Siri geht´s gut

Ich stamme noch aus einer Zeit, in der ein Haushaltsgerät nichts weiter war, als ein Haushaltsgerät. Eine Waschmaschine wusch Wäsche, ein Föhn föhnte und ein Staubsauger staubsaugte. Ein- und Ausschalten und gut ist. Das höchste der Gefühle war die Wahl des richtigen Programms bei der Waschmaschine. Und nein, es war weder ARD noch ZDF. Aber eins war klar, nie und nimmer (man sollte es eigentlich groß schreiben), also NIE und NIMMER, wäre eines dieser Geräte auf die Idee gekommen mit Dir zu reden. Und wenn Du Deinen Staubsauger damals hättest reden hören, wäre das ein Fall für ein paar ausgedehnte Sitzungen auf dem Sofa eines Psychiaters gewesen. Aber heute ist das alles anders und der Staubsauger spricht nicht nur, nein er hat sogar einen Spitznamen und ist beinahe ein vollwertiges Familienmitglied……..Aber der Reihe nach….

Stimmen, ich höre sie überall. Überall sind Stimmen und sie wollen alle irgendwas mitteilen. Ob ich es nun hören will, oder auch nicht. Und ich rede jetzt nicht von meiner lieben Hasenfamilie, sondern von allen möglichen technischen Einrichtungen. Angefangen hat das alles mit den Navigationsgeräten im Auto. Jemand, der mir sagt, wo ich zum Geier nochmal langzufahren habe und der nicht mein Hase ist, war eine neue Erfahrung für mich. Eine automatische Stimme, die nicht gleich diesen Unterton eines schlechten Beifahrers hatte, war eine interessante Neuerung für mich.

Mittlerweile ist das Ganze schon weiter entwickelt und ich kann auch mein Handy in neueren Autos mit dem Radio (falls man es noch Radio nennen darf) koppeln. Dann habe ich nicht nur die Navigation, sondern auch noch andere Apps, die ich nutzen kann. Falls der Ausdruck Apps in diesem Zusammenhang überhaupt richtig ist. Und dann kann ich nicht nur navigiert werden, sondern auch meine Musik hören und, wenn ich will, auch Whats App anschmeißen. Und damit ich dann nicht irgendwie tippen und lesen muss, gibt es auch hier eine Stimme. Ich glaube es ist Siri.

Der totale Luxus. Siri fragt, was sie tun soll und liest mir vor und hört mir zu. Und ich sage: „Hase, da nimm Dir mal ein Beispiel dran.“ Ein kurzer rechter Haken mit der Hasenpfote und dieser Anflug von Rebellion ist auch wieder verschwunden. Doch zurück zu Siri. Wenn ich also während der Fahrt wissen möchte, wer mir gerade mal so schreibt, dann kann ich Siri erwecken und sie liest mir die Sachen vor. Und wenn ich dann antworten möchte, dann hört sie sich meine Nachricht an, liest sie mir vor und dann kann ich senden und die Sache ist geritzt. Zumindest in der Theorie.

Denn in der Praxis kommt es immer wieder zu kleinen bis mittleren Differenzen zwischen mir und dieser künstlichen Stimme. Nicht selten versteht sie mich nicht. Dann wiederhole ich meinen Text lauter. Und manchmal wiederhole ich ihn mehrmals. Wer mich dann im Auto sieht, wie ich immer lauter und lauter mit niemandem rede, der wird mich für bekloppt halten. Dann findet sie manchmal den richtigen Chat nicht, oder sie möchte mir die 48 Anrufversuche, die ich, nach ihrer Meinung, für eine Chatgruppe hatte, einzeln datiert auflisten. Oder wenn viele Emojies und Symbole in einer Nachricht sind, dann werden die alle haarklein beschrieben, bevor dann irgendwann die eigentliche Nachricht folgt. Das dauert manchmal länger als eine Fahrt durch das komplette Ruhrgebiet mit Stau in Köln.

