Kos und Logis….Retourkutsche

Rosmarin! Wir entdecken Rosmarin. Naja, eigentlich entdeckt der Hase ihn. „Guck mal hier wächst Rosmarin“, sagt der Hase. Und ich sage: „Ich dachte der wächst auf Kartoffeln.“ Der Hase verdreht die Augen. Wir befinden uns gerade irgendwo im Nirgendwo auf der Insel Kos. Naja, nicht ganz, denn vor uns ist die Einfahrt zu diesem tollen, schicken Hotel, das in diesem Nichts, rundum eingezäunt, eingerahmt von einer Art Steppenlandschaft mit viel vertrocknetem Gras, und, naja sonst Nichts, steht. Fremdartig wie ein auf die Erde gefallener Meteor steht es inmitten pfurztrockener Trostlosigkeit und eine einsame Straße führt hierher.

Wir sind nicht zufällig hier, denn in diesem Hotel hat eine Freundin vom Hasen schon mal einen Urlaub (oder waren es mehrere?) verbracht. Und weil sie so geschwärmt hatte, wollte der Hase einfach mal einen Blick drauf werfen. Und da wir heute unseren „Wir bereisen mal die Insel“- Tag haben und weil wir uns dafür ein Auto gemietet haben, ist es eines der Ziele, die wir ansteuern wollen. Aber das Ganze ist nicht so leicht zu erreichen. Man kommt hin, aber nicht rein. Es gibt eine Art Einfahrtstor mit Schranke (wirklich eine echte Schranke) und so parken wir auf einem kleinen Parkplatz, der so trostlos ist, dass er nicht mal trockenes Gras hat und sich in direkter Nähe zum Eingang befindet. Wahrscheinlich dürfen hier die Angestellten des Hotels parken und wir (hoffe ich). Der Plan ist, einfach mal zu Fuß reinzugehen.

Der Abenteurer in mir hat kurz mit dem Gedanken gespielt mit unserem kleinen Mietwagen die Schranke zu durchbrechen und direkt bis zum Eingang zu fahren. Aber wahrscheinlich wäre dann eine hoteleigene mobile Einsatztruppe gekommen und man hätte uns zur griechischen Version von Guantanamo gebracht und uns mit Modern Talking in Dauerschleife gefoltert. Musicboarding! Ein Gedankengang, der mir Angst macht und deswegen parke ich doch lieber bei den Angestellten. Wir gehen also zu Fuß in Richtung Einfahrtstor von Fort Knox, da entdeckt der Hase zufällig, dass am Wegesrand, allerdings schon zum Hotelgelände gehörend, Rosmarin wächst. Echter Rosmarin! Halleluja! Der Wahnsinn! Dass ich das noch erleben darf! Ich bin von den Socken. Wo sind nur die Kartoffeln?

Und wie es so ist, mit dem Hasen, egal wo auf der Welt man mit ihr ist, sie kennt entweder irgendwen, oder aber sie lernt irgendwen kennen. Wir waren vor vielen Jahren einmal in Südfrankreich. An der Atlantikküste und ich fand es wunderbar, dass wir rund 1.700km von zu Hause weg waren. Einfach mal irgendwo sein, wo man niemanden kennt. Und wir fuhren damals ein bisschen durch die Gegend und machten auf einem Parkplatz an einer Landstraße Halt. Und was sehen wir da? Ein Auto aus unserem Landkreis. Das war für mich schon ein kleines Wunder. Wir stiegen aus und die Leute, denen das andere Auto gehörte kamen gerade zurück, wollten einsteigen und der Hase fängt an sie zu begrüßen. 1.700km weg von zu Hause und dann auf irgendeinem Parkplatz in den Wicken und sie kennt die Leute, die da auch parken. Ich fasste es nicht. Wahrscheinlich, wenn es möglich wäre auf den Mond zu fliegen, wäre das genauso.

