Kos und Logis…….,Steine im Meer und China am Bein

Ah, Moment, ich hätte ja beinahe China unterschlagen. China ist eines der kleinen Probleme, die ich mit in diesen Urlaub bringe. Als ich meine lange Jeans aus- und eine kurze Hose anzog, wurde mir etwas bewusst. Ich hatte den ganzen Tag schon eine juckende Stelle am linken Unterschenkel. Eigentlich habe ich sie schon seit ein paar Tagen. Ursächlich dafür waren ein halbes Dutzend Mückenstiche, die ziemlich dicht nebeneinander lagen. Aber es waren keine normalen Mückenstiche, die nach ein paar Stunden wieder verschwinden. Es schien fast so, als wenn ein Rudel genmanipulierter Kleinstblutsauger dort eine Art Zielschießen veranstaltet hätte. Schon ein, zwei Tage vor dem Abflug habe ich da andauernd dran rumgekratzt und so verschmolzen die Stiche zu einer Fläche, die sich etwas hart und trocken anfühlte und dabei tierisch juckte.

Ein Problemfeld auf der Haut und mir war klar, dass ich dagegen etwas unternehmen müsste. Ich wollte aber den Hasen nicht beunruhigen. Der Hase ist immer sehr schnell sehr beunruhigt und dramatisiert solche Sachen auch gerne. Also schwieg ich und machte mir einen kleinen Schlachtplan. Punkt 1: Aufhören an der Stelle zu kratzen. Punkt 2: Gegenmaßnahmen ergreifen. An Punkt1 habe ich mich in etwa ganze fünf Minuten halten können. Es juckte einfach zu stark. Also habe ich nur ein ganz klein bisschen gekratzt. Wirklich nicht doll. Es hat kaum geblutet. Das konnte so nicht weiter gehen. Also kam Punkt 2. Als Gegenmaßnahme habe ich ein bisschen Fenistil aufgetragen. Fenistil ist mein Allheilmittel für jede Art von juckendem und brennendem Ausschlag und es hat mich schon manches Mal gerettet. Nur auf Mallorca nicht, aber das ist eine andere Geschichte. Ich entdeckte einen Rest von einer Tube in meinem Rucksack, den ich,,,,hmmmh…..vor Monaten mal benutzt hatte. Wofür auch immer. Seitdem schlummerte das letzte Zipfelchen Salbe dort und brütete eventuell irgendwelche merkwürdigen biochemischen Stoffe aus, die es bis zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nie gegeben hatte.

Und weil ich kein Freund davon bin, Dinge wegzuschmeißen, machte ich mir nicht die Mühe nach einem Haltbarkeitsdatum auf der Tube zu suchen. Wahrscheinlich war es eh so klein geschrieben, dass ich es nicht hätte lesen können. Wird Fenistil überhaupt schlecht, oder ist sowas ewig haltbar? Ich schraubte den Deckel ab, schnupperte an der offenen Tube und hatte weniger Tränen in den Augen, als ich befürchtet hatte. Getreu dem Motto: „Solange man nicht würgen muss, ist das noch gut!“ nahm ich meinen Mut zusammen und trug großflächig Salbe aus dieser Tube auf. Das Gel machte erstaunlicherweise keine würgenden oder schmatzenden Geräusche und auch merkwürdige Dämpfe bildeten sich nicht, als ich es verrieb. Der Juckreiz wurde weniger, aber nur ein wenig. Eigentlich blieb er fast genauso. Also habe ich ihn ausgeblendet und in entfernte Regionen meines Bewusstseins verbannt.

Und jetzt, wo ich auf dem Bett sitze, fällt mir auf, dass ich eigentlich den ganzen Flug über und auch während der Busfahrt andauernd an dieser Stelle herumgekratzt habe. Mal mit dem anderen Bein, mal mit der Hand und manchmal auch mit Möbelstücken, wenn sie Kratzflächen aufwiesen. Es war wie eine Sucht und ich kratzte mehr, je häufiger ich kratzte. Und wie ich nun den Hosenwechsel veranstalte, sehe ich erstaunt, dass aus der blassen Mückenstichfläche ein feuerroter Fleck geworden ist. Er ist ungefähr acht mal sechs Zentimeter groß und seine Umrisse sehen ein bisschen so aus wie China. Ohne die Mongolei allerdings. Es hätte auch Rumänien sein können, oder Ungarn, aber ich glaube China ist optisch schon am dichtesten.

