Kos und Logie….. Teil 2: Der Igel ist gelandet…und der Hase selbstverständlich auch

Wir sind mit 15 Minuten Verspätung gestartet und kommen trotzdem gut fünf Minuten früher als geplant an. Ich sags ja, es ist auf nichts mehr Verlass. Selbst auf die Verspätungen nicht. Wie soll ich da nun nörgeln können, wo mir doch so sehr danach ist? Der Flug war entspannt. Der Hase hatte einen Fensterplatz und ich saß in der Mitte, neben mir noch ein Mann, weswegen es seitlich ein bisschen enger beim Sitzen war. Peinlich bedacht darauf, meinen Nachbarn nicht zu berühren, verlagerte ich meine Sitzhaltung in Richtung Hase. Für uns beide keine komplett gemütliche Lösung. Ja, so ist es im Flugzeug, schön ist das nicht immer.

Kurz bevor wir losfliegen, fragt die Stewardess den Mann neben mir, ob er vielleicht auf der anderen Seite sitzen möchte, weil da noch viel Platz wäre. Was für ein seltsamer Zufall. Lag es an meinem Körpergeruch? Nein, das konnte nicht sein, ich war frisch geduscht in die Maschine gestiegen. Oder aber es war ein kosmisches Zeichen dafür, dass ich einen guten Start in den Urlaub verdient hätte. Es hätte mich kaum mehr überrascht, wenn ich noch eine Fußmassage bekommen hätte, oder Champagner, oder Fassbier. Nun hatte ich auch seitlich noch genug Platz. Es scheint mir, als wüssten alle, dass ich erschöpft und mürrisch bin und man packt mich in Watte, wann und wo immer es geht. Es regt sich ein erster Gedanke in mir, dass der Urlaub vielleicht doch schön wird und in einem unbedachten Moment zuckt ein Lächeln über meine Lippen. Die Mundwinkel biegen sich nach oben. Das sind sie eigentlich nicht mehr gewohnt. Hatte Angst, es könnte Schmerzen nach sich ziehen, weswegen ich das Lächeln sofort beende.

Die Zeitersparnis während des Fluges ergibt sich aus der Tatsache, dass wir einen amtlichen Rückenwind haben. Den haben wir noch bei der Landung, weswegen wir mit einer recht hohen Geschwindigkeit auf die Landebahn aufsetzen. Und weil diese Landebahn auf dem Flughafen von Kos nicht die Längste und unsere Geschwindigkeit eben recht hoch ist, muss der Flugkapitän einmal demonstrieren, wie gut die Bremsen von seinem Flugzeug doch funktionieren. Den physikalischen Gesetzen folgend, wird mein Oberkörper nach vorn gewuchtet und der Beckengurt am Sitz demonstriert ebenfalls seine Funktionsweise. Wobei mein Körper ein wenig zusammengeklappt wird und nur mein Bauch, der in diesem Moment eine gewisse Airbagfunktion übernimmt, verhindert, dass meine Nase sich zu meinen Fußspitzen gesellt.

Das Flugzeug kommt zum Stehen und meine Innereien bringen sich selbsttätig wieder in die richtige Reihenfolge. Alles in Allem aber ein sehr angenehmer Flug. Man gibt sich wirklich Mühe. Wir steigen aus der Maschine aus und gehen ein paar Meter zu einem Bus, der uns zum Flughafengebäude bringt. Beim Aussteigen aus dem Flieger dann der erste Schock. Es ist heiß. Was noch untertrieben ist, denn es ist sehr sehr heiß. Es ist so heiß hier draußen, dass man meint wir wären auf einem aktiven Vulkan gelandet. 34 °C, gefühlt wie 38°C meldet des Hasens Handy. Losgeflogen sind wir bei 20°C weniger, was nach Adam Riese 14°C sind. Das Flugzeug war auch einigermaßen klimatisiert, weshalb es beim Aussteigen für mich ist, als würde ich vom Kühlschrank in den vorgeheizten Backofen kommen. Geschickterweise trage ich eine lange Hose. Vielleicht hätte ich noch einen Mantel anziehen sollen. Ich erlaube mir zu schwitzen und fühle mich ein wenig übertemperiert.

