Plantschi ist prima

Unser Hotel heißt Picafort Beach und es trägt diesen Namen nicht zufällig. Denn was den Strand angeht, so sind wir ganz dicht am Geschehen. Wenn man im Außenbereich der Hotelbar durch einen kleinen Ausgang geht, gelangt man auf eine Promenade (und nein, eine Promenade ist nicht das, was man sich früher immer in die Haare geschmiert hat) und direkt dahinter ist schon der Strand, oder Beach (wie wir Spanier so sagen). Es sieht beinahe so aus, als wäre unser Hotel aus dem Strand gewachsen, wie eine Palme in Palma. Viel dichter dran geht nicht. Wenn wir noch dichter wären, könnten wir zum Essen hinschwimmen. Der große Vorteil ist, dass man von dieser Bar, deren Außenbereich quasi beinahe im Wasser ist, Getränke mit an den Strand nehmen kann. Allerdings im Pappbecher, aber das ist erstens verständlich und zweitens war es auf Rhodos ähnlich.

An diesem Strand sind auch Liegen und Sonnenschirme. Teilweise sind es diese Strohschirme, die man von Reiseprospekten so kennt und ich finde es toll da zu sein, wo der Reiseprospektfotograf seine Reisprospektfotos macht. Die Liegen und die Schirme sind in ihrer Nutzung nicht umsonst und es gibt in ihrer Anzahl nicht genügend für die Hotelgäste. Zwei Liegen und ein Schirm sind immer eine Einheit und kosten mal eben 13,50 € am Tag. Wir sind vier Personen, was dann im Endeffekt 27,- Euro täglich macht. Das mal die neun Tage, die wir vor Ort sind, abzüglich zwei Tage, die wir mit dem Leihwagen durch die Gegend brausen wollen, macht zusammen rund 18 Kisten Bier, wenn sie im Angebot sind. Ich rechne gerne mit anschaulichen Beispielen. Ich überlege, wie wir mit zwei Liegen und einem Schirm klarkommen könnten. Das spart immerhin schon 9 Kisten. Aber zu zweit auf einer Liege scheint mir ebenso unsinnig, wie abwechselnd auf ihnen Platz zu nehmen. Also dann halt die vier Liegen mit zwei Schirmen.

Erfreulicherweise kann ich ja sogar noch einen Tag abziehen, denn dass wir heute nachmittags überhaupt noch irgendeine verwunschene Liege belegen könnten, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Es sind hier Tag und Nacht immer so um die 30 bis 33 Grad und was tun die Leute hier? Ja gut, sie essen und trinken. Aber was noch? Genau, sie gehen an den Strand, belegen die Liegen, die ich gerne belegt hätte und baden im Mittelmeer. Und wenn man dann nachmittags an den Strand geht, dann muss man sich nicht der Illusion hingeben, dass hier irgendwas für uns reserviert wurde. So berühmt bin ich dann wieder doch nicht.

Deshalb kommt etwas zum Einsatz, was man heutzutage ein Gadged nennt und das der Hase in seinen weitschweifenden Vorbereitungen zusammen mit ein paar Hektolitern Sonnencreme schon Monate vor dem Abflug besorgt hat. Die Rede ist von so einer Art Stranddeckte, die zusammengefaltet kaum größer ist als ein Katzenbaby (aber nicht miau sagt) und ausgebreitet 2,5 mal 3 Meter misst. Sie ist recht dünn und von einer Seite mit einer Art Folie beschichtet und von der anderen Seite erweckt sie den Eindruck, als wenn sie eine echte Wolldecke ist. Wie dieses Malervlies, nur in gemütlich. Sie hat ein paar Schlaufen an den Seiten und als Zubehör die gleiche Menge an Kunststoffheringen, mit denen man sie im Sand verankern kann. Vor allem aber ist sie ein Zeichen für alle Sonnenanbeter, die sich hier am Strand tummeln, dass der Bereich, wo diese Decke liegt, unser Bereich ist. Wir haben zwei von diesen Decken, die nebeneinandergelegt eine dermaßen große Fläche ergeben, dass ich beinahe versucht bin, hier eine Republik auszurufen. Ich stelle mir vor, wie wir hier Schilder aufstellen: „Achtung Hasenreich, unbefugtes Betreten wird hasenrechtlich verfolgt!“

Da trifft mich ein Knuff in die Seite. Der Hase. Meint, unsere Kinder und sie würden jetzt ins Wasser wollen und ich solle mich doch endlich mal ausziehen. Naja, natürlich nicht ganz ausziehen, aber so weit, dass ich nur noch in Badehose bekleidet am Strand stünde. Und man muss es mal ganz offen gestehen, ich bin keine zwanzig mehr. Das mag den einen oder anderen verwundern, aber es ist so. Und deswegen ist auch mein Körper nicht mehr derselbe, wie er es früher einmal gewesen ist. Und ich kann nicht die Augen davor verschließen, schöner bin ich mit zunehmendem Alter auch nicht geworden. Und ich werde jetzt nicht den alten Scherz bemühen, dass Greenpeace mich wieder ins Meer bringen möchte, aber ich habe schon ein bisschen das Gefühl dass der Meeresspiegel leicht ansteigt, als ich ins Wasser gehe.