Hier und heute kennt sie allerdings niemanden. Noch nicht. Das kann beim Hasen ja schnell gehen. Da reicht schonmal ein bisschen Rosmarin, der am Wegesrand wächst und den ein Mann auch schon entdeckt hat und der diese Entdeckung bis jetzt noch mit niemandem teilen konnte und sich freut, endlich eine verwandte Seele gefunden zu haben und der auf sie zugeht und sie anspricht und sich mit ihr unterhält, wortreich und innig und schon sind sie die allerbesten Freunde. Ein ihr ebenso wie mir fremder Mann (in etwa in unserem Alter), der gerade mit seinem Lebensgefährten in diesem abgeriegelten Luxushotel wohnt und auf einen Bus für eine Tour in die nächstgrößere Ortschaft wartet. Es dauert keine sechsundzwanzig Sekunden und sie reden miteinander, als ob sie sich schon ewig kennen und hocherfreut sind, sich hier zu treffen. Der nicht in die Unterhaltung involvierte Lebensgefährte, der uns ebenso fremd ist, wie wir ihm, und ich, der ich ebenso wenig involviert bin, versuchen ein paar Brocken Smalltalk, aber das ist nicht so meine Kernkompetenz. Seine übrigens auch nicht. Wir haben jeweils einen Partner, der dafür zuständig ist.

Nachdem der Hase in ihrer unnachahmlichen Weise (sie hat manchmal so etwas Verhörendes, wenn man mit ihr spricht) die wichtigsten Daten herausbekommen hat, weiß sie zum Beispiel, dass die beiden hier für drei Wochen eingecheckt haben, weil der eine Mann, also der mit dem der Hase beinahe schon Brüderschaft getrunken hat, eine vermögende Mutter hat und sie erfährt wie toll das Hotel ist und wo es in Kos Stadt das beste griechische Restaurant gibt.

Aber wir wollen ja weiter. Also verabschieden wir uns höflich von den beiden (ja, ich bin auch höflich) und gehen zu Fuß auf das abgeriegelte Hotelgelände. Das heißt, wir wollen es eigentlich, denn noch bevor wir (ganz ohne terroristischen Hintergrund) einen Fuß auf den Hochsicherheitstrakt setzen können, kommt der Pförtner (ich hoffe, dass ich seinen Titel richtig benenne) aus seinem Pförtnerhäuschen und sagt uns (sehr höflich übrigens), dass wir nicht reinkommen. Es täte ihm leid, aber der Zugang sei nur für Gäste und Angestellte des Hotels gestattet.

Folgsam wie ich bin, mache ich auf dem Absatz kehrt und will wieder zum Wagen. Wir haben es versucht und sind gescheitert. Na und? Ist doch nicht so wild. Der Hase allerdings, lässt sich nicht so leicht abwimmeln und erklärt dem machtvollen Schrankenwärter, dass wir nur mal einen Blick werfen wollten, weil ihre Freundin so von dem Hotel geschwärmt hat. Aber der Rambo der Einfahrtskontrolle hat ein Herz aus Stein und lässt uns nicht rein. (Reimt sich sogar ein bisschen)…..Da kommt der neue beste Freund vom Hasen (ja, Herr Rosmarin) hinzu. Offensichtlich kennt der den Pförtner und sagt ihm, dass wir (also der Hase und ich) gute Freunde von ihm (Rosmarin) und seinem Lebensgefährten (dem Rosmarin sein Mann) sind und wir einfach nur mal einen Blick ins Hotel werfen wollten. Der Beschrankte sagt dass es im sorry tut, aber er kann da nichts machen.

Folgsam wie ich bin (immer noch, ich kann einfach nicht anders), gehe ich in Richtung Auto und die beiden neuen Freunde begleiten den Hasen und mich ein bisschen. Es ist mir auch ein Stück weit unangenehm, dass hier so viel Aufhebens gemacht wird. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie der Pförtner telefoniert. Kurz darauf kommt er heraus, sagt „Excuse me“, und er hätte uns angemeldet und wir sollen zur Rezeption gehen, dort würde man uns erwarten und eine Angestellte des Hotels würde uns dann ein wenig herumführen. Wir bedanken uns bei unseren neuen Freunden für den Einsatz und beim Pförtner für die Mühen und gehen zum Hoteleingang. Mir ist nicht ganz wohl. Dass wir an der Rezeption erwartet werden, schüchtert mich ein. Es ist einfach zu viel Aufwand für einmal kurz gucken.

Wir gehen rein und ich denke ; “ Heilige Scheiße!“ Zumindest würde ich es am liebsten denken, aber das Ganze hier ist derart nobel, dass ich mir nicht mal erlaube Kraftausdrücke zu denken. Also denke ich „Grundgütiger! Wo sind wir denn hier gelandet?“ Ich bin erschlagen von der Größe der Eingangshalle und ihrer mondänen Ausführung und von der riesengroßen Rezeption (heißt sowas hier auch Rezeption?) von den „wie aus dem Ei gepellten“ Angestellten, die hier überall umherschwirren und von den vielen anderen Eindrücken die auf mich einprasseln. Eine im Buisiness Dresscode gekleidete junge Dame (eine von den gepellten) kommt auf uns zu.