Also sitze ich da, auf dem Bett, habe ein China an den Beinen, das so rot ist, als würde es lichterloh brennen und ich kann mich kaum noch beherrschen, nicht daran zu kratzen. Ehrlich gesagt, mache ich mir fast Sorgen. Brauch ich aber nicht selber machen, denn dafür habe ich ja meinen Hasen. Ein Tag an dem der Hase sich keine Sorgen macht, ist….äh….öh….hmh…also den gibt es nicht. Mein Hase macht sich immer Sorgen. 98% davon natürlich unbegründet, aber so ist sie nun mal. Und deshalb bin ich auch ein bisschen zögerlich, als ich sage:“ Hase, ich glaub wir haben da ein Problem.“ Eigentlich hätte ich es lieber verschwiegen, will ja nicht, dass der Hase sich sorgt. Sie übertreibt dann ja auch gerne beim Besorgtsein. Aber die Fakten sind eindeutig und ich glaube das Teil leuchtet auch im Dunkeln. Schlecht zu verstecken ist es jedenfalls. Und weil der Hase ja immer einen Blick dafür hat, wenn irgendwas nicht ganz richtig ist, wird es ihr spätestens in ein paar Minuten auffallen. Also bleibt mir ja nur die Botschaft auszusprechen. So sanft wie möglich. Aber schon der Tonfall, auch wenn er eher wie ein leise hingehauchtes Summen ist, sorgt für lähmendes Entsetzten beim Hasen und als das Wort Problem auftaucht, schrillen sämtliche Alarmglocken.

Es gibt beim Hasen einen Faktor, der das Verhältnis einer besorgniserregenden Botschaft zu der Anzahl der Wörter in Fäkalsprache pro Minute bestimmt. Zwölf Mal Scheiße in einer Minute lassen auf eine mittlere Katastrophe schließen. Liegt der Faktor bei 18, ist allerhöchste Vorsicht geboten. Alles ab 20 ist Weltuntergang. China an meinem Bein hat das Zeug für eine satte 24. Neben allen Kraftausdrücken ist auch noch Platz für eine fundierte Einschätzung der Lage. Dabei ist kein Horrorszenario zu abstrakt. Wobei die Palette der möglichen Folgen und Maßnahmen von einer Hauttransplantation vom Arsch ans Bein, über eine Amputation des Unterschenkels bis hin zur totalen Metamorphose reicht, in deren Verlauf sich der Ausschlag auf meinen ganzen Körper ausbreitet und ich am Ende von Aliens entführt werde, weil sie mich für einen von ihnen halten.

Der Hase ringt nach Luft. Sie hatte schon im Innersten vermutet, dass irgendwas bei diesem Urlaub irgendwie schief- und aus dem Ruder läuft. Was im ersten Moment nach einer fundierten Prognose klingt, ist auf den zweiten Blick nur die Tatsache, dass der Hase immer das Schlimmste annimmt und selbst dann, wenn alles gut gegangen ist, immer noch skeptisch bleibt, ob da nicht im Nachgang noch ein unerwartetes Unglück auf uns niederprasselt. Nach einem kurzen Gedankenaustausch kann ich mich dann doch beruhigend durchsetzen und wir ringen uns zu der gemeinsamen Annahme durch, dass Fenistil (diesmal aber in frisch, haben wir immer mit auf Reisen) und häufiges Baden im Mittelmeer für eine Heilung ausreichen könnten. „Amputieren können wir dann notfalls ja immer noch“, sage ich und der Hase ist wieder besorgt. Aber wir beschließen trotzdem jetzt endlich mal ins Meer zu gehen.

Unser Hotel ist in einen Hang gebaut und besteht aus einem Haupthaus und einer unübersichtlichen Menge an Bungalows und anderen Gebäuden. Das ist erstens ziemlich weitläufig und zweitens postkartenmäßig hübsch angelegt. Weiße Häuser, grüner Rasen (echter Rasen wohlgemerkt), und kunstvoll zurechtgestutzte Bäume und Büsche. Der Hase steht auf sowas. Hoffentlich muss ich das zu Hause in unserem Garten nicht auch noch machen, also das mit den beschnittenen Büschen. Zwischen all diesen Gebäuden gibt es lauter Wege und Gänge und, da unser Hotel im Hang steht, auch jede Menge Treppen. Wir sind doch einiges an Metern über dem Meeresspiegel gelegen. Wenn wir nun an den Strand wollen, müssen wir im Hotel erstmal zwei Etagen tiefer und dann draußen über die ein oder andere weitere Treppe. Nehme mir vor, die Stufen irgendwann mal zu zählen.

