Siebzehn Mal bin ich jetzt also schon gelaufen. Siebzehn Mal mehr als in den letzten drei Jahren zusammengenommen. Und es gibt Durchbrüche und Rückschläge und ein eklatantes Insektenproblem. Fangen wir mal mit dem Durchbruch des Tages an. Ich habe es geschafft. Ich bin erstmalig seit, ich glaube jetzt ernsthaft, fünf Jahren eine Distanz von 5 km gelaufen, ohne dass ich zwischendurch anhalten musste. Ich kann gar nicht aufhören, mir selbst zu applaudieren. Wer hätte das gedacht. Besonders nachdem ich gerade konditionell immer wieder arge Rückschläge einstecken musste. Und jetzt kommts, es ging mir in Punkto Atmung sogar derart gut, dass ich locker noch mindestens 3 km hätte dranhängen können. Aber das wollten meine Beine nicht. Ich meine ich verstehe sie ja. Wahrscheinlich sind sie für jemanden mit, na sagen wir mal, 90 kg ausgelegt. Das wäre dann im Verhältnis so, als wenn ein normal sportbegabter Mensch immer mit nem Sack Zement vorm Bauch rumlaufen müsste. Dementsprechend zwicken jetzt auch meine Oberschenkel. Ich bin gespannt, wie sich das Zwicken in den nächsten Tagen entwickeln wird.
Die Strecke durchgehend zu laufen war überhaupt nicht geplant. eigentlich plane ich nie, wie weit ich laufen will. Manchmal bin ich froh überhaupt vorwärts zu kommen. Heute lief ich von Anfang an etwas langsamer als sonst. Ich merkte schnell, dass ich mehr Puste hatte als sonst. Also lief ich ganz im Geiste von „Forrest Gump“ einfach weiter. Nach rund einem Kilometer sagte ich mir, wenn ich schon so weit gekommen bin, warum laufe ich nicht einfach weiter. Und das tat ich. Irgendwann erschienen Engelchen und Teufelchen auf meinen Schultern und ich war mir nicht ganz sicher, wer von beiden wer war. Der eine wollte, dass ich immer weiter laufe. Der andere meinte, es wäre bestimmt nicht gut für meine Beine und ich solle doch mal anhalten. Dann meinte der erste, wenn ich schneller liefe, würde ich die Strecke schneller geschafft haben und mein Sofa würde mich früher begrüßen dürfen. Worauf der andere dann sagte, wenn ich schneller liefe, würde ich die Strecke niemals schaffen. Was mich zu der Frage führte, ob er nun wolle, dass ich die Strecke schaffte oder nicht. Ich war verwirrt. Er wusste auch nicht mehr, was er wollte und der Andere erst recht nicht. Ich bat darum, dass die Begleiter auf meinen Schultern doch bitte jeweils einen eindeutigeren Standpunkt vertreten sollten, damit ich mich besser entscheiden könne. Es entstand eine ergebnislose Podiumsdiskussion, deren Ausgang vertagt werden musste, weil ich schon am Ziel angelangt war. Gänzlich unbemerkt von mir und den beiden Gesandten auf meinen Schultern. So kann´s auch mal gehen, dachte ich und freute mich über das Etappenziel.
Kommen wir nun zum Rückschlag. Als ich den Entschluss fasste, dieses Laufprogramm ins Leben zu rufen, war es so, dass ich eine derart große Zahl auf der Waage erzeugt hatte, die mir schon eine gewisse Furcht einjagte: 117,1 kg!!!! Grundgütiger!!!! Eine Zahl, die mir ebenso unfassbar vorkam, wie die 1.1 Gigawatt, die „Marty Mc Fly“ „Doc Emmet Brown“ bei „Zurück in die Zukunft“ im Jahre 1955 präsentierte. Die Älteren werde sich vielleicht erinnern. Mein Gesichtsausdruck war derselbe und ich brauchte ein paar Tage, um damit fertig zu werden, dass es sich bei den Gigawatt, äh Kilogramm wirklich um mein Gewicht handelte. Ich denke nicht, dass man mir so ein Gewicht auf den ersten Blick ansieht, aber das ist eigentlich auch egal. Es gibt zuviele Dinge, die mich in diesem Zusammenhang einfach nur unzufrieden machen und ich denke, mit einem langfristigen Sportprogramm, wird sich etwas ändern. Es war und ist also auch ein erklärtes Ziel von mir, dass ich mit meiner Lauferei diese 117,1 kg korrigieren werde und zwar nach unten. Wie weit das geht, das war und ist mir erstmal eher egal. Es sollte aber schon ein paar Kilos sein und ein paar sicht- und spürbare körperliche Veränderungen mit sich bringen. Es war und ist mir auch klar, dass ein zu häufiges Wiegen in diesem Zusammenhang kontraproduktiv ist. Man macht sich doch nur zum Sklaven der Anzeige auf einem Messinstrument. Nicht mit mir. Also habe ich mich allerhöchstens viermal gewogen. Am Tag versteht sich. Manchmal auch mehr. Die Ergebnisse schwankten dabei von 116,5 kg nach einem guten Abendbrot bis hin zu 112,5 kg direkt nach Feierabend, vor einem guten Abendbrot. Es pendelte sich dann bei circa 115 kg als Höchststand ein. 2 Kilo weg, das war zumindest eine Basis und es war mir auch klar, dass ich sehr geduldig sein müsste.