Fatalerweise sind wir hier gelinde gesagt underdressed. Wir waren nicht auf sowas vorbereitet. Wir wollten touristenmäßig die Insel erkunden und haben, der sommerlichen Witterung angepasst, eher sowas wie Strandklamotten an. Wir sind die Eheleute Heinz und Berta Kalupke auf Tour. Eben noch im Schrebergarten, jetzt schon auf der Showbühne. Mir fehlen noch weiße Kniestrümpfe zu den Sandalen und ein kariertes Hemd mit beiger Weste, dann wäre ich das Abziehbild vom typischen deutschen Rentnertouristen. Die Haarfarbe und der Bauchumfang jedenfalls sind passend.

Wahrscheinlich hält man uns für spleenige Millionäre oder sowas, ich fühle mich jedenfalls wie jemand der im Imbiss eine Currywurst essen wollte und zufällig durch die falsche Tür gegangen ist und nun ein Steak mit Blattgold serviert kriegt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir angestarrt werden von all den anderen Hotelgästen, die hier das schöne Leben genießen wollen und es hätte sie wahrscheinlich nicht gewundert, wenn wir unser Hab und Gut in zwei ALDI Tüten bei uns trügen. Wahrscheinlich denkt auch manch einer, dass wir hier das Tafelsilber klauen wollen. Mich beschleicht ein Gefühl des Andersseins an diesem Ort. Ich bin Jack Dawson aus der dritten Klasse der Titanic, der zum Festmahl in die erste Klasse gekommen ist.

Jedenfalls kommt die gedresste junge Dame zu uns und lädt uns auf Englisch zu einem kleinen Rundgang ein. Sie ist Vollprofi und selbst mein Anblick kann sie nicht erschüttern und sie ist und bleibt absolut freundlich und erklärt uns ein paar Dinge und wir, die wir nur rudimentär Englisch sprechen, versuchen zu erklären, warum wir hier sind. Ja, warum eigentlich? Genau, wir wollten nur einmal kurz reingucken. Hamwer nun auch getan, denke ich und möchte wieder umdrehen und raus. Bei kurz gucken sollte man das Wort „kurz“ ein bisschen mehr betonen, denke ich. Aber man will ja nicht unhöflich sein, wenn sie sich schon so viel Mühe gibt. Und so bewundern wir für die nächsten Minuten, die mir wie Stunden vorkommen, das wirklich bewundernswerte Hotel. Und es ist mir selten deutlicher geworden, was ich doch für ein Landei bin. Was nicht schlimm ist, ich bin gerne ein Landei.

Das Hotel ist Granate….es gibt einen langgezogenen Pool, der märchenhaft schön wirkt und zu beiden Längsseiten sind die Flügel des Hotels und es gibt dort Zimmer oder Appartements mit eigenem Zugang zu diesem Pool. Wir befinden uns stirnseitig im Hauptgebäude und blicken ehrfurchtsvoll hinunter auf diesen Garten Eden und ich denke, dass ich auf Schlangen achten und möglichst keinen Apfel essen sollte. In weiter Ferne, am Ende des Hotelgeländes gibt es einen Ausgang (ich glaube ohne bewaffnetes Wachpersonal) über den man an eine große Straße kommt und wenn man über diese geht, erreicht man den traumhaft schönen (was auch sonst) Strandabschnitt, der zu diesem Hotel gehört.

Unser Guide, oder die Guidin erklärt uns hochmotiviert, was das Hotel alles so zu bieten hat und wir lehnen höflich das Angebot ab, auch mal einen Blick in ein Zimmer zu werfen. Man will ja keine Gäste bei was auch immer stören. Ich glaube, wir hätten nur fragen müssen, und sie würde uns in jeden Winkel des Hotels bringen. Ich sag ja, die halten uns für getarnte Millionäre. Wir bedanken uns vielmals und gehen wieder unserer Wege. Ich bin in meinem Innersten ein Vertreter der Arbeiterklasse und Luxus kommt mir immer sehr suspekt vor. Eigentlich lehne ich ihn ab, es sei denn ich könnte ihn haben. Man ist ja irgendwie immer auch ein bisschen bestechlich und man könnte mich gerne bestechen, hier mal zu urlauben. Momentan warte ich noch auf Angebote.