Wir kommen am Pool vorbei. Natürlich auch hübsch zurechtgemacht. Es ist nachmittags gegen drei und da überrascht es nicht, dass hier nicht eine Liege mehr frei ist. Aber wir wollen ja an den Strand. Wenn man schon das Mittelmeer hier hingesetzt hat, dann wollen wir es doch wenigstens auch ansehen, erleben. Also nehmen wir die nächsten und letzten Treppen und gehen runter ans Meer. Der Strand ist steinig, das wussten wir schon im Vorfeld. Deswegen sind wir ja mit Badeschuhen ausgerüstet. Die haben wir schon seit Rhodos vor zwei Jahren, aber wenn wir sie nicht hätten, der Hase wäre vorbereitet gewesen und hätte schon vor Monaten welche besorgt. Im Angebot versteht sich. Zur Not hätte sie auch welche erfunden.

Der Strand ist aber auch ziemlich schmal und der Abschnitt von unserem Hotel ziemlich lang. Aber insgesamt sind da jetzt nicht übermäßig viele Liegen. Überraschenderweise sind aber noch einige frei. Ja geil, das ist doch mal gut. Hatte schon mit der Möglichkeit gerungen, dass wir auf dem steinigen Boden liegen müssten. Was man als junger Mensch vielleicht noch irgendwie lustig findet, ist für mich mittlerweile eine Art Stressfaktor geworden. Vor allem der Gedanke an das Hinlegen und das Aufstehen bereitet mir Sorge. Vorbei sind die Zeiten, in denen man gestreckt gesprungen aus der liegenden zu einer stehenden und hüpfenden Position gekommen ist. Mittlerweile ist schon eine Qual, wenn man flach liegend in die Senkrechte kommen muss. Und da ja jeder ein Handy hat, mit dem er filmen kann, würde es nicht überraschen, wenn man sich bei Youtube als das dicke Monster vom Strand wiederfinden würde. Aber das bleibt mir erspart, denn wir haben Liegen und die sind immerhin etwas höher als der Boden und das reicht mir.

Auch wenn ich nun leichte Bademode trage, ist es immer noch sehr warm hier und mir ist schwitzig. Also wäre ein Sprung in die Fluten genau das Richtige. Die Fluten sind auch da, wenn auch als glattgebügeltes Gewässer. Nur mit dem Sprung da rein, ist es jetzt nicht so leicht, wie ich vielleicht gehofft habe. Was zum einen daran liegt, dass die ersten Meter noch recht flach sind, bevor es dann ansprechend tiefer wird. Das weitaus größere Problem aber sind die Steine. Ich hatte vorher in meinem Leichtsinn gedacht, dass nur der Strand steinig wäre und dass es im Wasser weich und sandig an den Füßen ist. Aber Pustekuchen, der Grund im Wasser besteht nur aus Steinen in allen möglichen Größen und Formen. Die meisten davon sind in der Größe von Fäusten bis hin zu kleinen Kinderköpfen. Dazu gibt es noch viele Kleinformate und richtige Felsplatten, die an manchen Stellen über einen halben Meter höher sind als der Rest des Bodens. Das alles liegt in einem wilden Chaos auf dem Meeresgrund und es gibt keinen Zentimeter an dem man einen guten Stand hat und es sieht absolut scheiße aus, wenn ich hier ins Wasser gehe. Ich stolpere von einem beinahe Umfall zum nächsten, rudere verzweifelt mit den Armen und torkele als hätte ich mindestens dreieinhalb Promille. Schön ist anders, aber wenn ich es genau betrachte, geht es eigentlich allen so.

