Ich muss hier und jetzt etwas gestehen. Ich bin einer von diesen Leuten, die mit sich nicht zufrieden sind. Und das in vielerlei Hinsicht. Besonders zum Tragen kommt meine Unzufriedenheit bei meiner körperlichen Erscheinung. Wobei es eine große Diskrepanz zwischen meiner eigenen Wahrnehmung und den tatsächlichen Gegebenheiten gibt. Eigentlich fühle ich mich innerlich wie, na sagen wir mal, zwanzig. Okay, eher dreißig. Aber nicht großartig älter. Und vor meinem inneren Auge bin ich schlank wie eine Gazelle. Kein Witz, es ist wirklich so. An einem gewissen Punkt in meinem Leben habe ich anscheinend beschlossen, dass es gut ist, so wie es ist und diesen Zustand in meiner Eigenwahrnehmung unbefristet abgespeichert. Anscheinend war das vor ungefähr zwanzig Jahren und vor rund 30kg.
Nun bin ich fünfzig. Das Haar ist grau und aus der Gazelle ist in all den Jahren eine Mischung aus Elefant und Flusspferd geworden. Ich hätte es kommen sehen können, aber ich habe die Zeichen immer ignoriert. Wenn der Hase mir die Haare schnitt (sie schneidet sie schon seit vielen Jahren), verringerte sich der Anteil an dunklem Haar proportional zu dem immer größer werdenden Anteil an grauen Haaren. Bei jedem Hosenkauf veränderte sich die Konfektionsgröße. Allerdings immer nur in eine Richtung. Und die Füße haben sich entfernt. Sie sind wesentlich weiter weg als früher. Morgentliches Sockenanziehen ist eine derartige Tortur, dass ich schon mit dem Gedanken spiele, ein Paar anzuziehen und immer an den Füßen zu lassen. Natürlich sind weder meine Arme kürzer, noch meine Beine länger geworden. Es ist der Bauch, der im Weg ist.
Manchmal gibt es einen Spiegel, oder ein Bild von mir, das mir die Wahrheit unmissverständlich vor Augen führt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dann sehe ich das ganze Desaster und ich bin mir sofort im Klaren darüber, dass es so nicht weiter gehen kann. Ich muss etwas ändern. Die Zeitspanne, in der ich die beschlossenen Veränderungen in die Tat umsetze, reicht dabei von ungefähr 3 Tagen bis runter zu gerade mal fünf Minuten. Je nachdem, was es als nächstes zu Essen gibt. Ich bin nämlich ein Genussmensch. Mein Sternzeichen ist Stier und Stiere sind dafür bekannt, dass sie großartige Genießer sind. Nun bin ich mir nicht sicher, ob ich genieße, weil ich ein Stier bin, oder ob ich ein Stier bin, weil ich genieße. Ein Frage, die völlig überflüssig ist, aber mein Hirn immer wieder zum rotieren bringt. Nutzlose Gedanken gehören zu meinen hervorstechendsten Charaktereigenschaften. Ich könnte manchmal Tage damit verbringen irgendwas auszubrüten, was für niemanden von Nutzen oder Interesse ist. Dann ruhe ich in mir und es ist mir egal, was ich gerade mache. Es kümmert mich nicht, ob ich gerade mit jemandem rede, oder etwas schreibe.
Oh, ich schweife ab. Also der Genussmensch in mir macht es mir beinahe unmöglich, eine Änderung meines Lebenswandels herbeizuführen. Also schwimme ich weiter im Trott und klammheimlich vergrößern sich die Zahlen auf der Waage. Die Unbeweglichkeit nimmt zu und die Kondition ist komplett am Boden. Eine blöde Spirale, die in die falsche Richtung geht. Als ich vor Jahren drei gleiche Zahlen auf der Waage hatte und das noch vor dem Komma, war ich einerseits froh, dass es nicht drei Zweien waren, aber auch drei Einsen waren in diesem Zusammenhang keine beruhigende Alternative. Es war soweit, es musste nun wirklich etwas geschehen. Die Verursacher standen fest: Zuviel Essen, zuviel Cola (Ich bin absoluter Colajunkie) und zu häufig zuviel Alkohol. Aber ich war nicht bereit auf eines dieser Laster zu verzichten. Zumindest nicht komplett. Also trank ich erstmal weniger Cola und ersetzte sie durch Traubensaftschorle. Phase zwei war das Essverhalten. Der Hase meinte, abends ohne Kohlenhydrate essen, wäre das Allheilmittel. Ich konnte also durchaus Fleisch in mich reinhauen und natürlich soviel Gemüse verschlingen, bis es mir aus den Ohren herauskommen würde. Eier gingen auch und Milchprodukte. Das hörte sich doch gut an. Den Alkohol hatte ich bei diesen Maßnahmen komischerweise völlig vergessen.