Dann kam Dresden. Ich bin gerade mit dem Hasen für ein paar Tage in Dresden gewesen. Urlaub also, mit viel Spazierengehen und auch einigen Treppen, die bestiegen werde wollten und natürlich auch mit gutem Essen. Aber ich behaupte jetzt einfach mal, dass es nicht übermäßig viel Essen war. Jedenfalls hatte ich während dieser Tage keine Laufeinheit. Es war also eine fünftägige Lücke entstanden. Ich beschreibe das jetzt etwas genauer, weil ich mich nach dem Dresden Trip wieder gewogen habe und diesmal standen 118 kg im Display. Das war vorgestern Abend. Ein heftiger Schlag für mich ins Kontor. So zuversichtlich und optimistisch ich auch bin, aber das hat mich echt umgehauen. Und ich frage mich aber auch, was ich erwartet habe? Habe ich gedacht, dass die vielen Pfunde sich einfach so verabschieden? Dass sie quasi beim Laufen in die Beine geschüttelt werden und von dort, sozusagen Schrittweise, einfach mir nichts dir nichts verschwinden und mir zum Abschied noch zuwinkten? Habe ich etwas derartiges wirklich erwartet? Ja, das habe ich! Und wie ich das habe! Vielleicht nicht in dieser Form, aber dass sich etwas kontinuierlich zum Guten wendet, wenn ich etwas Gutes für mich tue, das ist doch das Mindeste, was ich erwarten kann. Und dann sowas. Ich war kurz davor die Brocken hinzuwerfen, oder besser liegen zu lassen. Sollen mich doch alle mal am Arsch lecken. Von wegen „Fit for Fun“. Alles Quark! Alles gequirlte Scheiße! Ich war schon lange nicht mehr dermaßen frustriert.
„Vielleicht hast Du einfach nur mehr Muskeln gekriegt. Denn Muskeln sind bekanntlich schwerer als Fett“,meinte der Hase, der mich sichtlich aufmuntern wollte. „Ach ja, und wo sollen die sein?“ Meine Fragestellung klang genervt. „Vielleicht bin ich ja dazu verdammt, als dicker Schwabbel zu enden. Wahrscheinlich kann auf meinem Bauch später eine Vogeltränke montiert werden. Wahrscheinlich wird er sogar eine Vogeltränke sein. Für Greifvögel! Wahrscheinlich werde ich eine Werbe Ikone, weil von ´diese Bier, was so geprickelt hat in meine Bauchnabel´, eine ganze Flasche in eben diesen Bauchnabel passt. Das Bier heißt dann wahrscheinlich Bauchweizen. Wahrscheinlich……“ „Mit dir ist aber heute nicht gerade gut Kirschen essen“, unterbrach mich der Hase und aß erstmal ein paar Kirschen. Sie fragte mich lieber nicht, ob ich auch welche wollte. „Du solltest die Flinte jetzt nicht ins Korn werfen“, sagte der Hase. Ein weiser Ratschlag. „Ratschläge sind auch Schläge“, erwiderte ich, weil ich nicht zugeben wollte, dass mein Hase im Recht ist.
Nun, ich habe die Flinte augenscheinlich nicht ins Korn geworfen und bin wieder gelaufen und habe zumindest einen Teilerfolg erzielt. Auf die Waage steige ich erst in frühestens zwei Wochen wieder……oder nachher, aber ohne Hinsehen. Naja, vielleicht mit einem Auge. Aber ich werde erst wieder Zahlen präsentieren, wenn sie mir besser gefallen. Und für alle, die sich mit dem Gedanken tragen, auch einmal sportlich aktiv zu werden, um eventuell abzunehmen, kommt hier die eine große Wahrheit. Es ist ein steiniger Weg! Lasst Euch von niemandem etwas anders erzählen! Sehr steinig ist dieser Weg und man weiß ums Verecken nicht, wohin das alles führen soll. Vielleicht ist es die Neugier, was am Ende, oder besser im Lauf der Zeit herauskommt der eigentliche Antrieb für mich. Wer weiß.