Der Spaß daran hält sich in Grenzen, aber ich kehre nicht um, weil ich unbedingt die Abkühlung im Meer haben möchte. Nach ein paar Metern bin ich bis zu den Schultern im Wasser, das mich trägt und mich unnatürlich leicht erscheinen lässt. Ich schwebe also beinahe über die Steine. Das Wasser ist angenehm kühl bis halbwegs lauwarm, die Gegend schön und es überkommt mich eine Leichtigkeit (also innerlich in diesem Fall). Das erschreckend schöne und irgendwie auch sehr notwendige Gefühl von Urlaub macht sich breit. Dem Hasen geht es genauso. Ich laufe parallel zum Strand durch das Wasser und der Hase hängt sich an meine Schultern. Ich fühle mich wie eine Lokomotive und der Hase ist der Waggon. Und in meinem Kopf hallt „Tuff tuff tuff, die Eisenbahn“ als Dauerschleife und ich kann mich gerade noch beherrschen und verkneife mir ein Tuuttuut.

Es sind eher wenige Leute im Wasser, was wahrscheinlich mit dem schwierigen Weg dorthin zu tun hat. Aber das stört mich überhaupt nicht. Mir gefällt es, wenn es nicht so überlaufen, oder überschwommen ist. Nachdem unsere Temperatur auf ein angenehmes Level heruntergekühlt ist, stolpern wir aus dem Meer und gehen eine Runde im Pool plantschen. Damit das Salzwasser mal weggespült wird. Auch hier ist es nicht über die Maße voll im Wasser. Wir gehen zu unseren Liegen und während der Hase sich dem Sonnenschein hingibt, nutze ich jeden möglichen Fleck Schatten, den unser Sonnenschirm bietet. Auch wenn ich noch nicht so ganz richtig angekommen bin, gefällt es mir am Strand und ich bekomme langsam einen Blick für die schöne Umgebung. Hinter unserem Hotel ist ein Berg, der nicht zu steil ist und eigentlich dazu einlädt, doch einmal hoch zu steigen. Aber die 34°C, die sich ja noch wärmer anfühlen sind genügend Argumente dagegen. Aber schön anzusehen ist er schon. Und wenn man übers Meer blickt, ist in ein paar Kilometern Entfernung (ich denke mal so drei bis vier Kilometer sind es doch) ein Bergmassiv einer anderen Insel zu sehen. Wie auch in weiterer Ferne noch mehr Inseln über den halben Horizont verteilt zu sehen sind.

Wir kriegen Durst und ich habe gesehen, dass in der Nähe vom Pool eine Bar vom Hotel ist, die auch Getränke für den Strand anbietet. Wenn ich nur nicht so platt und stinkend faul wäre, würde ich jetzt losgehen und dem Hasen und mir mal was zu trinken holen. Just in diesem Moment wird ein Schatten auf mich geworfen. Und der Schatten spricht. „Do you want to have something to drink?“ Seltsam, ein Schatten der Englisch spricht. Sowas hat man auch nicht alle Tage. Na gut, eigentlich spricht nicht der Schatten, sondern die nette junge Dame, zu der er gehört. Sie ist hell gekleidet, trägt eine Art Schürze in rot und auf dem Kopf eine Schirmmütze ohne Mütze. Also nur den Schirm vor der Stirn. Da gibt es mit Sicherheit einen Fachbegriff für diese Art Mützenschirm, aber den kenne ich nicht. Jedenfalls ist die junge Dame vom Hotel angestellt worden, um den Leuten am Strand Getränke zu bringen. Es ist mir beinahe unheimlich. Man will mit aller Macht erreichen, dass es mir gut geht. Wir bestellen uns auf Englisch eine Cola für mich und ein sparkling Water für den Hasen.

Es dauert keine drei Sekunden, bis sie rauskriegt, dass wir keine Engländer sind. Was hat uns nur verraten? Der Akzent? Die Tatsache, dass wir eigentlich so rein gar nicht Englisch sprechen? Wir geben uns als Deutsche zu erkennen und sie sagt, dass sie: „ein biesschen Deutz sprickt.“ Was aller Wahrscheinlichkeit nach wesentlich umfangreicher ist, als unser Englischwortschatz. Sie lächelt, ist ausgenommen freundlich und sie lächelt immer noch, als sie unsere Getränke bringt. In meiner Cola sind drei Eiswürfel. Habe ich schon erwähnt, wie gut ich es finde, wenn Eiswürfel in meiner Cola sind? Und dann wird einem das noch an den Strand gebracht. Alles was recht ist, aber das ist schon wirklich toll. Sowas kennt man sonst ja nur vom Fernsehen. Für mich ist das wieder einmal Luxus pur und es würde mich nicht überraschen, wenn es einen Service vom Hotel gäbe, bei dem man vom Strand bis auf sein Zimmer getragen wird. Auf einer Sänfte, versteht sich. So geht Besänftigung. Aber angesichts meiner Ausmaße wäre der Personalaufwand dann wohl doch zu groß.

