Projekt Uhu Tag 3

Manchmal gibt es diese Filme, in denen die Hauptperson, meistens ein Mann mittleren Alters, an einen Punkt kommt, an dem er sein Leben, das über einen langen Zeitraum kontinuierlich Richtung Abgrund gegangen ist, umkrempelt und ein neuer Mensch wird. Er liegt dann so da auf seinem Sofa und ertrinkt in einer Mischung aus hochprozentigem Alkohol und Selbstmitleid. Grund seines Niederganges war ein traumatisches Ereignis. Die Frau hat ihn mit dem besten Freund betrogen, im eigenen Ehebett und ist dann schließlich mit dem Briefträger durchgebrannt. Der Hund, sein einziger verbliebener Freund und Rückhalt wird überfahren und, was das Schlimmste ist, der Sportverein seines Vertrauens hat es nicht geschafft die Meisterschaft zu erringen. Schon wieder nicht. Fortan meidet unser Held das Tageslicht, vernachlässigt Haus, Hof und Körperpflege und gibt sich dem Suff hin. Doch dann, eines Tages kommt sein bester Kumpel, also nicht der, der seine Frau so persönlich betreut hat, sondern ein anderer viel netterer Kumpel, vorbei und sagt ihm, es sei nicht richtig, wie er sein Leben gestalte. „Es ist nicht richtig, wie Du Dein Leben gestaltest“, sagt der ehemals zweitbeste Kumpel. Und unser Held fragt: „Ist es nicht?“ „Nein!“ „Ok, dann werde ich es ändern!“ Woraufhin der Trauerkloß die dicken und schweren Gardinen öffnet und von unfassbaren 20Millionen Kilowatt Sonnenstrahlen geblendet wird.

Und mit den Sonnenstrahlen kommt ihm die Erleuchtung. Wahrscheinlich ist es nicht richtig, wie er sein Leben gestaltet. Er dreht sich um und durchschreitet seine Messiewohnung. Er stolpert über die überall verstreuten Schnapsflaschen und geht vorbei an Fleischresten, aus denen so langsam wieder Tiere werden und findet in einem Schrank, ganz versteckt, einen Karton. Drin sind die Sportschuhe, die er trug, als er noch ein gefeierter Sportler war und die er seit Jahren nicht mehr getragen hat. Er zieht die Dinger an, geht raus auf die Straße und läuft los. Dick und unbeweglich wie er ist. Seine Hofeinfahrt ist nur sehr kurz, aber weiter schafft er es an diesem Tag nicht. Er geht wieder rein, kotzt sich die Seele aus dem Leib und schläft auf dem Boden ein.. Doch dann, am nächsten Tag, er nimmt all seinen Willen und Mut zusammen, zieht er die Schuhe wieder an und läuft nochmal los. Diesmal schon ein gutes Stück weiter. Dann ein weiterer Tag und dann noch einer. Es geht bergauf. Und dann geschieht etwas Wunderbares. Es gibt einen Schnitt und man kriegt den Schriftzug „6Monate später“ zu sehen. Innerhalb von Minuten ist aus dem dicken Fett-und Trauerkloß ein Vorzeigeathlet geworden. Er rennt jetzt täglich Strecken, die ein normaler Mensch nur mit dem Auto bewältigen würde, ist gertenschlank und begrüßt jeden freundlich, den er unterwegs trifft. Seine Frau hat den Briefträger verlassen und ist reumütig zu ihm zurückgekehrt. Und als Sahnehäubchen hat sich herausgestellt, dass sein Hund nur klinisch tot war. Das Laufen hat sein Leben grundsätzlich und nachträglich ins Positive gekehrt.

Ich habe mich immer gefragt, ob es im realen Leben auch so abläuft. Ich habe es mir fest vorgenommen, dieses für mich zu testen. Allerdings sind die Voraussetzungen bei mir etwas anders. Erstens hat mein Hase mich nicht mit meinem besten Freund betrogen und ist auch nicht mit dem Briefträger durchgebrannt. Ich habe keinen Hund, sondern wir haben bekanntlich Katzen gehabt und eine davon immer noch. Wenn mal eine davon umgekommen ist, so stand die nächste im Prinzip sofort auf der Matte. Außerdem bin ich nicht dem Suff erlegen, trinkfest ja, aber keiner der sich von morgens bis abends immer zudröhnt. Schon gar nicht mit hartem Schnaps. Da bekomm ich immer Sodbrennen von. Aber ansonsten weise ich durchaus Ähnlichkeiten auf. Und wie mein erster Laufversuch vor 5 Tagen gezeigt hat, ist der Grad meiner Fitness besorgniserregend niedrig. Mein zweiter Versuch hat als einzig positives Merkmal vorzuweisen, dass ich überhaupt gelaufen bin. Es ging noch etwas schlechter, als beim ersten Mal.

Die ersten rund 200 Meter meiner Strecke führen ebenerdig geradeaus, bevor es einen 90° Knick gibt und die erste Steigung auf mich wartet. Diese ersten Meter sind auch beim dritten Mal wieder schwer. Ich quäle mich über diese Distanz und denke, dass es vielleicht irgendwann mal so ist, dass ich hier leichtfüßig lang laufen werde. Ich nehme mir vor, jeden zweiten Tag zu laufen und bemühe mich dabei keinen übermäßigen Ehrgeiz in Sachen Strecke und Tempo zu entwickeln. Ich bin in der Vergangenheit immer wieder gejoggt. In einem Jahr hatte ich es sogar geschafft, mich innerhalb kürzester Zeit auf sagenhafte 15km gelaufene Strecke zu trainieren. Mit dem Erfolg, dass ich monatelang Probleme mit den Oberschenkeln hatte. Danach bin ich nie wieder so weit gelaufen. Eigentlich bin ich so ziemlich überhaupt nicht mehr gelaufen. Deshalb bemühe ich mich hier von Anfang an darum, mich nicht zu überfordern. Etwas schwierig, angesichts der Tatsache, dass mich das bloße Treppensteigen zu Hause schon schnaufen lässt.

Ich laufe schwerfällig und denke, ob es wirklich so sein wird, dass das Laufen auch mein Leben umkrempelt. Was wird sein in 6 Momaten, vorausgesetzt ich bleibe hier wirklich regelmäßig am Ball. Und wie ich so denke, bemerke ich gar nicht, dass ich schon wesentlich weiter gelaufen bin, als die anderen beiden Male. Entgegen meiner zurückhaltenden Grundeinstellung, steigere ich mein Pensum und laufe die Strecke in einem Stück durch. Aber auch jetzt hat das was ich mache mit Laufen nur am Rande etwas zu tun. Immer noch plump mit kleinen Tippelschritten. Aber, und das ist die gute Nachricht, ich habe mit der Atmung heute keine Probleme. Als ich das Auto erreiche, bin ich wie immer schweißgebadet, mit den Kräften am Ende, aber ein Hauch von Zufriedenheit ist durchaus spürbar.  Wenn es so weiter geht, dann könnte ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass ich irgendwann einmal Spaß an dieser Sache haben werde. Es bleibt spannend. Zumindest für mich…..Ach wäre es doch schon 6 Monate später…….

Bis nächstes Mal