Das Ganze ging so in etwa zwei Wochen gut. Allerdings mit Einschränkungen. Wenn ich abends meine „Low Carb“ Mahlzeit gegessen hatte (ich sollte erwähnen, dass es eigentlich sehr leckere Mahlzeiten waren), war ich irgendwie nicht ganz satt. Der Bauch grummelte und signalisierte mir unmissverständlich, dass er mit den zugeführten Speisen nicht uneingeschränkt zufrieden war. Und ich sagte :“Hey Bauch, mach nicht so einen Alarm. Wir beide müssen jetzt sehr stark sein und mit etwas Geduld wirst auch Du merken, dass Du ausreichend versorgt wirst!“ Der Bauch, oder besser mein Bauch, das alte Luder, war allerdings sehr besorgt, dass er in seiner Voluminösität eingeschränkt werden sollte. Also schloss er sich mit meinem Gehirn und sämtlichen Sinnesorganen kurz. Und so bekam ich dann regelmäßig recht schnell nach einer Kohlenhydratverdrängungsmahlzeit wieder Hunger. Mein Gehirn fragte mich dann:“Wie low ist eigentlich das Carb bei Bockwürsten, oder Räucherschinken?“ Wie von Geisterhand war ich mittlerweile vom Sofa bis zum Kühlschrank gelangt und hatte die Tür geöffnet. Meine Augen erspähten das Bockwurstglas und ohne es zu begreifen, hatten meine Hände, diese miesen Verräter, es auch schon aus dem Kühlschrank geholt. „Man kann ja mal dran riechen“, dachte ich, während ich das Glas öffnete. Anscheinend wollte ich mit dem Mund riechen, denn die erste Wurst steckte bereits zur Hälfte in meiner Mundhöhle. Mit Senf versteht sich.
Es blieb dann nie bei der einen Wurst, oder der einen Scheibe Schinken oder was auch immer ich als Ergänzungsnahrungsmittel in mich hineinstopfte. Genaugenommen aß ich weit mehr, als wenn ich Beilagen wie Nudeln, Reis, oder Kartoffeln (am liebsten Bratkartoffeln) auf dem Teller gehabt hätte. Das Experiment „Low Carb“ scheiterte also auf der ganzen Linie. Und die Traubenschorle hing mir auch sehr schnell zum Hals raus. Der Trott ging weiter. Das Gewicht stieg weiter an. Irgendwann im letzte Jahr begann dann das Schwitzen. Mit Beginn der wärmeren Jahreszeit, so bei Tagestemperaturen ab 23° oder 24° schwitzte ich. Aber nicht so eine niedliche Art Achselnässe, nein, es lief mir in Sturzbächen herunter. Besonders bei der Arbeit. Bei jeder kleinen Anstrengung war ich ein Wasserfall. Ich hätte stündlich meine T-Shirts wechseln können. Ein beklemmender Zustand, der mich fast in den Wahnsinn trieb. Zum Ende des Sommers normalisierte sich das Ganze und ich hatte die Hoffnung, die Schwitzerei wäre vorbei.
War sie auch. Bis hin zu diesem Jahr und diesem Frühling. Es war noch schlimmer als im letzten Jahr. Dazu wurden auch die Klamotten enger und die Waage zeigte mit 117,1kg ein Rekordergebnis. Es gib immer einen Punkt im Leben, an den man gelangen muss, um bereit für eine Veränderung zu sein und dieses 117,1kg waren definitiv der geeignete Anlass für ein Umdenken. Ich musste also den richtigen Weg für mich finden, um aus diesem Dilemma auszubrechen. Vielleicht könnte das Fernsehen mir dabei Hilfestellung geben. Drei Dinge haben mich dabei sehr beeindruckt.
Erstens Frau Wollersheim. Ich kenne die Tante nicht und es geht mir auch wirklich am Arsch vorbei, wer sie ist und was sie treibt. Sie ist eine von diesen Zombies, die die „Promi“-Magazine bevölkern, wie die Fliegen einen Haufen Kuhmist. Die Gute hat sich neulich operieren lassen. Wahrscheinlich wollte sie sich das Hirn entfernen lassen und weil die Ärzte nichts gefunden haben, was sie in diesem Zusammenhang entfernen könnten und weil sie ja eh schon betäubt gewesen ist, hat man ihr ein paar Rippen rausgenommen. Nun sieht sie aus, als wenn man sie in Höhe des Bauchnabels mit einem Spanngurt zu fest zusammengezogen hat. Sie besteht aus zwei trichterförmigen Körperhälften, die mit den spitzen Seiten aufeinandertreffen. Sie habe die Rippen entfernen lassen, damit sie eine Wespentaille bekommen würde. Sie wollte etwas für ihre Schönheit tun. Sagt sie. Für mich stellen sich dabei nur ein paar Fragen: Wie groß muss der Sockenschuss sein, um so etwas schön zu finden? Welcher Arzt hat sich für so eine Operation hergegeben? Gibt es nicht so etwas wie Berufsehre? Ich werde mich jedenfalls nicht operieren lassen. Ich hänge an meinen Rippen.
