Mutti-Tasking

Frauen sind schon tolle Geschöpfe. Für sie wurde der Begriff Multitasking erfunden. Man könnte auch Muttitasking sagen, aber das kommt wahrscheinlich nicht so besonders an. Wie dem auch sei, Frauen sind genetisch bedingt in der Lage mehrere Sachen gleichzeitig zu erledigen.  Das ist bewundernswert. Wir Männer hingegen (ich zähle mich einfach mal dazu) können da nicht mithalten. Wir sind eher schlichte Gemüter und bei uns muss alles was wir tun einer gewissen Struktur unterworfen sein. Und wenn es mehrere Dinge gibt, dann immer hübsch der Reihe nach. Alles auf einmal würde uns überfordern.

Wenn ich beispielsweise im Garten die Büsche beschneide, dann habe ich schon genug damit zutun, mich von der Sinnhaftigkeit dieser Unternehmung zu überzeugen. „Warum schneide ich die Dinger jetzt ab?“ frage ich mich während eines Selbstgespräches. Und ich mache  dabei  unterschiedliche Gesichtsausdrücke. So wie Gollum und Smeagol. „Weil die sonst irgendwann den ganzen Rasen zuwuchern würden, Gollum, Gollum“ (ich gehe offensichtlich auf in meiner Rolle), gebe ich mir kurz darauf die passende Antwort. Aber so leicht mach ich es mir natürlich nicht. „Wenn die den Rasen überwuchern würden, gäbe es keinen Rasen, das heißt ich müsste auch keinen Rasen mähen. Warum also macht Smeagol sich eine Arbeit, durch die er  später immer noch mehr Arbeit davon hat?“ „Weil ich es Dir sage!“ sagt der Hase. Offensichtlich habe ich nicht leise mir mir diskutiert. „Und wer ist Smeagol?“

Der Gesichtsausdruck des Hasen lässt mich meine kleine interne Diskussion beenden und ich mache mich an die Arbeit. Das bedeutet, als erstes muss für eine musikalische Untermalung gesorgt sein. Ich kann einfach nicht vernünftig arbeiten ohne Musik. Dazu habe ich in jedem Außengebäude (es sind tatsächlich nur zwei) eine gewisse Grundlage geschaffen, die es mir ermöglicht, mich in jedem Winkel des Grundstückes beschallen zu lassen.

Nun ist mein Musikgeschmack mitunter auch etwas eigen und häufig weit entfernt vom Mainstream, der die Radiolandschaft beherrscht. Wenn ich also draußen arbeite und die Anlage ein wenig aufdrehe, ist das mit Bestimmtheit auch eine Bewährungsprobe für die Hörgewohnheiten der Nachbarschaft. Allerdings habe ich noch nie Klagen zu hören bekommen. Nur dem Hasen ist es manchmal unangenehm. Also habe ich mich für die Beschallung direkt in meine Ohren per Kopfhörer entschlossen. Was aber auch nicht immer einfach ist. Denn der Hase möchte auch immer mit mir reden, wenn ich am arbeiten bin. Da haben wir den Salat: arbeiten, Musik hören und reden, das ist zuviel für mich, das geht nicht.

Ich würde einfach nicht zuhören wollen, mosert der Hase. In meiner Überforderung ist es mir nicht mehr möglich sinnvolle Sätze zu bilden, ohne dass ich mir vielleicht selbst irgendetwas abschneide, was an mir hervorragt. Also konzentriere ich mich mehr auf die Schneidarbeit und lege weniger Wert auf die Vollständigkeit meiner Antwort: „Ich schneiden…Musik gut….Wetter….schneiden, schneiden….“. Ich habe derweil wieder den Kopfhörer auf und schneide unbeirrt weiter.

Man sollte mir in diesem Stadium nicht unbedingt in den Weg kommen. Da tickt mich der Hase von hinten an. Genervt nehme ich die Hörer raus und pausiere das gerade gehört Lied, damit ich ja nichts verpasse. Die Heckenschere läuft derweil weiter. „Ich mache jetzt drinnen meinen Hausputz!“ sagt der Hase. Eine Information, die mich zwar erreicht, aber mir für den Moment völlig nutzlos erscheint. Doch damit nicht genug. Es folgt eine Auflistung der Arbeiten, die sich der Hase vorgenommen hat und jeder zweite Satz endet mit: „….ich weiß gar nicht wie ich das alles schaffen soll!“