Wir treten wieder in die Außenwelt, zurück zum vertrockneten Gras und dem kleinen Auto, das wir uns gemietet haben und das uns nun noch ein bisschen weiter über die Insel bringen wird. Und wenn man es mal ein bisschen vereinfacht betrachtet, sehen sich die Inseln im Mittelmeer (zumindest die auf denen ich war) alle ziemlich ähnlich und haben bergige Landschaften und Küstenabschnitte, die einen vergessen lassen, dass man eigentlich atmen sollte, weil sie so schön sind. Und natürlich kann man sich auch fragen, warum man dann immer wieder auf so einer Insel landet und immer wieder über so eine Insel fährt. Wird das nicht irgendwie langweilig? Nein, wird es nicht. Ich war schon sehr oft in Döse an der Nordsee und habe an immer denselben Strand gestanden und gelegen und bin über immer dasselbe Watt so weit hinausgegangen, bis man eigentlich ganz alleine war und das war auch nie langweilig. Und ich liebe Döse, aber so eine Mittelmeerinsel ist dann doch ein ganz anderes Kaliber.

Der Trip mit dem Auto verläuft eigentlich so wie erwartet, mit zwei kleinen Besonderheiten. Zum einen sind wir auf einem Friedhof. Der liegt etwas außerhalb einer Stadt gut hundert Meter über dem Meeresspiegel und in einem leichten Hang angelegt. Er sah so anders aus als alle Friedhöfe, die ich bisher kannte. Keine grünen Flächen, dafür große Grabplatten mit aufwändigen Grabsteinen mit kleinen Glasvitrinen, die auf ihnen stehen und in denen Fotos der Verstorbenen waren. Außerdem ein paar Kerzen und kleine Beigaben, oder auch Texte, die die Toten charakterisierten. Würde mir gefallen so für mich und als Beigaben hätte ich dann gerne eine Flasche Bier und eine Frikadelle, oder sowas.

Die andere Besonderheit betrifft das Mittagessen. Es ist ja so, dass wir All Inclusive haben und da kriegen wir so oft zu Essen, wie wir wollen. Was natürlich verhindert, dass man sich mit der einheimischen Gastronomie vertraut macht. Ein etwas blöder Nebeneffekt. Und wenn wir in der Vergangenheit so eine Tagestour gemacht haben, dann wurde ich spätestens zum Mittag hungrig und tat das auch immer kund. Der Hase aber, der ungern mehr Geld ausgibt, als notwendig, wollte dann lieber solange warten, bis wir beim Hotel sind. Das führte dazu, dass wir auf Rhodos am etwas späteren Nachmittag in einer Art Taverne/Imbiss ein paar Pommes und Tzatziki zu uns nahmen. War echt lecker, aber erstens zu spät und zweitens zu wenig.

Auf Mallorca scheiterte eine geregelte Mahlzeit an unserer nicht vorhandenen Ortskenntnis. Keiner konnte sagen, wo die nächste gute Speisegelegenheit gewesen wäre. Also hielten wir bei einem LIDL (!!!) an und holten etwas aus dem Backshop dort und ein paar merkwürdige Getränke dazu. Ich fand das damals ziemlich öde in einem LIDL zu sein. Es zerstörte ein bisschen mein Bild von den Spaniern. Ich dachte immer, die kaufen ihre Sachen auf Wochenmärkten und alles ist so frisch und so nachhaltig produziert. Aber der Spanier ist auch nur ein Mensch und warum sollte er besser sein, als die vielen Millionen Deutschen, die hier Urlaub machten? Außerdem war das gebackene Zeug das genaue Gegenteil von lecker und der komische Saft, den ich mir ausgesucht hatte (eine grünliche Brühe aus der gefühlt Blitze zuckten) schwappte noch stundenlang im Magen hoch und runter. Ich glaube dieses „Getränk“ kann die DNA eines Menschen verändern.

