So, jetzt ist es soweit. Ich muss pausieren. Zwangsweise. Ich hatte noch einen letzten Lauf, vor rund zweieinhalb Wochen. Der war allerdings ungewöhnlich, weil ich nicht alleine war. Angesichts meines Geisteszustands vermuten die meisten Leute auch so, dass ich nicht ganz alleine im Oberstübchen bin, aber diesmal hatte es damit nicht das Geringste zu tun. Ich bin nicht alleine gelaufen. Meine Tochter begleitete mich. Nach ihren Angaben ist sie noch nie eine Strecke gelaufen, die jenseits der 3,5km Grenze liegt, weswegen sie einen gewissen Respekt vor der Aufgabe hatte. „Du musst nur langsam genug laufen, dann ist das kein Problem“, sagte ich. Und weil ich ja mit lief bestand zu keiner Zeit die Gefahr, dass es irgendwie zu schnell gehen könnte. Wir fuhren also zu der Stelle, ganz weit draußen, wo ich immer starte und liefen los.
Dass es mir gerade auf den ersten Metern immer etwas schwer fällt, daran habe ich mich gewöhnt. Auch dass mein rechtes Knie seit ein paar Tagen revoltierte, ist ein wenig in den Alltag übergegangen. Aber diesmal zwickte das Knie am Anfang noch mehr und ich hatte massive Probleme mit der Atmung. Das änderte sich langsam, aber insgesamt war ich schon mal fitter gewesen. Ich drosselte mein ohnehin schon recht verhaltenes Tempo. Meine Tochter blieb dabei immer auf gleicher Höhe mit mir. Nur dass es bei ihr so aussah, als würde sie im Stand traben und bei mir, als würde ich gleich zusammenbrechen. Erst zur Hälfte der Strecke änderte sich das Bild ein wenig. Vor allem weil meine Tochter dachte, dass wir schon wesentlich weiter wären. Das es nicht so war, desillusionierte sie ein wenig und verschaffte mir einen psychologischen Vorteil. Hmmh, das klingt jetzt so, als wenn ich eine Art Wettrennen veranstalten wollte. Mitnichten. Ich bin meilenweit entfernt das so verbissen zu sehen. Naja, überholen, oder gar abhängen musste sie mich aber nun auch nicht.
Auf den letzten zweihundert Metern zog ich dann das Tempo an und erlaubte mir einen Schlussspurt. Ja, ich habe gewonnen. Kunststück, wenn man bedenkt, dass sie, wie erwähnt, noch nie so weit und außerdem in den letzten anderthalb Jahren überhaupt nicht mehr gelaufen ist. Ich hingegen hatte ja schon einige Wochen mit regelmäßigen Laufeinheiten hinter mir. Also war ich schon ein wenig unfair. Aber egal, ich glaube es war insgesamt für uns beide ein gutes Training. Nur fühlte ich mich hinterher nicht so richtig frisch. Keine Ahnung, was da wieder los war.
Ein paar Tage danach hat mich dann ein Infekt umgehauen. Ich will ja nicht jammern, aber da waren schon eine Menge Fieber und die dazugehörigen Nebenwirkungen dabei. Nun bin ich insgesamt zwei Wochen außer Gefecht und an Laufen ist überhaupt nicht zu denken, denn ich habe auch noch Männerhusten. Ich kann gar nicht ausreichend Beschreiben, wie schlecht sich das anfühlt. Ihr dürft also auch so mit mir mitleiden. Das Fieber flog mich urplötzlich an. Morgens war ich noch beim Arzt zum Checkup. Ja, so eine Vorsorgegeschichte, zu der mich mein Hase immer verdonnert hinzugehen. Da war noch alles in Ordnung. Ich hatte aber noch angesprochen, dass ich diese Schwitzattacken habe und mein Doktor wollte daraufhin ein großes Blutbild machen. Wusste gar nicht, dass er Maler ist (höhöhöh). Wie dem auch sei, nach dem Checkup ging ich zur Arbeit, da war ich noch extrem gut drauf. Zum Feierabend wurde es dann rapide schlechter. Ich kam nach Hause und legte mich stumpf ins Bett. Dann brach das Fieber aus und ich litt stumm und tapfer vor mich hin.