„Vielleicht solltest Du einfach anfangen und nicht drüber reden“, denke ich und schneide wieder. Musik läuft natürlich weiter. Der Hase tippt wieder auf die Schulter. Heckenschere aus, Musik auf Pause,  Kopfhörer raus.  „Was möchtest Du denn essen und wann?“ „Mir völlig egal und sobald es dann fertig ist. Einfach dann, wann es Dir passt.“ „Ich weiß gar nicht wann ich das alles schaffen soll. Jetzt, wo du auch noch was essen willst.“ „Kein Problem, ich nehme mir einfach irgendwas.“ „Du weißt auch gar nicht, was Du willst. Mal willst Du was essen und dann wieder nicht. Wer soll da noch durchsteigen. Ich geh jetzt rein. Schließlich habe ich noch genug zu tun. Du könntest ja auch mal weiter machen!“ sagt der Hase, geht rein und beginnt mit dem umfangreichen Arbeitsprogramm. Ich genieße die Ruhe, die mich über meinen Kopfhörer mit 120Db anbrüllt und mache mich wieder an mein Tageswerk.

Der Hase hat am Wochenende natürlich auch einen Plan und manche Dinge sind fester Bestandteil darin, wie zum Beispiel das Grundreinigen der Dusche. Wobei ich mich oft frage, ob das sein muss, weil man ja dort duscht und somit die Dusche quasi gleich mitreinigt, aber ich bin ja nur ein Mann und manchmal ist es besser, dass der hygenische Standard in unserem Haus nicht in meinen  Händen liegt. Meine Schmerzgrenze ist da eine andere.

Aber auch das große Wäsche waschen findet häufig an Samstagen statt. Auch diesmal kommt der Hase mit der nassen Wäsche nach draußen, um sie an einem fremdartigen Gebilde mit vielen Seilen (im Fachjargon heißt so etwas Wäschespinne) aufzuhängen. Dabei fällt ihr auf, dass eine Unkrautsorte die Unverfrorenheit besessen hat, sich an manchen Stellen durch die Fugen der Pflastersteine unserer Terrasse zu zwängen. Sie lässt für einen Augenblick die Wäsche Wäsche sein und macht sich multitaskend daran, dem kleinen grünen Frechdachs den Garaus zu machen.

Während sie ungehemmt an den kleinen erbarmungswürdigen Pflänzchen zerrt und ich mich in einer kurzen gedanklichen Exkursion der Thematik widme, was erfüllt sein muss, damit aus einer Pflanze ein Unkraut wird, erspäht der Hase ein paar trockene Blütenblätter in einem der vielen Blumentöpfe, die unsere Terrasse bevölkern. Ach denkt sie, das sieht aber etwas unschön aus und macht sofort ans Werk, diesen Missstand zu beseitigen. Dabei streift ihr wachsames Auge das Küchenfenster. Ein Streifen ist darauf zu sehen. Wie aus dem Nichts zaubert der Hase einen Lappen in seine Hand und ich bin mir nicht sicher, ob er nicht eventuell eine Art Grundausstattung ist, die für solche Zwecke immer im Verborgenen weilt und darauf wartet eingesetzt zu werden. Noch bevor der Hase das Fenster erreichen kann, bemerkt er, dass ich mit meinen Arbeiten vorangekommen bin. Zeit also, für eine  erste Generalabnahme.

In knappen Worten wird mir die Unzulänglichkeit meiner Arbeit erklärt und was ich unbedingt noch korrigieren müsste. „Aber da bin ich doch noch gar nicht gewesen“, sage ich. „Was? Soso! Dann wird es aber Zeit, dass Du damit anfängst.“ „Wolltest Du nicht eigentlich Wäsche aufhängen?“ frage ich „Welche Wäsche?“,fragt der Hase, denkt nach und fügt noch ein kurzes “ ich glaub ich muss das Essen mal umrühren bevor es anbrennt!“ hinzu und macht sich auf den Weg nach drinnen.

Kurze Zeit später kommt der Hase wieder raus. „Habe das Essen abgestellt, damit es nicht anbrennen kann. Ich habe ja soviel zu tun, hier draußen. Ich weiß gar nicht, wann ich das alles…“ sie unterbricht ihre Ansprache, weil sie bemerkt, dass ich wieder per Kopfhörer ganz mit mir und meiner Musik vereint bin. Sie gibt es auf, mit mir auf vernünftige Weise ein Gespräch zu führen, ignoriert Fenster, Blumen und Unkraut, um sich der lästigen Wäsche zu widmen. Da kommt es plötzlich zu einer ungeahnten Störung der Abläufe.