Neulich musste unser Sohn überraschend zum Arzt, während ich auf einer langen Autofahrt unterwegs war. Und weil ich ja ein lieber und netter Vater bin, wollte ich mich natürlich nach seinem Zustand erkundigen. Also bat ich Siri, den entsprechenden Chat zu öffnen. Und was soll ich sagen, es klappte. Schon toll diese Technik. Und ich sagte meiner lieben computergenerierten Stimme aus dem Multimediasystem des Autos, dass sie eine Nachricht verfassen möge. Und sie fragte: „Was willst Du sagen?“ Und ich sagte: „Wie geht es Dir?“ Und Siri sagte: „Es geht mir gut!“ Da diese Antwort so blitzschnell kam, wusste ich, dass es nicht mein Sohn war, dem es gut ging, sondern Siri selbst. Was man schon immer wissen wollte, wenn man mit knapp 100 km/h über die Landstraße düst. Siri geht es gut!

Gott sei Dank, ich dachte schon, sie sei erkältet……..“Willst Du mich verarschen?“, fragte ich, „Du bist ein Blecheimer. Es kann Dir nicht gut gehen. Auch nicht schlecht. Es kann dir überhaupt gar nicht irgendwie gehen.“ „Blecheimer gibt es im Angebot bei OBI für 7.98 €.“, war die passende Antwort. Man sieht, die Sache mit den künstlichen Stimmen ist im Prinzip nicht schlecht, aber manchmal gibt es klitzekleine Verbesserungsmöglichkeiten. Aber nicht nur im Auto verfolgt mich dieser Anflug von künstlicher Intelligenz. Nein die Stimmen der Technik sind weiter verbreitet, als es mir manchmal lieb ist.

So haben wir sogar eine, deren Namen man nicht aussprechen darf. Nein, es ist nicht Voldemort, aber sag laut im Wohnzimmer „Alexa“ und schon öffnet sich die Büchse der Pandora. Einmal diesen Namen genannt und dann erwacht dieser merkwürdige kleine Bildschirm mit integriertem Lautsprecher zum Leben. Alexa ist bereit und erscheint wie aus dem Nichts. Wie eine Art Flaschengeist, nur dass sie keine Wünsche erfüllt. Also keine entscheidenden Wünsche, wie Ruhm, Reichtum und meine vor langer Zeit verlorengegangene Bikinifigur. Und Bier zapfen kann sie auch nicht. Aber sonst kann sie fast alles.

Sie beherrscht viele Sprachen, kann Witze erzählen, Musik abspielen und auch schwierigste Fragen beantworten. Das Letztere vielleicht nicht immer zielführend, aber irgendwas plaudert sie schon aus, auch wenn es nicht zum Thema passt. Womit sie dem, genetisch bedingt, grundsätzlichen Missverständnis zwischen Mann und Frau eine neue künstliche Note hinzufügt. Man kann also auch mit ihr aneinander vorbeireden, so wie man es aus dem Eheleben gewohnt ist. Und das Tollste ist, dass sie auch mit anderen Maschinen im Haus kommunizieren kann. Zum Beispiel mit Staubi.

Staubi, für die Nichteingeweihten sei es erwähnt, ist die neueste Errungenschaft in unserem Haushalt. Er ist flach. Flacher noch als die meisten meiner Witze. Er ist rund, hat rotierende Tentakeln, passt unter die Betten und manchmal spricht er. Man ahnt es, Staubi ist unser neuer Staubsaugerroboter. Für mich, der ich noch auf dem technischen Standard der 80er Jahre hängengeblieben bin, ist das der ultimative Schritt in die Zukunft. Wenn unser Haus mit einem Mal einen Warp Antrieb hätte und mit Lichtgeschwindigkeit fliegen könnte, wäre ich kaum überraschter. Aber so weit sind wir ja noch nicht……NOCH NICHT……

Staubi ist fleißig, ein entspannter Zeitgenosse, recht zutraulich und wenn man mal nicht weiß, wie man seine Zeit rumkriegen soll, dann muss man ihm einfach mal bei der Arbeit zusehen. Unbeirrt zieht er seine Bahnen und ich habe ihm lange zugesehen und kein, wie auch immer geartetes Muster erkannt. Er fährt mal hier hin, mal da hin und dann dort hin und mal wieder hier hin und macht das ebenso unbeirrt wie auch unlogisch. Zumindest erscheint es meinem eingeschränkten Geist unlogisch. Mein Sohn, der der größte Staubifan ist, meint, dass das alles so sein soll und dass sein saugender Gefährte den Überblick habe und am Ende alle Bereiche gesaugt wären.

