Kos und Logis…..Ahh, die Deutzen

Sie wummert nicht nur, die Klimaanlage, nein, sie arbeitet sogar manchmal, erstaunlicherweise. In den frühen Morgenstunden zum Ende der ersten Nacht hat sie ein Einsehen und macht das, was eine Klimaanlage in einem warmen Klima eigentlich machen soll. Sie kühlt den Raum. Und das macht sie dann ganz plötzlich und unerwartet und wir können doch noch einschlafen, kurz, tief und traumlos. Wir erwachen ein paar kurze Stunden später und sind natürlich noch nicht erholt, aber es geht uns besser. Keine Rede mehr davon, dass irgendwer von uns an Ort und Stelle sterben würde. Natürlich bleiben wir hier. Wer wollte noch den Urlaub abbrechen? Keine Ahnung. Wir jedenfalls nicht, denn wir gehen nun frühstücken.

Mit dem Frühstück in derlei Hotels ist das für mich immer so eine Sache. Ich bin eh nicht so der Mensch, der früh am Morgen schon einen Magen hat. Der liegt eigentlich noch im Bett und somit brauche ich eigentlich auch nicht frühstücken. Das Frühstück ist einfach überbewertet. Aber ich gebe mir einen Ruck und gehe mit dem Hasen nach unten, wo wir mit düdeliger Smooth Jazz Musik empfangen werden. Das mit der Musik ist in all diesen Hotels, in denen ich bisher gewesen bin, gleich. Aber heute nehme ich keine Notiz davon, denn ich habe erstaunlicherweise Hunger. Und wie immer in diesen Hotels ist das Frühstück recht reichlich, aber für mich ist irgendwie nicht viel dabei.

Eigentlich geht ja Rührei immer, aber es scheint im Mittelmeerraum weit verbreitet zu sein, dass die Konsistenz des gerührten Hühnerproduktes die gekochten Eiters sein müsste. Ich vermute jedenfalls das gekochter Eiter so eine Konsistenz haben könnte. Probiert habe ich ihn noch nie. Aber das was man hier und in den anderen All In Hotels im Mittelmeerraum (zumindest in denen, die ich kenne) Rührei nennt ist ein labbriges Etwas, das man notfalls auch mit dem Strohhalm essen könnte. Ich bin dann sonst immer in der Vergangenheit auf Omelette umgestiegen. Das mache ich hier auch. Aber so sehr alles gestern mittags und abends auch geschmeckt hat, das Omelette ist nicht lecker. Es ist eigentlich irgendwie gar nicht. Man erkennt den Augenblick, an dem es im Mund ist, kaum, weil es so fad ist. Ich dachte zuerst, ich hätte auf eine Serviette oder dergleichen gebissen. Also das Omelette ist sehr nüchtern und fällt somit als Alternative aus. Lustlos lade ich mir ein paar geschmorte Gemüsestücke auf den Teller von denen mir auch nur die Hälfte schmeckt. Was nicht an der Zubereitung liegt, sondern einfach nur daran, dass es nicht immer so mein Fall ist.

Ich trinke plörrigen Saft, der angeblich nach Ananas schmecken soll und bringe das Frühstück irgendwie hinter mich. Ich mag ja auch keinen Kaffee. Überhaupt keinen! Schon häufig musste ich mich deswegen erklären und es ist auch sicherlich einer der Gründe, dass ich als Frühstücker so eine Niete bin. Der Hase hat Latte Macchiato und alles Mögliche an Leckereien auf dem Teller. Sie ist einfach ein Frühstücksmensch. Es sieht bei ihr auch irgendwie alles besser aus auf dem Teller. Nicht so lustlos draufgepampt wie bei mir. Also wenn das Frühstück nicht so optimal für mich ist, muss ich aber gestehen, dass es auch ziemlich an meiner Einstellung ihm gegenüber liegt. Man gibt sich hier schon Mühe, dass es schön ist und aussieht und es gibt wahrscheinlich auch viele schöne Dinge, die schmecken. Eigentlich ist es doch so, wenn man der Sache offen gegenüber steht, dann öffnet sie sich auch. Ich habe einfach ein mieses Frühstückskarma. Geduldig sehe ich dem Hasen zu, wie sie sich noch einen Latte bestellt, sich Brötchen schmiert, Obst isst, das so makellos aussieht, als wäre es extra designt worden. Also, so kann es eben auch sein, wenn man sich dann wirklich dafür öffnet. Ich öffne mich lieber zu späteren Mahlzeiten. Da habe ich dann auch mehr Platz im Bauch. Ich bringe das Frühstück irgendwie hinter mich, während der Hase es genießt und dann gehts rauf aufs Zimmer. Mal sehen, wie es heute weiter geht.