Vom Nachbargrundstück ist auch das leise Klickern von Wäscheklammern zu vernehmen. „Na“, denkt sich der Hase, „da wird ja wohl die Nachbarin auch gerade draußen sein.“ Das eigentliche Aufhängen der Wäsche wird kurz für einen kleinen Informationsaustausch am Gartenzaun mit Frau Nachbar unterbrochen. Und dann beginnt der kurze Smalltalk. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glatt denken, dass die beiden sich seit mindestens 3 bis 5 Jahren nicht mehr gesehen haben. Es gibt offensichtlich viel zu bereden.

Nach gut einer halben Stunde sehe ich die beiden noch immer im Gespräch vertieft am Zaun stehen. Ich beschließe meine Arbeit zu unterbrechen, um nachzusehen, ob das Essen auch wirklich nicht mehr am köcheln ist…..und, genau, es köchelt. Beim Betreten der Küche fleht es mich an, doch bitte umzurühren. Ich rühre also und denke, dass es das Beste sein wird, wenn ich mal eben die Wäsche aufhänge. Zwischendurch rufe ich dem Hasen zu, ob er nicht eventuell einen Stuhl haben wolle und muss erstaunt erkennen, dass die schon zu dritt am Zaun stehen. Eine weitere Nachbarin wurde durch die Schallwellen der Unterhaltung angelockt, wie eine Motte vom Licht. Nicht dass man mich jetzt falsch versteht, keine meiner Nachbarinnen hat auch nur im Entferntesten Ähnlichkeit mit einer Motte. „Ich könnte auch drei Stühle bringen“, werfe ich ein, werde aber von keiner der Damen wahrgenommen.

Sie befinden sich jetzt in einer anderen Dimension. Dinge wie Zeit, Raum, Umgebung, Mitmenschen oder auch Wetter haben keine Bedeutung mehr. Losgelöst von allen äußeren Bedingungen reden die drei munter drauf los. Ich hänge die Wäsche auf und sehe noch kurz nach dem Essen. Es ist jetzt fertig und ich stelle den Herd aus. „Essen is fertich!“ rufe ich halbherzig zu den drei, äh mittlerweile vier Damen vom Zaun. Faszinierend. Das einzige, was durch das Dimensionstor gelangen kann ist eine weitere gesprächsbereite Nachbarin. Alles andere prallt ab wie Wasser von fettigem Haar.

Ich esse schweigend, mache ein kurzes Nickerchen und sehe dann nach der Dusche. Ok, die ist auch schon halb fertig. Wahrscheinlich hat der Hase während des Reinigens entdeckt, dass die Blumen gegossen werden mussten und beim Blumengießen gesehen, dass es an der Zeit wäre die Bettwäsche zu wechseln, denn die liegt auf dem Flur. Ich reinige die Dusche, beziehe die Betten und gehe wieder nach draußen.

Sie sind immer noch zu viert. Die Wäsche ist trocken und ich nehme sie ab. Danach widme ich mich endlich wieder dem Beschneiden der Büsche. Der Lärm der elektrischen Heckenschere muss das Quartett aufgeschreckt haben. Wie aus einer Hypnose erwacht stehen sie benommen am Zaun und versuchen sich zu orientieren. „Wie spät ist es?“ fragt die eine. Es folgt ein Uhrenvergleich. „Was? so spät schon?“ bemerkt die andere. Es beginnt eine hektische Betriebsamkeit. „Ich glaube ich habe den Staubsauger nicht ausgemacht“, sagt die eine. „Eigentlich wollte ich für den Alten und die Kinder was kochen“, bemerkt die Übernächste. Jetzt weiß ich, zu wem vor einer dreiviertel Stunde der Pizzabringdienst gefahren ist.

Das literarische Quartett ohne Bücher löst sich auf und der Hase kommt zu mir. In einer kurzen Inhaltsangabe wird mir knapp mitgeteilt, was es denn alles an Neuigkeiten gibt. Ich versuche mein Desinteresse zu verbergen und nicke und schüttele den Kopf, stets darum bemüht an den richtigen Stellen die richtigen Gesten zu machen. Da fällt der Blick des Hasen auf meine Arbeit, oder besser den überschaubaren Fortschritt dabei. „Was?“, sagt er, „Weiter bist du noch nicht? Was hast du bloß die ganze Zeit gemacht?“  „Das ist mir auch ein Rätsel!“ sage ich und gehe mit gestarteter Heckenschere auf den Hasen zu…….