Eigentlich bin ich ja ein bisschen eigen, was das Zeigen meines freien Oberkörpers in der Öffentlichkeit angeht, aber es ist Urlaub und ich schwitze, also reiße ich mit das T-Shirt vom Leib und schreite, so leichtfüßig, wie es meine anatomischen Grundlagen erlauben, ins Wasser. Dieses ist erstens warm (piewarm hätte man früher gesagt und gemeint, dass es die Temperatut von Urin hat) und zweitens auch ein bisschen rau. Was zu einem gewissen Wellengang führt und uns dazu bringt, mit jeder ankommenden Welle ein bisschen zu hüpfen, um nicht unter Wasser zu geraten. Unser Sohn taucht dabei ebenso regelmäßig, wie versehentlich ab und findet seine Berufung darin, sich jedes mal einen großen Schluck vom Meerwasser zu genehmigen, was dazu führt, dass der Meeresspiegel wieder ein wenig sinkt. Und jedes Mal, wenn wir bei einer Welle hüpfen müssen, sagen wir quietschvergnügt „Huih!“. Die Leute müssen uns für komplett bescheuert halten. „Aber das“, denke ich (Huih), „ist mir (Huih) völlig egal. (Huih)!“

Es ist nicht das erste Mal, dass ich im Mittelmeer bin. Schließlich war ich ja zweimal auf Rhodos, einmal in der Türkei und zweimal am spanischen Festland. Und ich bin auch gewiss kein Experte, aber es gibt nationenübergreifende Ähnlichkeiten darin, wie alles so aussieht. Das Meer, der Strand, die Hotels und in der Ferne ein paar Berge, die man vom Strand aus sehen kann. Es ist überall irgendwie dasselbe. Aber das macht nichts. Mir gefällt der Anblick. Es ist nicht ganz Bötersen, aber schön ist es doch. Die Sonne brät vom Himmel und nach dem Baden sind wir in nullkommanichts wieder trocken. Der Nachmittag geht vorbei und es wird Zeit für das Abendessen in unserer Werkskantine. Für morgen haben wir uns vorgenommen, einen Sonnenschirm zu kaufen, denn die Sonne ballert hier schon ganz anders als zu Hause.

Die Auswahl beim Abendessen ist im Vergleich zum Mittag noch ein paar Prozentpunkte mehr geworden und ich bin wieder einmal mutig, bei der Auswahl meiner Speisen. Es darf bei mir ja auch gerne Tentakel haben, was frittiert auf meinem Teller liegt. Manche Dinge überfordern mich allerdings, wenn es darum geht, wie man es isst. Also welche Technik man anwendet. So zum Beispiel sind ein paar Meeresbewohner in meiner Paella, die irgendwie wie rötliche Heuschrecken wirken und mich mit ausdruckslosen schwarzen Augen ansehen. Die haben eine harte Schale und man kann nicht einfach von ihnen abbeißen. Unser freundlicher Kellner mit der Zahnlücke versucht mir einen Crashkurs darin zu geben, wie man die Schale knackt und an das Innenleben gelangt. Dem Hasen wird bei dem Anblick mulmig, wie ich das Tier auseinanderbreche und auch die Kinder sind nicht wirklich begeistert. Der Ertrag meiner Bemühungen ist eher gering, weswegen ich mit der Heuschrecke aufhöre. Aber sonst ist das Essen wieder erste Sahne.

Wir gehen nach dem Essen in die Bar und wollen ein bisschen was trinken. Das Bier ist im „All inclusive“ enthalten, was mich zu einem glücklichen Mann macht. Es gibt auch „All in“ Cocktails und die Mädels bestellen sich mal einen. Die kommen aus einem obskuren Plastikbehälter und sind schon fertig gemischt, haben eine merkwürdige Farbgebung und sind vieles, aber ganz gewiss nicht lecker. Auch ein alkoholfreier Cocktail, den unser Sohn sich bestellt, erweckt keinen guten Eindruck und könnte im Dunkeln leuchten. Es gibt auch richtige Cocktails, aber die kosten für „All in“ Gäste 5,- € bzw. 3,50 € (für einen alkoholfreien Cocktail). Und irgendwie ist das ein bisschen enttäuschend und wir sind noch nicht so weit, dass wir etwas extra zahlen wollen. Es stellt sich heraus, dass die Cola hier in der Bar auch irgendwie plörrig ist. Ganz im Gegensatz zu der Cola, die man beim Essen kriegt. Nur das Bier ist echt lecker, aber das interessiert die anderen nicht, weil sie entweder kein Bier mögen (Hase und Sohn), oder aber momentan keins wollen (Tochter).