Im Flughafengebäude ist es auf eine angenehme Temperatur heruntergekühlt. Mein innerer Thermostat entspannt sich und wir können uns um unser Gepäck kümmern. Zwei große Koffer, die wir in diesem Jahr nicht über die Maßen befüllt haben. Der Hase konnte sich doch wirklich dazu durchringen, einen Großteil des Kleiderschrankinhalts zu Hause zu lassen. Dafür haben wir aber, als eine kleine Neuerung, jeweils einen Tracker in jedem Koffer. Kleine flache elektrische Dinger, die ein bisschen aussehen, wie überdimensionale Knopfzellen, also diese flachen Batterien.

Es handelt sich sozusagen um Sende- und Empfangseinheiten, mit denen man Dinge orten kann. In unserem Fall sind das die Koffer. Über mein Handy kann ich dann bestimmen, wo sich die Gepäckstücke aktuell befinden. Zur besseren Übersicht haben wir den Trackern dann Symbole gegeben. Einmal einen Hasen, was auf der Hand liegt, und einmal einen Igel (Hase und Igel…You know?). Und schon in Hamburg konnten wir so nachverfolgen, wo unsere beiden Hartschalenbehälter gerade sind. Was in der Grafik manchmal nach einem lustigen Rennen zwischen Hasen und Igel aussieht. Während der Hase schon auf das Rollfeld gehoppelt war, vegetierte der Igel noch im Gebäude. Doch dann, so aus dem Nichts, holte der Igel auf und war ganz nah dran am Hasen. Es war an Dramatik kaum zu überbieten, aber ob die Koffer es auch wirklich ins Flugzeug geschafft haben, kann ich beim Abflug nicht mit letzter Gewissheit feststellen. Ich beschließe, diese Information lieber für mich zu behalten. Der Hase ist ja manchmal ein wenig paranoid.

Als wir die Maschine nach der Landung verlassen und unsere Handys wieder vom Flugmodus befreien und auf Empfang gehen, bleibt die spannende Frage, ob unsere Koffer es mit uns hierher geschafft haben, oder ob meine Bermudashorts auf den Bermudas sind. Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, ob meine kurzen Hosen in irgendeiner Form Bermudashorts sind. Was zeichnet eine Bermuda Shorts aus? Muss man das wissen? Nein!

Aber es geht ja eigentlich darum, dass wir den Standort von unserem Gepäck bestimmen können. Das ist ja das Faszinierende, man kann die Sachen mit diesen Trackern weltweit orten und dann auch ziemlich genau lokalisieren. Und wenn man in direkter Nähe ist, kann man die Dinger auch ein akustisches Signal von sich geben lassen. Versonnen denke ich darüber nach, dass es gefühlt noch nicht so sehr lange her ist, dass derlei Equipment nur James Bond besessen hätte.

Der Hase hat ja immer und laufend Sorge, dass irgendwas schief gehen kann und ist deswegen auch sehr misstrauisch, was den aktuellen Verbleib von unserem Gepäck angeht. Was wenn die Koffer in Buenos Aires sind, oder noch in Hamburg, oder während des Fluges aus der Maschine gefallen und irgendwo auf einer Insel von einer berühmten Inselgruppe zerschellt sind? An den Seychellen zerschellt. Müssten die dann nicht die Zerschellen heißen? Herrjeh, meine Gedanken schweifen ab. Der Brägen muss auch mal Urlaub machen. Wo war ich noch? Ach ja, der Hase und das Gepäck und die Angst davor, dass es die Koffer nicht mit uns geschafft haben sollten. Ich kann sie beruhigen: „Der Igel ist gelandet und der Hase selbstverständlich auch.“

Das nächste Rennen bei der Gepäckausgabe geht eindeutig zu Gunsten des Hasen aus. Der Hasenkoffer kommt nach fünf Minuten. Auf meinen Igel warten wir noch eine halbe Ewigkeit. Vielleicht ist es auch nicht ganz so lange. Läuft die Zeit im Mittelmeerraum nicht anders als zu Hause? Koffer schiebend schlüpfen wir aus dem gekühlten Flughafen hinaus ins Freie, wo die 34°C sich mittlerweile wie 43°C anfühlen und meine mummelige Jeans unerbittlich an meinen Beinen kleben lässt. Wann ist nochmal der Rückflug? In neun Tagen? Wie zum Geier soll ich es hier so lange aushalten? Warum mussten wir unbedingt im Hochsommer ans Mittelmeer? Nächste Mal fliegen wir ans Nordkap. Wir mussten im Übrigen zu diesem Zeitpunkt hierher, weil es in der Hasenurlaubsplanung keine andere sinnvolle Möglichkeit gab. Also sind wir hier und ich fühle mich wie siedendes Frittenfett. Habe aber den Entschluss gefasst, das Beste aus der Situation zu machen. Ist ja schließlich nicht umsonst das Ganze und Urlaub ist auch, der muss ja schön sein.