Beispiel zwei war irgendeine Spielerfrau. Also die Frau / Freundin eines Fußballers. Ich glaube sogar von einem Nationalspieler. Eine dieser perfekten Schönheiten, bei denen alles straff ist und kein Gramm Fett unter der Haut lauert. Über sie wurde berichtet, weil sie mal zeigen sollte, wie sie so einen Körper hinbekommt und auch behält. Das war ganz einfach. Morgens und Abends ne gute Stunde Sport. Zum Frühstück eine viertel Melonenscheibe. Mittags einen Hauch von Nix und abends von allem die Hälfte. So in etwa jedenfalls. Und der Geheimtipp war, am Morgen ein Glas lauwarmes Wasser mit einer gepressten Zitronenscheibe. Das würde verdauend wirken und gleichzeitig ein Sättigungsgefühl erzeugen. Ah ja. Vielleicht könnte man das Wasser auch durch Luft ersetzen und wenn man dann nicht allzuviel atmet, klappt das auch mit der Bikinifigur. Das hört sich echt nach Spaß an. Für einen kurzen Moment habe ich überlegt, diesem „Ernährungsplan“ nachzueifern. Dann habe ich Tränen gelacht und mir Bratkartoffeln und Rührei genehmigt. Melonenscheibchen und lauwarmes Zitronenwasser sind also auch nicht mein Ding.
Das dritte Beispiel ist wissenschaftlich fundierter. Ernährungswissenschaftler wollten in einer Sendung aufzeigen, wie sich die Nahrung auf gesundheitliche und körperliche Probleme auswirken kann. Drei Personen mit drei unterschiedlichen Problemen. Einer von ihnen war ein Mann mit Gewichtsproblemen. Er, Ende vierzig, wiegt hundertfünfzig Kilo und isst sehr unregelmäßig. Jede Imbissbude war seine und sein Job bestand zu großen Teilen darin, mit dem Auto durch die Republik zu fahren. Das Ganze war irgendwann höchst bedenklich. Also haben die Ernährungsdocs mit ihm geredet und ihm vorgeschlagen, sein Essverhalten zu ändern. Wäre man jetzt so nicht drauf gekommen. Man merkt schon, wenn Wissenschaftler in einer Fernsehsendung sind, dann wird auch mal hochkomplex gedacht. Also wurde sein Speiseplan umgestellt und damit der Start einfacher wird, sollte er auch zweimal am Tag, statt einer Mahlzeit einen Eiweißdrink zu sich nehmen. Aber nicht irgendeinen, sondern einen, den ein Arzt ihm empfehlen würde. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt und vermutet, dass so ein Arzt auch von einem Eiweisdrinkhersteller „gesponsort“ werden könnte. Wie dem auch sei, nach einem halben Jahr wurde der Mann ein wenig vom Kamerateam in seinem Alltag begleitet. Morgens erstmal einen Eiweißdrink. Aha, ich hatte gedacht, das wäre jetzt nur vorübergehend gewesen. Und dann mittags (Achtung, jetzt kommts), da öffnet er seine große Tupperbox und darin ist…..(Trommelwirbel)…..nichts. Na gut, beinahe nichts. Genaugenommen die Rudimente von etwas rohem Gemüse. Das war das Mittag! Die komplette Mahlzeit! Sonst nix! Er tränke jetzt mehr Wasser, um das Hungergefühl zu umgehen. Abends gab es dann kohlenhydratfreies Essen. Seine Frau, die an seiner Stelle wesentlich disziplinierter ist, sorgt dafür, dass er sich an den Plan hält. Er hat auch ordentlich abgenommen, was bei seinem Ausgangsgewicht aber nicht weiter verwunderlich ist. Mich beschleicht nur das Gefühl, dass er irgendwann mal die Faxen dicke hat und in einer großen Fressattacke alles in sich reinschlingt, was ihm vor die Nase kommt. Egal, ob es Nachbars Katze oder der gutmütige Briefträger ist.
Es ist also auch nicht mein Weg, auf alles zu verzichten und immer nur ein Hungergefühl zu haben. Aber ich möchte schon runter von den Pfunden. Ich möchte mein Füße mit meinen Händen erreichen, ohne dabei meinen Magen falten zu müssen. Ich möchte weniger schwitzen und die Treppe hochgehen, ohne zu keuchen. Was also ist mein Weg? Nun, vor drei Wochen habe ich damit begonnen zu laufen. Ich fahre jetzt also regelmäßig mit dem Auto in die Wildnis, wo mich wirklich niemand sieht und beginne zu joggen. Und weil ich es mir fest vorgenommen habe, es auch langfristig durchzuziehen, nehme ich diesen Blog als Portal, um eine Art Tagebuch darüber zu führen, ob ich es durchhalte und wie sich das alles auswirkt. Der Plan war, sofort mit der ersten Laufeinheit dieses Tagebuch zu führen. Das hat schonmal nicht hingehauen. Aber ich gelobe Besserung. Von jetzt an, wird in unregelmäßigen Abständen unter dem Titel „Projekt Uhu“ immer wieder ein kleiner Erfahrungsbericht hier erscheinen. Beginnen werde ich morgen….Nee, da habe ich Kartenspielen….also dann übermorgen.
Bis dann………