Wie dem auch sei, wir beenden unser erstes Strandintermezzo und sind langsam hungrig. Wir gehen all diese Treppen wieder hoch zum Hotel, wo wir für die letzten beiden Etagen den Fahrstuhl nehmen. Es gib wirklich nur den einen und der ist auch nicht besonders groß. Er scheint ziemlich alt zu sein und riecht irgendwie muffig nach altem Teppich und Schmierfett. Wenn man in ihn einsteigen will, muss man manuell eine Tür öffnen, von innen gibt es dann zusätzlich eine elektrische Schiebetür. Die Fahrstuhlfahrt ist dann unspektakulär und zügig. Wir gehen zu unserem Zimmer und auf dem Flur sind entweder Fenster oder ein kleiner Balkon mit ein paar irrsinnig gemütlichen Sitzgelegenheiten, die alle eine phantastische Aussicht haben. Es gibt sie einfach überall. Auch von unserem Balkon ist der Blick einmalig. Es ist nicht ganz Bötersen hier, aber es ist trotzdem sehr schön.

Frisch geduscht und ansprechend gekleidet (also keine weißen Kniestrümpfe in Sandalen bei mir), gehen wir zum Abendessen. Um größeren Andrang zu vermeiden, hat man das System gefunden, die Abendessenden in zwei Gruppen aufzuteilen. Die erste Gruppe kann um 18.30 Uhr anfangen und die zweite dann so bei 20.15 Uhr rum. Wir haben uns für die erste Gruppe entschieden und sind dann, selbstverständlich versteht sich, schon um 18.25 Uhr vor dem Eingang. Der ist noch verschlossen. Innen sieht man die Mitarbeiter an einem langen Tisch versammelt und es macht keiner die Anstalten aufzustehen und die Tür zu öffnen. Es wird 18.30 Uhr und nichts passiert. So langsam kommen mehr Leute hinzu, alle hungrig, wie mir scheint. 18.35 Uhr, es wird Licht eingeschaltet. 18.36 Uhr, eine leise Musik ertönt aus unsichtbaren Lautsprechern. 18.38 Uhr, mein Magen ist lauter als die Musik und ich möchte essen. Ich wäre dann so weit. 18.39 Uhr, einer der Angestellten, ein auffallend kleinwüchsiger Mann kommt und schließt die Tür auf. Die innerlich aufgebrachte Menge strömt zur Tür rein und geht zielstrebig auf die eingedeckten Tische zu.

Der Mann scheint der Chef vom Personal zu sein und es scheint auch, dass er bestimmt, wann die Tür geöffnet wird. Warum das nun so lange rausgezögert wird, ist nicht ersichtlich und ich verbuche das als ein Zeichen südländischer Mentalität. Wir sitzen wieder draußen am Rand des Speisebereichs mit dem tollen Ausblick und warten darauf, dass wir ein Getränk bestellen können und gehen zum Buffet. Ich bin kein Gourmet oder ein Kenner der gehobenen Küche, aber ich denke schon, dass ich erkenne, wenn etwas gut ist und gut schmeckt. Und für meine Ansprüche ist das alles der Hammer. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll. Ich esse Dinge, die ich vorher nie gesehen habe, Gemüse das teilweise fremdartig wirkt und jedes Meerestier, was mir hier vor die Flinte läuft. Und dann gebe ich im Anschluss noch meine sonstige Weigerung auf und esse sogar Deserts. Die holt der Hase auf einem Teller und wir teilen uns alles was sie auftischt. Alle lecker, ausnahmslos! Wie glücklich mich doch gutes Essen in schöner Umgebung machen kann.