Das Bild draußen ähnelt dem auf Rhodos oder Mallorca. Palmen, ein Flughafengebäude, Straßengewirr, viele Busse und orientierungslose Touristen auf der Such nach dem richtigen Bus. War der Anblick von Palmen noch vor zwei Jahren das Nonplusultra der Exotik für mich, ist diese Beobachtung nun einer gewissen Routine unterzogen. „Schon wieder Palmen“, denke ich missmutig, während mir immer heißer wird. Wir finden unseren Bus und unser Fahrer versucht mit einem Gemisch aus Griechisch und Englisch herauszufinden, wer wir sind und wohin wir wollen. Er hat eine Liste dabei und da ich nicht im Mindesten weiß, wie man Daus auf Griechisch oder Englisch ausspricht, tippe ich auf unseren Namen auf der Liste und sage in reinem Oxford Dialekt: „That are we.“ Ja, ich weiß, jedem der der englischen Sprach mächtig ist, würde es hier die Schuhe ausziehen, aber für unsere Zwecke soll es genügen. Er blickt mich ein bisschen an, als habe ich nicht mehr alle Latten am Zaun und ich frage mich, woher er mich so gut kennt. Trotzdem nimmt er unsere Koffer und wuchtet sie unwirsch in den großen Buskofferraum.

Wir entern das Fahrzeug und setzen uns in den klimatisierten Bus. Was allerdings nicht ganz richtig ist. Wir steigen ein und es läuft auch eine Klimaanlage, aber diese ist sich ihrer Bestimmung nicht zur Gänze bewusst. Also fühlen sich die 34°C hier drinnen immerhin noch wie 32°C an. Kühl ist anders, aber wir nehmen es, wie es kommt. Der Bus füllt sich zusehends und wir starten zur großen Rundreise einmal quer über die Insel, Touristen auf die Hotels verteilen, die sie gebucht haben. Unser Hotel ist im Übrigen das letzte auf der Tour, weshalb wir eine Fahrtzeit von 1 1/4 Stunden vor uns haben. Kann meine Begeisterung kaum zügeln.

Dem Fahrer scheint es ähnlich zu gehen. Er ist recht korpulent (noch eine Ähnlichkeit mit mir) und wirkt mürrisch (Brüder im Geiste sind wir), wie der da so über die, mehr oder weniger guten, Straßen fährt. Er hupt andauernd und ich kann nicht immer erkennen, ob er jemanden grüßt oder eine fahrerische Fehlleistung anderer Verkehrsteilnehmer mit einem Hupen kommentiert. Bei Letzterem spricht er auch immer viel. Und auch wenn ihm klar sein muss, dass es kein anderer Autofahrer hören kann, scheint es so, als ob er meint, wirklich mit ihnen sprechen zu können. Dick sein, grummeln, reden mit Leuten, die einen nicht hören können, die Ähnlichkeiten zu mir nehmen verblüffend zu.

Im Prinzip stört mich der Transfer vom Flughafen zum Hotel eigentlich nie. Ich nehme es als eine Art Rundfahrt, bei der man schon mal ein Auge auf die Insel haben kann. Von Kos hatte ich irgendwie gehört, dass es die schönste griechische Insel sein sollte. Mag sein, dass sie das ist, aber auf unserer Tour zum Hotel scheint sich diese Schönheit ein bisschen versteckt zu haben. Ziemlich karge Landschaft gibt es hier und in der Ferne ein paar Berge, die so aussehen, wie Berge auf Mittelmeerinseln halt so aussehen. Die haben immer einen Touch von den alten Winnetou Filmen. Aber ansonsten ist das alles ein bisschen schmucklos hier. Wenig grün gibt es, aber viel verdorrtes Gras und steinigen Boden.

