Retter der Geretteten

Es ist nicht einfach heutzutage. Wie man es auch dreht und wendet, man findet einfach nie wirklich heraus, ob man die richtige Meinung hat. Es ist alles so verwirrend und so uneindeutig. Und so stellt sich die Frage, kann ich einerseits etwas gut finden, wenn ich andererseits auch manche andere Ansicht vertrete? Wobei die Frage bleibt, ob ich diese andere Ansicht wirklich vertreten kann, darf oder überhaupt möchte. Darf ich meine Ansichten auch in der Hauptsache für mich behalten, oder muss ich sie mit „DEM NETZ“ teilen? Und wer steckt hinter diesem Netz? Ist das Netz nichts weiter als eine unkontrollierte Anhäufung von sozial inkompetenten Schwachköpfen, die unter dem Deckmantel der Anonymität nichts weiter zu tun haben, als andere Leute übel zu beschimpfen? Der Tummelplatz für den kleinen Feigling in uns? Man weiß es nicht.

Was jetzt zu den zentralen Fragen unserer Zeit führt. Ist Greta Thunberg eine Heilige? Ist es fünf vor zwölf, was das Klima und die dazugehörige Rettung angeht? Oder ist es nicht eigentlich schon viertel nach zwölf? Und ist der ganze Hype, der gerade um dieses Thema und die heilige Greta entsteht, nichts weiter als eine geschickte Marketingstrategie, um politisch auf Stimmenfang zu gehen? Wobei man bei den Grünen zumindest eine Nähe zu diesem Thema glaubwürdig finden kann. Aber wenn der CSU Söder sich als blauer Umweltengel hinstellt, dann sollte zumindest ein leichtes Fragezeichen in den Gesichtern der Menschen erkennbar sein.

Aber zurück zum Klima. Ich persönlich habe ein wenig den Überblick verloren, ob es noch eine seriöse Art der Berichterstattung darüber gibt, oder überhaupt noch geben kann. Es gibt doch für jeden Scheiß, der irgendwo die Runde macht, auch immer mindestens eine Handvoll Experten, die alles irgendwie wissenschaftlich belegen können. Und es kann mir keiner erklären, ob die beiden trockenen und sehr warmen Sommer eine Anomalie sind, ob sie Ausdruck für etwas größeres sein könnten, oder ob sie einfach nur einmal da sind oder da waren. Der Sommer 2017 war übrigens hier in unseren Breiten der nasseste Sommer, den man so erlebt hat. Ist auch das ein Zeichen gewesen? Und wenn es ein Zeichen für das beginnende sich ändernde Klima ist, wie weit liegt die Schuld daran, bei den Menschen? Hat da überhaupt jemand Schuld an dieser Änderung? Oder ist diese Änderung ein natürlich vorkommendes Phänomen? Ich weiß es nicht. Es gab Eiszeiten auf diesem Planeten. Zeiten der Kälte, die tausende von Jahren anhielten und stattfanden, noch bevor der Mensch der Meinung war, er müsste alles was irgendwie verbrannt werden kann, in die Luft pusten. Wer trug daran die Schuld? Also an den Eiszeiten meine ich.

Was mir bei all dem so gehörig auf den Pinsel geht ist, dass man sich diese Fragen nicht einfach stellen darf, ohne gleich ein klimatechnischer Antichrist zu sein, oder aber zumindest ein AFD Sympatisant oder Anhänger von Donald Trump. Es stört mich zutiefst, dass sich eine ganze Bewegung anmaßt, besser zu sein, als der Rest der Menschheit. Wenn man Urlauber auf dem Flughafen mit Trillerpfeifen belästigt und so damit konfrontiert, wie schlecht sie doch sind, weil für sie soviel Kerosin verpulvert wird, dann sollte man sich zumindest auch selbst ein paar Fragen stellen.