Aber genug gejammert. Oder doch nicht? Da war doch schließlich noch das Insektenproblem. Es gibt Insekten, die sind eher etwas ekelig. wie zum Beispiel Nacktschnecken. Keiner weiß, woher die kommen, aber sobald es im Sommer mal regnet, übervölkern sie öffentliche Einrichtungen wie zum Beispiel Radwege. Dort trifft man sie zu hunderten, oder gar tausenden an und sobald man auf einem dieser Wege mit dem Rad fährt, kommen viele von ihnen buchstäblich unter die Räder. Ein eher unschöner Vorgang, der allein durch die Tatsache gemildert wird, dass die Tiere nicht schreien können. Unvorstellbar, wenn es nicht so wäre. Nacktschnecken sehe ich auf meinen Laufexkursionen auch viele, aber meist eher am Wegesrand und somit außer Gefahr, von mir plattgetreten zu werden. Man kann schon sagen, die Schnecken sind mir eigentlich egal, solange sie mich nicht überholen.
Was mich aber stark beeinträchtigt, sind die Kupplungen. Äh, die Bremsen. Warum Bremsen, Bremsen heißen, ist nicht umfassend geklärt. Bei mir haben sie auch eher eine beschleunigende Wirkung. Ich laufe ja nicht zum ersten Mal. Ich glaube es ist schon über dreißig Jahre………….. (es folgt eine ehrfürchtige Pause ob dieser enormen Zeitspanne)……(so alt wird keine Nacktschnecke, möchte ich mal behaupten)……..her, dass ich mit Laufen in freier Natur begonnen habe. Ich lief über Stock und Stein, durch Wald und Flur entlang an Wiesen und Auen. Und wenn ich dabei zufällig einem Mückenschwarm zu nahe kam, dann wurde ich vielleicht auch mal von diesen Finanzbeamten, äh Blutsaugern, gestochen. Aber das war alles halb so wild. Es war in all den Jahren eine größtenteils friedliche Koexistenz von mit und den Insekten, vorzugsweisen von denen, die fliegen und eventuell auch harmlose Jogger attackieren könnten. Das ist nun aber nicht mehr so. Als ich in den Anfängen meines Projektes steckte, ereignete sich ein Vorfall, der alles verändern sollte.
Ich stieg aus meinem Auto, versorgte mich mit Musik (ich war mittlerweile eher zu Balladen übergegangen, die passten besser zu meinem Lauftempo) und lief los. Von mir unbemerkt hatte ich schon von Anfang an Begleiter, die neben mir her flogen. Flugbegleiter sozusagen. Und als ich zu schwitzen begann, war das wie ein Startsignal für sie. Sie kamen auf Konfrontationskurs. Sie, also die Bremsen, diese elenden Fehlentwicklungen der Evolution, wollten mein Blut und griffen mich an. Ausgerechnet mein Blut. Ich meine, wie blöd kann man sein und sich auf diese Art seinen Cholesterinspiegel und den BMI so zu versauen? Sollte Mutter Natur da nicht eine Selbstschutzfunktion entwickelt haben, die den Blöd- äh Blindfliegen sagt:“ Nee Jungs, den Fettsack solltet ihr lieber in Ruhe lassen. Der ist nicht gut für Euch. Nehmt Euch lieber einen drahtigen durchtrainierten Vorzeigeathleten. Dann lebt ihr länger!“ Aber wahrscheinlich sind Bremsen beratungsresistent. Vergleichbar mit einem Mann, der an einem warmen Sommertag an einem Stand mit Freibier vorbeikommt und genau weiß, dass er eigentlich keins trinken sollte. Und es ist leckerstes gekühltes Fassbier und seine Kumpels sind auch schon da und trinken davon und sagen ihm, er möge doch mitmachen. Ist ja schließlich Freibier. Der gute Vorsatz einfach weiter zu gehen und nicht mitzutrinken hält wahrscheinlich keine fünf Sekunden.