Wir fahren vorbei an Siedlungen, Dörfern, Orten, Kleinstädten, die so vollkommen anders aussehen, wie man es von zu Hause gewohnt ist. Ineinander geschachtelte Flachdachwohnungen alle hell verputzt, sind eindeutig in der Überzahl. Es gibt wenig einzelne Häuser und Rasen muss hier keiner mähen, es gibt keinen. Überall sind Holzmasten mit Oberleitungen, die in einem undurchsichtigen Durcheinander zwischen den Häusern gespannt sind und von denen man nicht weiß, ob sie Strom- oder Telefonleitungen sind. Da das alles nicht gerade touristisch aufgepeppt ist, vermute ich, dass hier die Einheimischen leben. Überraschenderweise soll es ja welche geben. Sicher, das alles hat etwas Ursprüngliches und so ein Blick in eine Welt, die einem eher fremd ist, ist ja auch das was man im Urlaub mitnehmen will. Zumindest, wenn man mal ein paar tausend Kilometer weit fliegt. Aber ob das deswegen nun die schönste griechische Insel sein soll, da habe ich doch meine Zweifel. Eigentlich, wenn man mal ehrlich ist, möchte man doch nur diese Postkartenmotive sehen. Einmal an Stellen sein, die so schön sind, dass man sie extra fotografiert. Also das exakte Gegenteil von mir. Ich habe keine Stellen, die irgendwer sehen müsste.

Nachdem wir ein dutzend Hotels abgeklappert haben, erreichen wir unsere Bleibe, die Endstation auf diesem Rundkurs. Die Lage von unserem Hotel ist recht einsam. Außer ein paar weiteren Hotels (zwei glaube ich) gibt es hier ein paar mittlere Berge, direkt angrenzend an unser Domizil, eine Straße die hinaufführt, ein bisschen spärliche Vegetation und sonst…..nichts. Na gut, zur anderen Seite natürlich das Mittelmeer. Und ja, es sieht wirklich alles fabelhaft aus. Die Aussichten sind wunderbar und man könnte sie auch auf Postkarten drucken. Aber irgendwie geht es mir am Arsch vorbei, wie wir Norddeutschen so sagen. Es berührt mich nicht. Noch vor knapp zwei Jahren, wäre ich auf die Knie gegangen und hätte meinem Schöpfer gedankt, dafür dass ich sowas sehen darf. Und nun sehe ich das alles und ich frage mich, wann und warum es soweit gekommen ist, dass das Besondere nur noch alltäglich scheint.

Vielleicht ist es ja auch die Hitze. Oder aber ich bin einfach nur zu platt, oder beides. Wir gehen zur Rezeption. Im Hotel ist es auch nicht wirklich viel kühler und meine lange Hose fällt hier richtig auf. Jeder der irgendwie nur einen Hauch länger hier ist als wir, ist in irgendeine bequeme und kühle Klamotte geschlüpft. Das würde ich jetzt auch ziemlich gerne machen. Mit unserem gebrochenem Englisch verständigen wir uns mit einiger unterstützender Gebärdensprache mit der netten Dame von der Rezeption. Ich verstehe nicht alles, denn sie hat auch einen leicht griechischen Akzent im Englisch, aber die notwendigsten Informationen erreichen mich doch: Das Zimmer ist bald bezugsfertig und wir können solange noch etwas essen, weil ja schließlich gerade Mittagszeit ist.

Sie hat das letzte Wort noch nicht ganz ausgesprochen, da sprinte ich auch schon los, Richtung Speisesaal, der eine Etage tiefer ist. Wir sind schließlich auch schon eine Ewigkeit unterwegs, da kriegt man schon mal ein bisschen Hunger. Mitten im Sprint halte ich inne. Irgendwas fehlt ja noch. Ach ja, der Hase! Ich kehre um und sprinte noch schneller zurück. Der Hase wiederum steht im Foyer bei unserem Gepäck und sieht nur teilweise glücklich aus. Ach ja, die Koffer. Die können wir in einem kleinen Raum verstauen und dann gehen wir gemeinsam zum Essen. Also der Hase und ich. Und ich beherrsche mich und schubse keine alten Frauen beiseite, die mir im Weg stehen. Na gut, es gibt keine die hier stehen, aber wenn sie stünden, würde ich sie nicht umnieten. Ich bin ein Meister der Beherrschung.