Eigentlich bin ich ja eher ein Skeptiker neuen Techniken gegenüber und ich weigere mich häufig standhaft, dass eben diese Einzug bei uns halten können. So wehre ich mich schon seit ein paar Jahren dagegen, dass wir einen Rasenmähroboter kriegen. Der würde dann wahrscheinlich Grasi heißen. Ich weigere mich auch ein E-Bike zu kaufen und bin ein Verfechter vom Bargeld und habe deswegen auch keine Kreditkarte. Dass ich mich nun zu Staubi habe hinreißen lassen, liegt einzig und allein daran, dass wir unser Obergeschoss renoviert haben und in allen Räumen einen neuen Bodenbelag bekommen haben. Damit dieser Belag belegt werden konnte, musste ich natürlich sämtliche Möbel abbauen und war einigermaßen erschüttert, wie es unter den Betten aussah. Was man da nicht noch alles so gefunden hat. Den Witz, dass ich unsere zweite Katze, die damals vor vielen Jahren plötzlich verschwunden war, darunter gefunden habe, erspare ich mir. Aber es war schon einiges, was sich da angesammelt hatte. Und in erster Linie war es eine Menge Staub.

Was aber kein Wunder ist, weil man mit dem Sauger einfach nicht drunter kommt und einem die Energie fehlt, jedesmal das Bett wegzutragen. Auch unter dem Sofa und einigen Schränken ist der Säuberungsgrad eingeschränkt. Selbst der gründliche Hase, und mein Hase ist sehr sehr gründlich, muss vor den Gegebenheiten kapitulieren. man kommt einfach nicht hin. Und es sammelt sich Staub und mein Hase riecht das. Manchmal fühle ich mich an die Szene aus Titanic erinnert, in der die zwei Typen im Ausguck stehen und nach Eis Ausschau halten. Und der eine von denen sagt: „Ich kann Eis riechen!“ Genauso klingt es, wenn der Hase im Bett liegt, und sagt, dass sie Staub riechen könne. Ein bisschen ist es auch wie aus „The sixth sense“, wo der kleine Junge sagt: „Ich sehe tote Menschen!“.

Mein Hase kann also Staub riechen und ich dachte zunächst, es läge an mir und sie würde den alten Menschen in mir als Staubgeruch wahrnehmen, aber das war es nicht. Der Hase riecht den Staub, wo immer er sich auch niederlässt. Ich rieche allerdings nichts. Also wenn ich mal an einem ausgetrockneten Feld vorbeifahre, auf dem ein pflügender Traktor riesige Staubwolken aufwirbelt und diese mir um die Nase wehen, dann rieche ich auch Staub. Ich rieche Schleifstaub auf der Arbeit oder den Staub, der sich auf meinen Oberhemden ansammelt, weil ich mich im Allgemeinen konsequent weigere, welche zu tragen. Aber wenn ich im Bett liege, oder auf dem Sofa sitze, dann rieche ich nichts. Hasennasen sind da ein wenig sensibler.

Jedenfalls hat Staubi den entscheidenden Vorteil, dass er in Bereiche kommt, die eines weißen Mannes Fuß sonst nie betreten könnten. Unbeirrt fährt er seine Bahnen und wenn einmal ein Hindernis auftaucht, dann bufft er dagegen, fährt ein paar Millimeter weiter, bufft nochmal, fährt noch weiter und bufft, solange, bis er einen Weg gefunden hat, dieses Hindernis zu umrunden. Merke, ein Staubi findet immer einen Weg. Seine kleinen schwarzen Tentakeln rotieren an seiner Vorderseite und zwar so, dass sie wie eine Art Kehrmaschine den Dreck einsammeln, damit die Saugabteilung im Inneren unseres kleinen Hausfreundes das Eingekehrte zum Eingesaugten machen und in der Auffangeinheit zwischenlagern kann.