Vom Speisesaal geht es direkt in die nächste Bar, einen Cocktail trinken. Da haben wir in der Vergangenheit auch so unsere Erfahrungen gemacht. Die Cocktails, die im All In Preis enthalten sind, müssen nicht zwingend lecker sein. Teilweise waren es irgendwelche milchig, sahnigen Flüssigkeiten, die aus einem merkwürdigen Hahn kamen und mit einer Handvoll Crushed Eis serviert wurden. Manche schmeckten wie eine Art Antibiotikum und sie leuchteten neonfarben. Wenn man vernünftige Cocktails haben wollte, musste man die extra bezahlen. Für mich als passionierter Biertrinker nicht so wild, weil es immer ein heimisches Bier gezapft gab und das schmeckte gar nicht mal so übel. Also bestellen wir an der Bar einen Cocktail für den Hasen und ein Bier für mich. Und wir bereiten uns auf Schlimmes vor. Aber zumindest der Anfang scheint so schlecht nicht zu sein, denn der Drink wird wirklich und in echt aus verschiedenen Komponenten gemixt und erweckt den Eindruck doch nicht so übel zu sein. Ist er dann auch wirklich nicht. Erleichterung macht sich breit.

Zum Hotel gehört auch ein kleiner Supermarkt, ein paar Meter weiter und vor allem auch ein paar Meter höher von unserem Haupthaus entfernt. Da gehen wir nun hin, um ein bisschen sparkling Water für die Nacht zu kaufen. Und dann noch ein paar Postkarten. Drei, um genau zu sein. Drei Postkarten, mit Briefmarken und eine anderthalb Liter Flasche Wasser, was für ein Umsatz. Der Laden könnte eigentlich für den Rest des Abends zumachen, was soll da noch kommen. Wir schlendern noch über das weitläufige Hotelgelände und landen an einer anderen Bar auf dem anderen Ende. Urgemütlich das Teil. Eine Art Carport mit Strohdach und dem Tresen darunter und ein paar Barhockern davor. Dazu ein größerer Bereich einer mit Holz beplankten Terrasse in sehr groß, auf der einige Sitzmöbel und eine Reihe von Freiluftbetten mit Dach und Seitenwänden aus Stoff stehen.

Auf einer Art Sofagarnitur mit Sessel, die so ähnlich sind, wie diese Sitzsäcke, die es mal vor ein paar Jahren gab, kommen wir zum Sitzen. Mit Cocktails in der Hand (ja auch für mich), die noch besser sind, als an der anderen Bar, sitzen wir hier, es läuft ruhige Musik im Hintergrund und wir blicken versonnen auf das Meer während der Himmel so langsam dunkel wird. Am Horizont, oder besser hinter den Bergen der anderen Insel geht ein Teilmond auf. Und wie immer stelle ich mir die Frage, ist es ein abnehmender oder ein zunehmender Mond? Das habe ich nie begriffen, obwohl man es mir schon ein paar tausend Mal erklärt hat. Zunehmend ist er, sagt der Hase und erklärt es mir mal wieder, warum es so ist. Und ich begreife es. Für den Moment zumindest und ich weiß, dass ich das Ganze wieder vergessen werde. Schneller als der Kuckuck kuckuck schreit.

Wir sind platt und verwirrt von all den vielen Eindrücken des ersten Tages und wir gehen ins Bett. Es ist immer noch sehr warm und die Klimaanlage scheint nicht gegen die Wärme anzukommen. Nicht gewohnt bei großer Hitze zu schlafen, wälzen wir uns hin und her und werden immer müder und erschöpfter. Für einen Moment schlafe ich ein. Ich werde wach, weil mein Hase aufgesprungen ist. Sie kriegt Beklemmungen von der warmen stickigen Luft, weswegen sie auf den Balkon geht. Dort ist es aber noch wärmer und stickiger. Sie scheint schlecht Luft zu kriegen, legt den Kopf in den Nacken und sagt: “ Ich glaube ich sterbe!“ Das Bild erinnert mich fatal an den denkwürdigen Sambuccaabend, als wir beide uns versehentlich betranken und dem Hasen so übel war, dass sie mit dem Kopf im Nacken an der Terrassentür stand und sagte: „Ich glaub ich sterbe!“ Wie sich die Bilder doch ähneln. Mir selbst geht es aber auch nicht viel besser. Vielleicht sterbe ich nicht gleich, aber ich fühle mich elend. Keine Frage, so schön das alles hier auch ist, aber wir müssen der Wahrheit ins Gesicht sehen: Wir haben noch acht Nächte vor uns (oder sind es sieben?), doch wir wissen jetzt, dass wir es hier nicht einen Tag länger aushalten werden. Wir werden uns um einen Flug kümmern müssen und der ganze Urlaub ist verpulvert. Was ein Scheiß. Wir gehen ins Zimmer, legen uns hin und die Klimaanlage wummert monoton vor sich hin.