der Stirn hatte, konnte seine dienstliche Laufbahn in einem Stück fortsetzen.
Das einzige Mal, dass ich wirklich Spaß beim Bund hatte, war genaugenommen erst nach meiner Entlassung, als Reservist. Wenn man als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr seine Dienstzeit beendet hatte und sich nicht vollkommen dämlich angestellt hatte (warum nur habe ich das eigentlich nicht gemacht, hmmh, eigentlich hatte ich mich aber doch dämlich angestellt…anscheinend nicht genug), wurde man Reservist. Das heißt, man bekam einen Teil der Ausrüstung (Kleidungsstücke aber keine (!) Granaten) mit nach Hause und innerhalb der nächsten Jahre würde man eventuell eine Einberufung zu einer Reserveübung bekommen. Dann musst man seine Ausrüstung schnappen, sich bei seiner Einheit melden und zusammen mit den gemeinen Soldaten auf ein Übung fahren.
Niemand war scharf auf sowas und in der Regel vergingen auch gerne mal fünf Jahre, bis man für so etwas einberufen wurde. Bei mir waren es nicht einmal zehn Monate. Ich hatte das Gefühl das Kasernentor, dass ich nach meiner Entlassung in Richtung Freiheit durchschritten hatte, unverzüglich wieder in die falsche Richtung zu durchqueren. So, als wenn man nie weg gewesen wäre, was kein gutes Gefühl war.
Mein Reservistenaufenthalt dauerte zwei Wochen, von denen wir Reservisten (es gab ein paar mehr davon) eine Woche lang eine Auffrischung im Soldatenleben erhielten. In der zweiten Woche zogen wir aus nach Süderschmedeby. Süderschmedeby ist ein kleinerer Ort kurz vor Flensburg, mit ein paar Hundert Einwohnern, diversen Kühen und seinerzeit auch einem kleinen Dorfladen. Dieser wurde bei unserem Eintreffen in Süderschmedeby von so ziemlich jedem der rund 160 angereisten Soldaten in voller Montur und Bewaffnung aufgesucht und schon nach wenigen Minuten waren die dortigen Alkoholreserven komplett ausverkauft.
Was genau wir hier oben in Schleswig Holstein zu suchen hatten, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich verteidigten wir den kleinen Ort gegen eine anstehende Invasion der letzten noch existierenden Wikinger. In Wahrheit haben sich die Reservisten mit den netteren Vorgesetzten (ja, es gab da ein paar wenige) betrunken. Was auch irgendwie Spaß gemacht hatte. Richtig lustig war aber die Anreise und ich betone, dass sich dies nun geschilderten Ereignisse in Wirklichkeit und auch in dieser Form so zugetragen hatten.
Kurz vor unserer Abreise nach Süderschmedeby traten wir zum Appell in der Kaserne an und unser Kommandant erläuterte unseren Auftrag, von dem ich wie gesagt nicht mehr weiß, wie er letztendlich aussah. Aber er hatte noch einen zusätzlichen und elementar wichtigen Hinweis: „Männer“, sagte er, „wir werden nördlich von Hamburg in einem Waldstück campieren und es ist wichtig, dass wir dort behutsam vorgehen. Wir wollen Flora und Fauna dort nicht unnötig belasten. Deshalb verkünde ich hiermit ausdrücklich, dass unterwegs bis zu unserem Eintreffen am Zielort keine, und ich betone es nochmals, dass keine Kampfhandlungen befohlen sind.“ Ein Blick in die Gesichter der Soldaten um mich herum, ließ die Vermutung in mir aufkeimen, dass manch einer von ihnen Flora und Fauna, für Hamburger Prostituierte hielten, die ihrer Beschäftigung im Wald nachgingen. Weshalb auch eine gewisse Enttäuschung in ihren Blicken war, als es hieß, dass keine Kampfhandlungen (welcher Art auch immer) befohlen seien.