Eigentlich ist der Hase jemand, der gerne einen Plan hat. Also so in der Art, wenn wir schon einen Tag gestalten wollen, dann wäre es doch am Besten zu wissen, was man wann macht und am liebsten wüsste sie auch vorher schon, wie es sich anfühlt. Das muss nicht auf die letzte Minute durchgetaktet sein, es wäre aber schön, wenn es möglich wäre. Jetzt einfach mal alle Fünfe gerade sein lassen und sich einfach nur treiben lassen, das ist normalerweise nicht ihr Ding. Aber, wir beide haben mal Urlaub nötig und so haben wir vor Urlaubsantritt einen Plan gemacht: Nämlich den, keinen Plan zu machen. Einfach nur das tun, wozu wir Lust haben und es dann zu tun, wann wir Lust haben. Eigentlich eine Grundeinstellung von mir, die ich bisher versäumt habe, meinen jeweiligen Arbeitgebern zu unterbreiten. Ich vermute da allerdings auch wenig Gegenliebe.

Natürlich sind wir dabei an ein paar Parameter gebunden. Es gibt den Strand, zu dem wir wollen, den Pool, in dem wir auch immer ein bisschen schwimmen, den Speisesaal (natürlich), die ein oder andere Bar und unser Zimmer. Mehr braucht es nicht. Nach dem Frühstück geht es dann wieder an den Strand. Es herrscht ein leichter bis mäßiger Wind. Wir sind noch früh dran, weil der Hase immer früh wach wird und ich dann auch nicht mehr schlafen kann und wir dann eben früh mit dem ersten Essen durch sind. Aber schon zu dieser frühen Stunde, gibt es am Pool kaum noch eine Liege, auf der kein Handtuch liegt. Und das obwohl abends keine drauf lag und hier jetzt keine 5 Leute an eben jenem Pool herumliegen. Das große Handtuchrätsel, wie kommen die bloß all da hin? Sollte es etwa Leute geben, die in aller Herrgottsfrühe aufstehen, zum Pool marschieren und „ihre“ Liege mit einem Handtuch, das sie dort drauflegen, markieren? Ist das das Äquivalent zum Hund, der an einen Baum pinkelt um sein Revier zu markieren? Schlimm diese Menschen. Nicht dass wir nicht auch darüber nachgedacht hätten, Ähnliches zu tun, aber ich bin zu faul dafür und der Hase müsste sich erst die Haare machen, bevor sie da hinginge. Nein, wir werden konsequent bleiben und einfach die Liege nehmen, die wir kriegen können.

Wir müssen am Pool vorbei, wenn wir zum Strand wollen. Wir treffen auf einen Hotelmitarbeiter. ein braungebrannter Mann um die 60 würde ich mal schätzen. Also nicht ganz jung, so wie ich, aber immer noch sehr drahtig und energiegeladen wirkt er. Man kann also auch in Würde altern. Vielleicht sollte ich das mal als Beispiel nehmen. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls sagt er auf Griechlisch, dass da noch ein paar Liegen frei wären, am Pool. Wir winken ab und erklären in unserem Deutschlisch, dass wir lieber an den Strand des Mittelmeeres gehen würden. Worauf er wieder auf Griechisch Englischt, dass er das total gut findet und dass er die Menschen nicht versteht, die das schöne Meer hier haben und dann trotzdem lieber am Pool liegen. Wissen wir allerdings auch nicht, warum das so ist. Er scheint uns wegen unserer Einstellung irgendwie zu mögen. Also mögen wir ihn auch.