Ich war also das Freibier und die Bremsen die Biertrinker. Schauderhafter Vergleich. Solange ich lief, war es meinen Angreifern nur schwer möglich, sich an mir festzusaugen. Oder beißen sie sich fest? Ich weiß es nicht. Also lag die Lösung auf der Hand. Ich musste einfach nur weiterlaufen, und zwar so schnell wie möglich, dann würde ich noch einmal davon kommen. Also lief ich schneller. Da bahnte sich die nächste Problematik an. Ich hatte ja so gar keine Kondition. Nach nur wenigen hundert Metern bekam ich einen rasselnden und pfeifenden Atem und mir wurde etwas dunkel vor den Augen. Höchste Eisenbahn, das Tempo radikal zu drosseln. Ich kam dann vom Laufen ins Gehen und genau darauf hatten die Bremsen gewartet. Das Freibier macht schlapp! Dutzendfach kamen sie aus allen Richtungen angeflogen und man konnte an ihrem unkontrollierten Flugstil und dem völlig sinnentleerten Gesichtsausdruck erkennen, was für dämliche Viecher das doch eigentlich sind. Ich glaube die Hälfte ist erstmal an mir vorbeigeflogen, weil sie einfach zu blöd waren, die richtige Richtung einzuschlagen. Die anderen blieben eher zufällig an mir hängen. Wahrscheinlich auch, weil ich eine so enorme Angriffsfläche zu bieten hatte. Manche von ihnen waren so unfassbar langsam unterwegs, dass man sie mit einer müden Handbewegung fangen konnte und selbst dabei habe sie immer noch blöd aus der Wäsche geschaut.
Was die Sachlage so prekär machte, war die enorme Anzahl der Bremsen. Ich konnte sie niemals alle erwischen. Und binnen kürzester Zeit hingen schon die ersten Artgenossen an mir und bissen und saugten, was das Zeug hielt. Ich schlug sie größtenteils in die Flucht, oder kaputt, je nach Sachlage, aber für eine verjagte oder ermordetet Bremse kamen zwanzig Artgenossen und mir wurde schmerzhaft bewusst, ich konnte meinem Körper die dringend benötigte Pause nicht gönnen. Ich musste also weiter laufen. Das fiel mir schwer. Sehr schwer.
Es war der Schweiß, mit dem ich die Biester angelockt hatte. Ausgerechnet mein Schweiß. Jene Körperflüssigkeit, die schon in Jugendzeiten einen Keil zwischen mit und dem weiblichen Geschlecht getrieben hatte. Der Schweiß den ich fortan mit allen möglichen Deodorants und zuweilen auch mit regelmäßiger Körperreinigung bekämpfte. Größtenteils mit Erfolg, in jüngeren Jahren zumindest. Ich bin dem Herrgott dankbar, dass ich keine Bremse geworden bin. Ich möchte nicht jeden Tag an einem Blatt, oder was weiß ich, herumhängen, um mich dann auf den Schweiß eines alten Mannes zu stürzen. Dann doch lieber arbeiten.
Von meinem Schweiß magisch angezogen, versuchten die Bremsen nun auch schon auf mir zu landen, während ich lief. Ich vereitelte dieses vorhaben nach Leibeskräften, indem ich während des Laufens um mich schlug. Ich ruderte dabei dermaßen mit den Armen, dass ich mein Gleichgewicht nur schwerlich unter Kontrolle halten konnte. Weswegen ich auch immer häufiger Ausfallschritte zu verzeichnen hatte. Zwei Reiterinnen kamen mir entgegen. (Ich erkannte dass es Reiterinnen waren, weil sich jeweils auf einem Pferd saßen und damit ritten. Meine Auffassungsgabe ist manchmal unschlagbar.) Sie blickten mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Mitleid an, wie ich an ihnen vorbei lief, mit den Armen wedelte, mit den Beinen strauchelte und mir manchmal mit der flachen Hand ins Gesicht schlug und dabei wie irre sagte :“Hab ich Dich erwischt du Mistvieh! Und ihr anderen seid auch gleich dran!“ Was mögen die beiden Pferdefrauen gedacht haben? Dass ich Ausdruckstanz üben würde? Dass ich meine inneren Dämonen verbannen wollte? Oder dass ich nicht alle Latten am Zaun hätte? Wahrscheinlich alles gleichzeitig. Sie trieben jedenfalls ihre Pferde an und waren wesentlich schneller verschwunden, als sie aufgetaucht waren.