Dabei wirkt er so niedlich wie ein verspieltes Haustier und macht auch immer lustige Sachen. Ich habe neben meinem Ohrensessel, auf dem ich beinahe jede freie Minute verbringe, einen kleinen Beistelltisch. Und da Staubi nicht zwischen den Tischbeinen hindurch passt, es aber trotzdem immer wieder versucht, stupst er gegen die Beine und verschiebt den Tisch. Nun könnte ich ja den Tisch einfach dem kleinen Roboter entreißen und gut ist. Aber ich ertappe mich dabei, wie ich mit dem kleinen Sauger rede. „Nein Staubi, das ist mein Tisch. Gib ihn mir wieder.“

Es ist so weit, ich rede mit dem Staubsauger. Manchmal, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme und er so friedlich in seiner Ladestation schlummert, streichle ich sein Fell….also sein Plastikgehäuse und frage: „Na mein Kleiner, wie war Dein Tag?“ Und er sagt: „It´s a dirty Job, but someone got to do it!“. Ja, Staubi ist gebildet. Er hat Sensoren, die ihm zeigen, wann eine Treppe beginnt, weswegen er nicht vom Obergeschoss runterfällt und sein Ortungssystem zeigt ihm permanent an, ob er alles gesaugt hat und wo er noch hin muss.

Wir haben mittlerweile feste Staubitage. Die Tage an denen unser tapferer Gefährte den Kampf gegen seinen härtesten Gegner antritt. Montag und Donnerstag sind die automatischen Saugtage im Obergeschoss und es empfiehlt sich, an diesen Tagen nicht zu Hause zu sein. Damit Staubi freie Bahn hat, werden sämtliche möglichen Hindernisse beseitigt. Türen, die dazu neigen sich selbst ein wenig zu verschließen, werden festgebunden, damit sich unser Wundersauger nicht einsperrt und Vorhänge werden mit dem unteren Ende auf die Fensterbänke gelegt. Mit einem von ihnen hatte er schon einmal einen Kampf ausgefochten. In dessen Verlauf wurde der Vorhang aufgedreht, wie ein nasses Handtuch, das man auswringen will. Ich war damals unten und hörte von oben Störgeräusche. Ich kam hoch, sah das Desaster und sagte: „Staubi, aus!, Lass die Gardine in Ruhe!“ Staubi, der ziemlich bockig war, wie ich sagen muss, hörte nicht auf mich und erst mit etwas roher Gewalt konnte ich die Kontrahenten voneinander trennen.

Es nimmt mittlerweile beinahe mehr Zeit in Anspruch, die Wohnung „staubisicher“ zu machen, als der eigentliche Saugvorgang. Weswegen ich schon einmal die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellte. Was mir ein paar böse Blicke von meiner Familie einbrachte und Staubi funkelte auch boshaft mit seinen Leuchtdioden, oder was auch immer er für Lampen hat.

Und so lasse ich ihn gewähren, unseren maschinellen Ersatz für ein Haustier. Er hat ja auch viele Vorteile. Er braucht kein Futter, macht nicht aufs Sofa, muss nicht Gassi gehen und ist eigentlich schon vollständig erzogen. Und er hat auch noch Sonderfunktionen. Wenn er meine Familie besonders glücklich machen will, dann pappt man ihm einen Lappen an die hintere Unterseite und sorgt für ein bisschen Wasser in einem Tank in seinem Inneren. Dann saugt er nicht nur, nein, dann wischt er auch gleich hinterher. Wisching Well, sage ich nur. Mehr Faszination geht nicht.

Er ist der Liebling der Hasenfamilie und ein großer Stützpfeiler in der Hausarbeit geworden. Ich bemerke mittlerweile Strömungen zwischen meinem Sohn, dem Hasen und dem kleinen Roboter. Sie stecken irgendwie unter einer Decke, flüstern miteinander, wenn ich im Raum bin und sie sehen mich ein bisschen komisch an. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich über bin und man mich loswerden möchte. Ich habe Alpträume, in denen eine unheimliche und riesengroße Version von Staubi auf mich zukommt. Seine Tentakeln rotieren und ich werde in den Leib des Saugers hineinkatapultiert und durch den Hächsler gedreht und eingesaugt. Und ein überdimensionaler Lappen wischt die Sauerei gleich weg. Und aus der Ferne höre ich, wie Alexa fragt: „Wie geht es Dir?“ und Siri antwortet: „Es geht mir gut!“