Ein Kellner, oder Ober, oder sagt man heutzutage Servicekraft, damit man kein Geschlecht ausschließt, nimmt uns in Empfang, sagt uns, wo wir uns hinsetzen können und wo es hier was zu Essen gibt. Sein Englisch ist eher ein Griechisch mit einem englischen Akzent, aber wir verstehen uns sofort. Er ist sehr nett und trägt auch eine lange Hose und er schwitzt auch, was ihn mir ähnlich und somit auch sehr sympathisch macht. Wir sind Brüder im Geiste. Obwohl es mir unangenehm ist, dass er wegen mir (und der anderen Gäste natürlich) in seiner langen schwarzen Hose arbeiten muss. Es sollte erlaubt sein, dass man hier kurze Hosen tragen dürfte. So wie es mir auch immer ein bisschen unangenehm ist, dass überhaupt irgendwer für mich arbeiten muss, damit ich eine schöne Zeit haben kann. Aber so ist es nun mal, wenn man sich für eine kurze Zeit im Leben den Luxus leisten möchte, dass man sich um nichts kümmern muss. Ein paar Tage im Schlaraffenland für mich sind ein paar Tage Arbeit für viele Leute.

Wenn ich es mal rekapitulieren möchte, ist der Reiseverlauf bisher einwandfrei. Der Flug war pünktlich und ruhig, der Transfer zum Hotel ging schneller als gedacht, das Zimmer ist bald fertig und wir dürfen just in diesem Moment essen. Ein bisschen gespannt sind wir schon, wie gut die Küche hier so ist. Die erste gute Nachricht ist, es gibt eine große Auswahl und alles sieht super aus. Die zweite gute und wesentlich bedeutendere Nachricht: es schmeckt! Was nicht ganz richtig ausgedrückt ist, denn es schmeckt nicht nur einfach, nein es schmeckt sehr sehr gut. Und in meiner Cola, die ich mir bestellt habe, sind drei Eiswürfel. Ich mag es, wenn Eiswürfel in meiner Cola sind. Es fühlt sich beinahe so an, als habe man das hier gewusst. Das gute Essen, die drei Eiswürfel, das schicke Hotel und die zugegebenerweise phänomenale Aussicht auf das Meer, die wir beim Essen haben, bringen mich zum zweiten Mal an diesem Tag dazu, ein Lächeln anzudeuten. Ich gestatte mir ein bisschen Freude und Zufriedenheit und ich glaube das merkt auch der Hase, der mich bisher ein bisschen besorgt angesehen hatte.

Wir beziehen das Zimmer. Ein netter Mann vom Hotel hilft uns beim Gepäck. Er versucht den Fahrstuhl (es gibt nur den einen) zu bekommen. Aber das dauert ihm zu lange, weswegen er die Variante „wir gehen mal zu Fuß über das Treppenhaus nach oben“ wählt. So sehr er auch hilft beim Gepäck, es bleiben doch noch genügend Stücke für mich übrig, die ich die Treppen hochschleppen muss und der Herrgott und dieser Mitarbeiter allein, wissen, wie viele Etagen noch vor uns liegen. Ich schwitze schon bei dem Gedanken an Treppenstufen. Genaugenommen ist es aber lediglich eine Etage. Viel Zeit zum Weinen bleibt da nicht.

Unser Zimmer ist nicht riesig, hell, eigentlich doch ganz gemütlich und hat einen phantastischen Ausblick, Ich glaube hier hat alles irgendwie einen phantastischen Ausblick. Außer der Spiegel, wenn ich reinblicke. Das leckere, leckere, leckere Essen, die Reisestrapazen und die Hitze haben uns ein bisschen mürbe gemacht und der Hase und ich sind uns einig, dass wir erstmal eine Verschnaufpause ein- und uns hinlegen und erstmal gar nichts tun. Also entledige ich mich erstmal meiner langen Hose, die mit meinen Beinen verwachsen zu sein scheint und werfe mich erschöpft aufs Bett, um zumindest ein bisschen zu dösen. Das Gepäck wollen wir erst einmal unberührt lassen, da sind der Hase und ich uns einig.