Ich rannte also und ich schlug und wedelte und stolperte weiter. Manchmal musste ich mein Tempo wieder verlangsamen, nur um dann mit noch größerem Tempo wieder weiter zu rennen. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, kam eine Stelle auf meinem Weg, an der es keine Bremsen gab. Ich weiß nicht wieso, aber hier flogen sie einfach nicht hin. Ich war frei! Hurra! Aber scheiße, ich war auch so unfassbar weit weg von meinem Auto. Und der Weg zurück würde an den Bremsenzonen entlang führen. Und außerdem war ich völlig kaputt. Ich bekam meine Atmung kaum noch unter Kontrolle, weil ich für meine Verhältnisse viel zu lange viel zu schnell gelaufen war. Ich brauchte Hilfe. Also rief ich den Hasen an.
„Ich…….Hilfe…….die fressen mich……..Auto……..zurück nicht ……..holen, holen, holen!“ Das war es in etwa, was ich sagte. Meine Stimme war dabei etwas melodramatisch und weinerlich. „Was?“ fragte der Hase. Ich wiederholte mein Ansinnen und bemühte mich um einen verbesserten Satzaufbau. Irgendwann waren wir soweit, dass ich dem Hasen verdeutlichen konnte, dass es hier um Leben und Tod ginge, und sie mich unbedingt unverzüglich abholen und zu meinem Wagen bringen müsste. Von ehrlicher Sorge getrieben, denn schließlich bin ich ja schon fünfzig und untrainiert, da kann so ein Sportprogramm zu katastrophalen Folgen führen, wenn man sich zu sehr übernimmt, erreichte mein Rettungshase mich, noch bevor ich auflegen konnte. Wenn ich nun sage, dass sie enttäuscht war, mich in einem Stück vorzufinden, klingt das vielleicht etwas drastisch, aber erfreut war sie nicht gerade, als sie erkannte, um welchen „Notfall“ es sich hier handelte. Sie brachte mich zu meinem Wagen und ich fuhr nach Hause. Dort erwähnte ich nicht, dass ich rund fünfundzwanzig Bremsenstiche hatte. Also, ich habe es nicht sehr oft erzählt. Höchstens sechsmal. In der ersten Stunde. Danach wurde es weniger. Sie schickte mich unter die Dusche und versorgte meinen geschundenen Körper mit Insektenstichsalbe und machte ein paar Bemerkungen. „Soll ich noch pusten?“ oder „Ich habe noch ein paar Biene Maja Pflaster, soll ich Dir welche auf die großen Wunden kleben?“ Ich war mir nicht sicher, aber wenn ich genau hinhörte, meinte ich etwas Spott zu vernehmen.
Nach diesem traumatischem Erlebnis änderte ich meine Strategie. Ich habe jetzt immer eine Flasche Autan, oder Antibrumm oder dergleichen im Wagen. Und wenn ich zu meinem Startpunkt fahre, dann wird mein Auto von einigen Bremsen, umkreist. Also nicht von den Bremsen des Autos. Das klingt hier vielleicht etwas missverständlich. Es umkreisen mich nur die Flugtiere. So als warteten sie nur darauf, dass ich aussteigen würde. Ich vermute aber, dass sie zu blöd sind, so weit zu denken. Wahrscheinlich versuchen sie jedesmal das Auto auszusaugen. Wie auch immer. Jedenfalls versprühe und verreibe ich mein Insektenabwehrmittel auf allen Stellen, die nicht bekleidet sind, bevor ich das Auto verlasse. Ich schmiere mir das Zeug auch in die Haare und auch an alle Bereiche, die ich mit meinen Händen erreichen kann. Dann stinke ich nach einer Mischung aus Rasierwasser, Petroleum und Klosterfrau Melissengeist und steige aus dem Auto aus. Der Erfolg ist phänomenal. Meine kleinen Freunde kommen angeflogen, voller Vorfreude mich malträtieren zu können, nehmen einen tiefen Lungenzug von meinem „Duft“, werden grün im Gesicht und fliegen hinfort, um sich im Gebüsch zu übergeben. Nur einpaar Unentwegte, entdecken die Bereiche, an die meine Hände nicht gelangen und stechen oder beißen mich durch meine Kleidung hindurch.
Nun sitze ich hier und es juckt zwischen meinen Schulterblättern, während ich dieses Zeilen schreibe und es ist mir unmöglich an diesen Stellen vernünftig zu kratzen. Ich schubber meinen Rücken deshalb an jeder möglichen rauen Oberfläche und suche nach eine Lösung, wie ich mich fortan überall einschmieren kann. Ich habe schon über eine Art Dusche nachgedacht, die mich flächendeckend mit dem Mittel bedeckt. Die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Vielleicht frage ich aber auch einfach den Hasen, ob er mich mal vor dem Laufen versorgt. Könnte ja helfen.