Am Strand ist der Wind schon fast ein bisschen heftig, aber dafür ist dieses elende Hitze erstmal weg. Und weil wir ja nur Steine am Boden haben, weht immerhin kein Sand und so stark, dass Steine durch die Gegend fliegen, ist der Wind nun auch nicht. Er ist eher nützlich beim Umblättern von dem Buch, das ich die Absicht habe zu lesen. Viele Leute sind nicht am Strand, wahrscheinlich hat der Wind auch ein paar von denen abgeschreckt, die sich an den Steinen nicht gestört haben. Wir haben uns kaum auf die Liegen gelegt, da ist wieder der Schatten von gestern. „Ah, die Deutzen“, sagt die Stimme des Schattens, „geht´s gut?“ Und das nette Gesicht unter der mützenlosen Schirmmütze lächelt wieder dabei und als wir sagen, dass es uns gut geht, freut sie sich richtig. Morgen werde ich sagen, dass es uns sehr gut geht, dann lacht sie sich wahrscheinlich tot. Wir bekommen die Getränke mit dem gleichen Enthusiasmus wie gestern und dann gehen wir ins Wasser. Tuff. tuff, tuff, die Eisenbahn will wieder fahren.

Ich bin ja einer von den Menschen, die eigentlich pausenlos denken und nachdenken. Über jeden Scheiß und zu jeder Zeit rattert der Brägen und ich vermute, dass es im Schlaf noch weiter geht. Und oft kreisen meine Gedanken um die grundsätzlichen Dinge des Lebens: Essen, den Unterschied von Fassbier zu Flaschenbier, die Unvereinbarkeit der Gedanken von Männern und Frauen, warum die Krawatte erfunden wurde, nochmal Essen, darüber wie viel Rotwein am Tag vertretbar ist (sollte das Bier mal alle sein), darüber dass ich endlich mal wieder Sport treiben möchte, nochmal Essen, darüber ob es normal und gesund ist, so viel zu denken und über alles andere, was man so denken und bedenken kann. Ist das normal so? Oder bin ich da eher ein alleinstellungsmerkmaliger Denker? Wie ergeht es den anderen Menschen? Denken die auch so viel? Oder können die ihren Kopf ausschalten? Vielleicht sollte ich darüber auch mal nachdenken, wenn eine Denkpause droht.

Also, mein Oberstübchen rattert pausenlos. Oft stellt sich mir dabei die Frage nach dem Sinn des Lebens. Was kann der Inhalt meines Daseins sein und wie kann ich es erreichen, danach zu leben. Was ist es, das mich antreibt? Wo will ich hin und was will ich unbedingt machen, um ein erfülltes Leben zu haben? Und nun und hier im Mittelmeer, mit dem Hasen im Schlepptau, all meiner Sorgen entledigt, bin ich eins mit mir und der Welt. Alles wird so seltsam klar um mich und es erlangt mich eine Erkenntnis. Sollte „Tuff, tuff, tuff die Eisenbahn“ die Antwort auf all meine Fragen sein? Ich war schon lange nicht mehr so zufrieden und entspannt und, ich mag es kaum aussprechen, auch glücklich. Der Deutsche an sich neigt ja immer dazu, etwas unglücklich zu sein. Unabhängig davon, wie gut es ihm eigentlich geht. In diesem Moment, jetzt und hier, bin ich anscheinend nur noch ein „Ich“ ohne irgendeine Staatsangehörigkeit, aber mit einem, oder besser, dem Hasen und es ist ein saugutes Gefühl.

Wenn ich ein kluger Mensch wäre und studierte und mein Fach Psychologie wäre, dann würde ich eine Doktorarbeit darüber schreiben, wie die Eisenbahn im Mittelmeer die inneren Dämonen vertreibt und zu einem psychischen Gleichgewicht führt. Zum Thema Gleichgewicht, ich stolpere gerade über eine enorme Felsplatte im Wasser, die über einen halben Meter höher ist, als der Grund drumherum. Was mich zu der Erkenntnis führt, dass der Weg zu meinem inneren Ich auch ein steiniger ist. Man muss auch mal Hürden überwinden, wenn man ans Ziel gelangen will. Herrgott, was bin ich doch tiefsinnig. Ich klopfe mir ein wenig auf die Schulter vor lauter Begeisterung mir gegenüber. „Alles klar bei Dir“, fragt der Hase. „Ja“, antworte ich, „natürlich ist alles klar.“ „Ich frag ja nur, weil Du diese Geräusche machst, wie eine Dampflokomotive. Die Leute gucken schon.“

„Tuuut, tuuut“, sage ich und wir fahren zurück zu unserem Zielbahnhof, unseren beiden Liegen mit dem Sonnenschirm und meiner Lieblingsbedienung, die auch fragt, ob es mir gut geht. Wie meint sie das nur?