Meine Augen drehen gerade das Weiße nach außen und ich bin auch schon so gut wie eingeschlafen, da höre ich ein Geräusch. Ein „Flappflapp“, das mir so seltsam bekannt vorkommt. In einem schnellen Stakkato flappt flappt es durch das Zimmer. Flappflapp hier flappflapp da. Die Lösung des Rätsels ist leicht. Das Geräusch kommt vom Hasen. Bevor sie sich hinlegt, hat sie mal kurz alle Koffer geöffnet und verteilt nun alle Sachen an die entsprechenden Orte im Zimmer, nachdem sie mal eben alles desinfiziert hat (der Hase desinfiziert grundsätzlich alles in Hotelzimmern, was es zu desinfizieren gibt). Das Flappflapp stammt dabei von ihren Flipflops, die bei ihr eigentlich Flappflapps heißen müssten und die immer etwas hektisch flappflappen. Eine Hektik, die sich auf die gesamte Atmosphäre im Zimmer überträgt und mich um meinen kleinen Mittagsschlaf bringt. Mir geht ein bisschen der Hut hoch.

„Hase“, sage ich, „ich dachte, wir wollen uns erstmal ein bisschen ausruhen!“ „Ja“, sagt der Hase und flappt unbeirrt weiter. Wir scheinen unterschiedliche Auffassungen darüber zu haben, was Ausruhen eigentlich bedeutet. „Ich packe nur ein paar Sachen aus“, sagt der Hase. Mit ein paar Sachen meint sie natürlich sämtliche Sachen, die sie verstaut. Ich könnte ja bei einem Urlaub immer aus dem Koffer leben, der Hase aber muss immer alles an Ort und Stelle einsortiert haben. Selbst wenn wir nur eine Übernachtung haben. Also lasse ich meinen Hasen gewähren. Sie findet ja doch keine Ruhe, bevor sie nicht alles ausgepackt hat. Ich versuche trotzdem ein wenig Ruhe zu finden.

Das ist aber nicht so einfach, denn unter die Flopflops vom Hasen mischen sich unentwegt eingeworfene Schilderungen zum Zustand unseres Zimmers. So erfahre ich, dass es nicht groß und weniger schön als in unserem Hotel auf Rhodos ist, Und es gibt so gut wie gar keine Ablagemöglichkeiten. Eigentlich gibt es keinen Schrank. Nur ein paar Schubladen. Und ein paar Kleiderbügel. Und es gibt zu wenig Haken für Handtücher. Letzteres ist ein grundsätzliches Problem, das uns in allen Hotels immer wieder einholt. Also sagt der Hase: „Das ist ein grundsätzliches Problem in allen Hotels!“ Und das Zimmer ist kleiner und es gibt keine Ablagemöglichkeiten, sagt der Hase. Ich wage eine forsche Prognose: „Und es gibt zu wenig Haken für Handtücher?“ „Ja, woher weißt Du?“ „War nur so eine Ahnung.“

Das mit den Haken ist aber nur ein leichtes Problem, denn der Hase ist natürlich vorbereitet. Der Hase ist immer vorbereitet, egal was es ist. Und so hat sie vor längerer Zeit schon ein paar Haken gekauft, die man mit ins Gepäck packt und die man über Türrahmen oder dergleichen hängt. Montagehaken sozusagen, die uns auf unseren Reisen begleiten und praktische Helfer sind. Wahrscheinlich haben wir im nächsten Jahr auch ein paar Ablageflächen und einen Kleiderschrank mit im Gepäck.

Der Hase ist fertig und alles ist ausgepackt und sortiert (meine Sachen natürlich auch) und der Hase legt sich nun auch hin. Da aber mittlerweile schon so viel Zeit ins Land gegangen ist und wir noch ins Mittelmeer wollen, ist auch gleich wieder Essig mit ausruhen. Flappflapp, Badeklamotten angezogen und flappflapp Strandtasche gepackt, der Hase ist einsatzbereit und sie erwartet von mir eine ähnliche Einsatzbereitschaft. Denn schließlich möchte mein Hase es langsam mal gemütlich haben, da bleibt keine Zeit zum Trödeln. Ich bekleide mich also schnellstens mit meiner Bademode für alte Männer und melde salutierend zeitnah Vollzug. Wir können los und mit traumwandlerischer Sicherheit folge ich dem vertrauten Flappflapp der Hasenlatschen und lasse mich zum Strand geleiten.