Eine Woche später musste ich nochmal zum Doc. Einerseits, um meine Krankschreibung zu verlängern und andererseits, um das Blutbild zu besprechen. Die meisten Dinge dabei waren sehr in Ordnung. Doch es gab drei Dinge, die nicht so besonders waren. „Tja, Deine Leberwerte sind etwas ungewöhnlich. In den Bereichen Alkohol, Zucker und Fett“, sagte mein Mediziner. Wenn ich meinen Lebenswandel betrachte, kam das nicht überraschend. Ich esse immer gerne fettig und trinke hektoliterweise Cola. Was den Alkohol angeht, so bin ich eher Gelegenheitstrinker. Allerdings haben sich die Gelegenheiten in den letzten Jahren immer häufiger ergeben. Und da ich auch einen recht großen Stiefel vertragen kann, habe ich bestimmt nicht zu wenig getrunken. Also blickte ich der nackten Wahrheit ins Auge und wusste, er hatte ja sowas von recht. „Ich würde Dir einfach mal empfehlen ein halbes Jahr mal keinen Alkohol zu trinken. Du kannst dich ja immer darauf berufen, dass Dein Arzt es Dir verordnet hat, wenn die Leute nachfragen“, sagte er. Ich entschloss zusätzlich auch auf Cola zu verzichten und bei der Ernährung zumindest etwas bewusster zu leben.
Wenn ich der Wahrheit mal die Ehre geben soll, dann muss ich zugeben, dass ich gerne ein Gelegenheitstrinker bin, aber auf Alkohol zu verzichten, das stelle ich mir überhaupt nicht schwer vor. Man muss natürlich den Leuten eine Menge erklären und auch darauf gefasst sein belästert zu werden, aber da kann ich mit um. Größere Probleme erwarte ich bei der Cola. Es war schon ein gewisser Suchtfaktor dabei. Manchmal, so muss ich zugeben, war mir der Scheiß auch zu süß, aber ich hatte trotzdem das Verlangen danach. Wenn wir mal keine Cola im Vorrat hatten, wurde ich kribbelig und suchte nach Ersatzdrogen, wie Apfelsaftschorle, die aber nicht annähernd die gleiche Befriedigung verschafften. Bei der Ernährung weiß ich noch nicht genau, wie alltagstauglich das ist.
Ich bin nun fast zwei Wochen zu Hause wegen des Infekts und hatte gerade am Anfang keinen Durst auf Cola, von Alkohol mal ganz abgesehen. Der ideale Start dafür mein Leben umzukrempeln. Ich trinke jetzt nur noch Wasser und ich komme zumindest im Moment sehr gut damit klar. Und was soll ich sagen, die Pfunde purzeln. Ich sitze oder liege eigentlich jeden Tag nur rum und mache nichts. Ich soll mich schonen hat der Arzt gesagt. Das heißt, ich verbrenne auch nichts. Aber heute morgen hatte ich sagenhafte 111,7kg auf der Waage meines Vertrauens. Tja, und das ist schon ein Wert, mit dem habe ich nicht gerechnet. Wenn ich wieder fit bin, möchte ich auch wieder laufen. Und wenn ich dann weiter Wasser trinke, was mag dann geschehen? Wird der Bauch verschwinden? Sind die Schwitzattacken vorbei? Fühle ich mich wohler und werde ich fitter? Wahrscheinlich werden auch meine Haare wieder dunkler. In wenigen Monaten werde ich wahrscheinlich, allen Zahlenwerten zum Trotz, wieder dreißig Jahre alt sein. Ich bin begeistert.
Wenn alles gut geht, laufe ich Ende der nächsten Woche. Ob ich es merken werde, dass ich weniger wiege? Oder nehme ich gar wieder zu, wenn ich arbeiten gehe? Man weiß es nicht. Es bleibt spannend.