Wie ist denn das eigene Verhalten bisher gewesen? Habe ich, der ich als jugendlicher Gesandter der heiligen Greta das Klima und den Planeten retten will, vielleicht auch selbst mal ein paar Leichen im Keller? War ich vielleicht auch schon mal mit den Eltern an irgendwelchen entfernten Küsten und Stränden? Bin ich da hingeflogen? Oder habe ich ganz Harry Potter-mäßig appereiert? Habe ich vielleicht auch schon mal eine Kreuzfahrt gemacht? Nur mit stummen Protest, versteht sich? Und habe ich vor, nach Beendigung meiner Schullaufbahn auch ans andere der Welt zu gelangen, um mich dort zu finden oder zu verwirklichen? Und wenn ja, wie komm ich da hin? Rudern? Oder mit nem Segelboot, ganz wie Greta? Und wenn ich dann fliegen würde, müsste ich mich nicht auch selbst mit einer Trillerpfeife volldröhnen? Was unterscheidet mich von all diesen Touristen auf diesen Flughäfen? Was macht mich derart besser, dass ich so einfach über andere urteilen darf, oder mich über sie erheben sollte? Sind meine Gedanken als Protestler besser?

Doch zurück zu mir. Warum muss ich, wenn ich Fragen habe, auch immer den Zusatz: „Damit man mich jetzt nicht falsch versteht“ an jeden Gedanken anfügen? Also, damit man mich jetzt nicht falsch versteht, ich halte das was die Menschheit in die Luft pustet, wie sie mit dem Planeten umgeht und wie sie alles und jeden ausbeutet, für vollkommen falsch und gefährlich für alle Generationen, die nach uns kommen. Und ich halte es für sehr wichtig, dass sich gerade junge Menschen aktiv damit beschäftigen. Ich habe nur etwas gegen diese Mentalität, sich selbst über andere zu erheben und zu meinen, einen anderen Haufen zu scheißen, als der Rest der Menschheit. Das erinnert an das berühmte Zitat vom Messias persönlich (und nein, das ist jetzt nicht Greta): „Wer von Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.“ Und irgendwie sehe ich sie alle loslaufen und nach dem möglichst größten Stein, um damit zumindest erstmal die SUV Fahrer niederzustrecken. Dann wäre das größte Problem zumindest ansatzweise gelöst.

Aber komischerweise ist man auf der anderen Seite auch nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, ungerecht und verbohrt zu sein. Und wenn ich mir als erwachsener Mensch einen Sticker auf dem „I hate Greta“ steht, an mein Auto, dass in Form und Größe eher einem Truppentransporter ähnelt, pappen muss, sollte ich meinen Erwachsenenstatus ein wenig hinterfragen. Und vielleicht auch ein Auge auf meine Vorbildfunktion werfen. Neulich hat sich sogar irgendein Volldepp dazu hinreißen lassen, symbolisch eine Greta Puppe zu erhängen. Und man fragt sich: Geht´s noch? Sollte der Klimawandel uns doch erwischen, so wäre ich dafür, dass der Typ, oder die Typen, die ersten wären, die davon betroffen sind. Man möchte rufen: „Sauft ab ihr Assis!“. Macht man aber nicht, denn dann wäre man ja auch keinen Deut besser.

Aber kommen wir zurück zur Ambivalenz. Ambivalenz ist ja der Zustand, wenn etwas so ist, wie es ist, aber genauso auch anders sein kann. Wenn man Dieter Nuhr und seine Gedankengänge zu vielen Dingen nicht komplett abwegig findet und gleichzeitig Volker Pispers mag. Das ist ein hochintelligenter Kabarettist, der Dieter Nuhr als verlängerten Arm der AFD bezeichnet hat. Es ist nicht einfach. Selbst das Kabarett ist sich also nicht einig, was der richtige Weg ist.

Bleibt einem nur übrig, sich selbst Gedanken zu machen und eine eigene Meinung zu haben und sich auch trauen sie zu haben. Immer unter der Vorgabe, dass diese Meinung auch falsch sein kann. Ach was, sie ist selbstverständlich falsch. Für ungefähr die Hälfte der Leute. Und ich denke viel. Und es ist nicht immer, dass ich denke, wo gibt´s was zu essen. Ich denke zum Beispiel, dass manche Dinge sehr bedenklich sind.

Da war so ein Mädchen, ich glaube sie ist 15. Ich habe ihren Namen vergessen.Was im Prinzip bedeutungslos ist, weil ich eigentlich laufend Namen vergesse. Deshalb auch die Spitznamen für den Hasen. Aber wo war ich noch stehengeblieben? Ach ja, das Mädchen ohne Namen. Sie war vor ein paar Wochen in einer Talkshow und konnte berichten, wie sie zusammen mit Greta den mächtigen Menschen auf der Welt in New York einmal den Marsch geblasen hat. Was ich im Übrigen nicht schlecht finde und ich bewundere auch die Hartnäckigkeit der jungen Aktivisten, die keine Angst vor großen Namen haben. Jedenfalls zeigten die in der Talkshow einen Ausschnitt davon, was das Mädchen zu sagen hatte. Und das war unter anderem, dass ihre kleine Schwester Angst vor dem Klimawandel habe und weinen würde, deswegen.