Eine D-Jane hat ihr Set aufgebaut und legt ein paar Maßstäbe in Sachen Lautstärke fest. Unser ursprünglicher Plan, hier einfach draußen zu sitzen und sich über die Hinreise, das Hotel, das Mittelmeer und unseren Urlaub im Allgemeinen auszutauschen, scheitert, weil man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Da die musikalische Auswahl der guten Dame so rein gar nicht mit meinem Musikgeschmack kompatibel ist und die Lautstärke uns allen auf den Pinsel geht, beschließen wir, die Flaniermeile ein bisschen entlangzuschreiten. Es ist Montagabend und die Promenade ist voll bis zum Anschlag. Direkt neben unserem Hotel ist ein Eiscafé und es wechseln sich unterwegs munter alle erdenklichen Arten von Lokalen mit kleinen Supermärkten und anderen Hotels ab. Kein Zentimeter bleibt an dieser Promenade ungenutzt. Massen von Leuten aus aller Herren Länder flanieren hier hin und her. Es ist warm, es ist Sommer und immer in greifbarer Nähe ist das Mittelmeer an dessen Strand hunderte von diesen Strohsonnenschirmen stehen.

Wir kommen an einer Stichstraße vorbei, die in Richtung Ortsmitte geht und anscheinend eine Fußgängerzone ist, die im Prinzip genauso bestückt ist, wie die Promenade, nur ohne das Mittelmeer. Und sie ist gefühlt noch doppelt so voll, wie die Promenade. Sowas liebt mein Hase. Und weil wir alle heute so kaputt sind und eventuell noch eines dieser fragwürdigen Getränke in unserer Bar trinken wollen, beschließen wir umzukehren und morgen diese Wanderung noch einmal und ausschweifender zu wiederholen. Also gehen wir zurück zu unserem Hotel in unsere Bar. Dort tanzen die ersten Gäste zu den Klängen, die die D.Jane unters Volk schmettert. Und weil es so laut ist, beschließen wir uns um die Ecke zu setzen.

Eine nur halbwegs gute Idee, denn direkt neben unserem Hotel ist eine kleine Straße und auf der anderen Straßenseite ist schon das nächste Hotel. Und irgendwie scheint hier heute „Dancing Montag“ zu sein, denn auch aus diesem Hotel wummert irgendein bassgetriebenes Musikzeugs. Und auch in einer schicken Lautstärke, weil man ja unsere D-Jane übertrumpfen möchte. Die wiederum sich auch nicht lumpen lässt. Es entsteht ein irre lauter Soundbrei und man kann sagen was man will, aber gemütlich geht anders. Die Krönung des Ganzen aber kommt noch, als rund 4,5 Promille Alkohol, die in einem männlichen Körper versammelt sind und offenkundig flächendeckende Schäden hinterlassen, der Meinung sind, sie müssten diesen Mann zum Mitsingen bewegen. Und ich habe im Laufe meines Lebens schon manch einen schiefen Ton gehört und viele davon habe ich selbst gesungen, aber das was jetzt gerade zum Vortrag kommt, sprengt jeden Rahmen. Es gibt ja ein altes Gerücht, dass man bei bestimmten Schallplatten, wenn man sie rückwärts abspielt, satanische Botschaften hören kann. Das kann der Typ auch vorwärts. Nur mit ganz viel Phantasie erkennt man Roland Kaisers Smash Hit „Joanna“, der hier getötet wird. Und ich denke, das hat der Roland nun auch nicht verdient.

Wir beschließen die Zelte abzubrechen. Es war schließlich ein langer und aufregender Tag, der genaugenommen um 1 Uhr morgens begonnen hat. Und wir sind alle ziemlich platt. Wir gehen auf unsere Zimmer und ich habe ein wenig Hunger und esse noch ein paar Mini Kabanossi, die der Hase für Hungernotfälle des Hasenbändigers mitgenommen hatte und just in diesem Moment ist ein solcher Notfall eingetreten. Aber schon nach wenigen Würstchen klappen mir die Augen zu und ich beschließe zu schlafen und träume ein wenig von einem reichhaltigen Frühstück und von Palmen und Bussen und kleinen Kindern, die „Miau“ sagen. Hallo Urlaub, ich bin da, Du darfst mich jetzt gern verwöhnen.