Wir erreichten also dieses Waldstück und der Konvoi aus rund dreißig Fahrzeugen kam an einer großen Lichtung zum Stehen. Unser Aufenthalt sollte eine Stunde dauern. Wir stiegen von unseren Mannschaftstransportwagen ab und lümmelten uns im Gras. Mit Unbehagen musterte ich die neuen Wehrpflichtigen. War es zu meiner Dienstzeit noch so, dass der Wehrpflichtige sich in seiner Grundhaltung dadurch auszeichnete, eine gewisse ablehnende Haltung der Bundeswehr gegenüber an den Tag zu legen, so waren diese Frischlinge komplett anders gestrickt. Einer von ihnen klebte sich mit dem sogenannten Panzerband drei Munitionsmagazine für sein G3 aneinander, damit er bei einem „Schusswechsel“ problemloser nachladen könnte. „Ey“, sagte einer von uns Reservisten, „das brauchst Du hier nicht. Es gibt hier keine Kampfhandlungen. Ist befohlen worden. Schon vergessen?“
In diesem Moment erblickte jemand am anderen Rand der Lichtung, in ungefähr 500m Entfernung zwei oder drei Personen, was er auch lautstark kundtat: „Da vorne, da sind welche!“ Worauf der nächste, dessen Augen offensichtlich schärfer waren, als sein Verstand, rief: „Ich glaube der eine hat eine rote Binde am Arm!“ (Zur Erläuterung für diejenigen, die nie beim Bund waren: Bei Kampfübungen wurde der „Feind“ immer dadurch gekennzeichnet, dass er eine rote Armbinde trug. Rot = Kommunist= Feind! Eine einfache Gleichung.) Nun war allerdings niemand in der Lage auf diese Entfernung auch nur das geringste rote Kleidungsstück zu erkennen, aber allein die Ansage, dass es so wäre, reichte aus, um diese Truppe aus kampflustigen „Elitesoldaten“, die wie ein wandelndes Pulverfass waren, zu entzünden. „Das muss der Feind sein!“ schrie der nächste und dann ging das Geballer auch schon los und ich betone nochmal, dass das alles wirklich so gewesen ist. Ich übertreibe nicht. Ehrenwort.
Wirklich jeder, der eine Waffe trug, schmiss sich augenblicklich in Deckung und begann wie blöd zu schießen. Gott sei Dank nur mit Platzpatronen. Ein paar Mutige wagten sich auf die Fahrzeuge und nahmen das Feuer mit den dazugehörigen Bordgeschützen auf. Aus einem ehemals friedlichen Waldstück war ein Inferno geworden. Niemand wusste auch nur ansatzweise, worauf er eigentlich schoss, aber alle machten mit, bis auf eine Gruppe von fünf Reservisten, zu denen ich gehörte. Unser Kamerad mit den zusammengeklebten Magazinen warf sich ins Gras und robbte los in die Richtung, in der er den Feind vermutete. Zuvor hatte er sich in seiner Weitsicht auch schon getarnt. Er sollte erst anderthalb Stunden später (kein Witz) wieder auftauchen und lediglich völlig verstört die Meldung machen, dass er den Feind nicht mehr aufgefunden hatte. In der Zwischenzeit schoss man aus allen erdenklichen Rohren und meine vier Reservistenkollegen und ich standen beieinander und betrachteten ebenso erschüttert, wie belustigt das gebotene Schauspiel.
Plötzlich kam ein Unteroffizier, immer nach Deckung suchen auf uns zu. „Ey, Ihr da, Ihr Wahnsinnigen! Ihr müsst in Deckung gehen, oder wollt ihr erschossen werden? Das ist ein Befehl!“ sagte er und unterstrich somit seine Autorität. „Ja aber“, sagte ich (es war das einzige Mal, dass ich wirklich schlagfertig war beim Bund) „aber es ist doch ausdrücklich befohlen worden, dass es keine Kampfhandlungen gibt. Wie kann es dann hier ein Feuergefecht geben?“ Das brachte ihn zum Schweigen. Es arbeitete sichtlich in seinem Oberstübchen, aber so sehr er sich seinen Kopf auch zerbrach, er fand kein Argument, um meine Beweiskette zu widerlegen. Er ging dann wieder in Deckung, murmelte etwas von armen Irren und schoss, wie alle anderen auch in den Wald hinein.
Nach rund zwanzig Minuten konnte sich der Zugführer dazu durchringen, das Feuer einstellen zu lassen. Der Pulverdampf verdampfte und eine friedliche Stille hielt Einzug. Zufrieden blickten die nun kampferfahrenen Soldaten auf das Ergebnis ihres heldenhaften Einsatzes. Kein Feind war mehr zu sehen. Respekt! Und dann machten sich alle daran ihre Waffen zu reinigen. Alle bis auf fünf Leichtsinnige, die keinen Schuss abfeuerten. Bis heute frage ich mich so einige Dinge. Was mögen die Tiere des Waldes von uns gehalten haben? Wer waren die „Feinde“, die es ja laut Befehl nicht gegeben hatte? Waren es ein paar Pilzsammler? Wenn ja, dann haben sie bestimmt nie wieder Pilze gesammelt. Erwiesenermaßen hatte damals ja irgendwer irgendein rotes Kleidungsstück erkannt oder meinte es erkannt zu haben und ich dachte nur: „Verdammt, was wenn das Rotkäppchen gewesen wäre?“