Oha. Wie alt mag das Mädchen sein? 11? Oder vielleicht 13? Was läuft da falsch, wenn ein Kind in diesem Alter weinen muss, weil sich das Klima ändert. Ich meine der Tenor der ganzen Klimabewegung ist doch der, dass man jetzt handeln muss, um etwas zu bewegen und den Planeten zu retten. Es ist also doch nach dieser Ansicht durchaus möglich noch den entscheidenden Hebel umzulegen. Was mache ich als Elternteil also falsch, wenn mein Kind nun in diesem Alter weint? Sollte es nicht einfach unbeschwerter mit Gleichaltrigen abhängen und zumindest ansatzweise herausfinden, dass das Leben Spaß macht und höchstens heulen, wenn das mit der ersten Liebe nicht ganz hinhaut, oder man vielleicht mal ne fünf in Mathe geschrieben hat? Wenn das Leben aber schon so traurig ist, wegen dem Klimawandel, wofür sollte man es denn retten wollen? Was ist der Sinn? Man weiß es nicht.

Natürlich kann man jetzt sagen, dass ich auch nur ein weiterer alter weißer Mann bin, der die Gefahren nicht sehen will und der alles herunterspielt. Aber ich werde auf der anderen Seite das Gefühl nicht los, dass dieser ganze Aufruhr auch nur wieder diese sogenannte neue Sau ist, die jedes Jahr durchs Dorf getrieben wird. Genauso wie das Ozonloch, der saure Regen, BSE und Schweinepest. Alles Dinge, die es zweifellos gibt oder gegeben hat. Die allerdings so aufgebauscht wurden, dass man mehrfach dachte, die Welt geht unter oder wir haben keine Bäume mehr, oder……..

Es kommt bei allem auch immer darauf an, wo das alles passiert und wie viel Medienpräsenz eine Sache hat und vor allem, wen es betrifft. Nehmen wir den 11. September. Wenn diese Flugzeuge nicht in New York, sondern, ich sag mal, in Kapstadt oder der Hauptstadt von Burundi (falls Burundi überhaupt eine Hauptstadt hat) in zwei Hochhäuser geflogen und es wären auch so grässlich viele Menschen gestorben. Was wäre passiert? Ja, Nachrichten und vielleicht auch ein paar Sondersendungen. Aber da die meisten Toten Afrikaner wären, hätte sich nach ein paar Tagen keine Sau mehr dafür interessiert. Es sei denn, es hätte dabei irgendwas mit Erdöl oder mit Gas zu tun.

Was ich damit sagen will ist, dass das Thema Klima solange im Umlauf bleibt, bis es für die kapitalistisch, zivilisierte (sollte man zumindest denken) Welt uninteressant geworden ist. Und so lange sind wir alle dabei und zeigen mit dem erhobenen Zeigefinger auf den anderen, den wir gerade zur Verfügung haben und vergessen dabei, dass wir es immer selbst sind, die etwas ändern könnten. Doch das würde auch ein Umdenken erfordern und eine Änderung des eigenen Verhaltens. Aber wer will das schon? Also ich gestehe, dass ich da ein ganz schwieriger Fall bin. Wahrscheinlich der einzige auf der Welt. Der einzige der acht Milliarden Menschen, der zugibt, dass er nur ungern aus seiner Komfortzone kommt und eigentlich nicht genug bereit ist, etwas zu unternehmen, das die Erde rettet. Aber auch die andere Seite, die der bewussten Menschen, die allesamt besser sind, als ich, ist so einfach nicht, wie man denken sollte. Und man wird vielleicht feststellen, dass man für jede gute Tat auch immer irgendwo die Leiche im Keller hat, die die blütenweiße Weste beschmutzt. Und es ist auch immer das Prinzip der Autobahnen. Jeder will gerne auf einer fahren, damit er schnell von A nach B kommt, aber niemand möchte eine in seiner Nähe haben.