Aber diesmal, auf der wunderschönen Insel Kos soll es anders sein. Der Hase sagt: „Wir können ja unterwegs mal sehen, wo wir ein nettes Lokal finden.“ Ich bin beinahe ein bisschen traurig, dass ich keine grünliche Saftpampe mit pappigen und labbrigen Gebäckteilen kriegen werde. Wir fahren über eine ziemlich steile Straße mit einigen steilen Schotterpassagen zu einer malerischen Bucht herunter. Ich vermute, es sind mindestens 70, 80 Meter, die wir runter müssen und die Straße ist steil und die Kurven sind scharf und es fühlt sich ein bisschen an, als würde man in der wilden Maus sitzen. Unten angekommen ist alles sogar noch schöner als von oben betrachtet und zu allem Überfluss befindet sich hier auch noch ein malerisches Lokal/Restaurant mit einem schönen und großen Außenbereich.

Und hier gehen wir essen. Und so schön unser Hotel auch ist und so lecker da auch alles schmeckt, hier auf dieser schönen und großen Restaurantterrasse zu sitzen ist einfach unschlagbar. Das Essen ist gut und nicht überteuert und ich habe das Gefühl, als wenn ich erst jetzt richtig auf dieser Insel angekommen bin. Ich glaube dem Hasen geht es ähnlich. Spätestens hier sind all meine Alltagssorgen und die Erschöpfung, die ich von zu Hause mitgebracht habe, vorbei. Und so geht dieser Tag auch weiter. Und wieder im Hotel angekommen, kann ich das alles viel mehr genießen und am nächsten Tag werde ich trübsinnig.

Was zum einen damit zusammenhängt, dass der Hase sich eine Erkältung aufgesackt hat. Eine echte Erkältung! Da fliegt man im Hochsommer in die so ziemlich wärmste Region Europas und der Hase erkältet sich. Jetzt nicht sehr schlimm, aber schon einschränkend. Die andere Sache, die mich trübsinnig werden lässt, ist die Tatsache, dass es mir gerade so sehr gut gefällt. Genaugenommen macht es mich ein bisschen melancholisch, dass es eigentlich schon wieder vorbei ist. Nicht ganz zwar, schließlich haben wir erst Halbzeit, aber das Ende ist sichtbar. Ich kann abzählen, wie oft, wir noch essen werden, an den Strand kommen, ins Mittelmeer gehen, „Ah die Deutzen“ uns mit Getränken am Strand versorgt und wie viele Abende uns noch verbleiben, um in unserer Lieblingsbar verträumt aufs Wasser zu starren. Und man kann es teilweise an einer Hand abzählen.

Die schönen Dinge gehen einfach immer zu schnell vorbei. Da rast die Zeit wie ein ICE, wenn die Lokführer nicht gerade streiken. Und ich finde es bedauerlich, dass es noch schneller geht, wenn es schöner ist. Warum kann das nicht auch mal andersrum sein? Warum kann die Zeit keine Geschwindigkeitsrekorde bei so schönen Dingen wie der Steuererklärung machen? Warum rast sie nicht bei urologischen Untersuchungen und in Wartezimmern von Ärzten aller Art? Das Leben ist einfach ungerecht und auch das Leben selbst rast an einem vorbei. Es gibt Stimmen, die behaupten, dass ich schon beinahe 57 Jahre alt bin. Das ist gefühlt schon 60 und man kann die 70 schon sehen. Wo ist er hin, der junge Mann, der ich einst war?

Die deutlich ältere Version dieses jungen Mannes bläst gerade Trübsal, obwohl es eigentlich doch sehr schön ist, wo er ist. Ich kann mich aber wieder aus dem tiefen Tal herausziehen und gehe dazu über, wieder alles zu genießen. Es sind ja schließlich noch ein paar Tage. Ungefähr genauso viele Tage, wie wir schon hier sind und die waren ja auch mindestens 24 Stunden lang. Also was soll die Miesmacherei? Es bleibt doch noch so viel Zeit. Und ich lege mich hin und gefühlt blinzele ich dreimal und schwupp, da sind wir auch schon wieder auf dem Flughafen. Wusst ichs doch, die Zeit bescheißt. Noch ein bisschen mehr Schwupp und wir sind zu Hause und die Urlaubsbräune, die ich eigentlich nicht haben wollte, die sich aber auf meiner Haut durchgesetzt hat, verschwindet täglich mehr. Und ja, zu Hause ist auch schön und auch der eigene Rasen ist mal ein netter Anblick. Aber komischerweise liegt man hier nie in einem Liegestuhl und genießt den Tag. Ja, warum eigentlich nicht? Und wo ist „Ah die Deutzen“, wenn man sie mal braucht?