Kater unser (zweite Runde)

Maggie

Wenn uns das Desaster mit Findus eines deutlich gemacht hatte, dann war es die unumstößliche Tatsache, dass wir einfach keine Katze haben sollten. In diesem Punkt war ich mir zu hundert Prozent einig mit dem Hasen. Ich freute mich sehr, dass wir dies Kapitel nun hinter uns gelassen hatten, verbarg die Freude aber erfolgreich. Da platzte die nächste Bombe. „Deine Schwester hat angerufen“, sagte der Hase, „sie hätte da eine Katze für uns.“ „Aber wir wollen ja keine haben.“ „Genau.“ „Na dann ist ja gut.“ „Wir fahren da morgen mit den Kindern hin und sehen sie uns an.“ Dass klang für mich etwas unlogisch.

„Wieso?“ Ich wagte zu fragen. „Wir müssen uns doch vergewissern, ob die Kinder die Katze auch mögen.“ „Warum sollten sie?“ Ich begriff nicht. Der Hase wurde ungeduldig. „Was sollten sie denn mit einer Katze, die sie nicht mögen?“ Ihr Tonfall war leicht genervt und sie sprach zu mir, wie mit einem Schuljungen, der zu blöd ist, eins und eins zusammenzuzählen. Ich versuchte es meinerseits mit unumstößlicher Logik: „Warum sollten sie eine Katze mögen, die sie gar nicht bekommen.“ „Wer hat denn behauptet, dass sie keine Katze bekommen würden?“ fragte der Hase. „Du!“ antwortete ich sehr bestimmt. „Wann soll das denn gewesen sein?“ „Vor drei Minuten.“ „Das habe ich nie behauptet.“ „Hast Du doch.“ „Hab ich nicht.“ „Hast Du wohl!“ „Hast Du wohl..“, der Hase äffte mich nach. Unsere Tochter kam dazu: „Ihr benehmt Euch wie Kleinkinder.“ „Papa will nicht, dass ihr wieder eine Katze bekommt.“ „Wieso nicht?“ fragte sie und sah sehr enttäuscht aus. „Eine Katze! Eine Katze!“ ihr Bruder schaltete sich in das Gespräch ein. „Nein!“, sagte der Hase, „Keine Katze! Papa möchte das nicht.“ „Blöder Papa!“ „Freundchen…“, begann ich. „Schrei Deinen Sohn nicht an. Ist es nicht schon genug, dass Du ihn und seine Schwester so enttäuscht hast?“ „Ich schreie ja gar nicht!“, schrie ich und wusste, ich stand auf verlorenem Posten. Ich liebe Demokratie, aber manchmal wäre ich froh, wenn ich in unserer Familie ein despotischer Diktator sein könnte.

Am nächsten Tag saßen wir im Auto und fuhren zur Katzenbesichtigung. Das Ergebnis war niederschmetternd. Maggie hieß das gute Stück. Sie war die Katze einer Dame, die in der ehemaligen Nachbarschaft meiner Schwester wohnte und sehr zutraulich. Die Katze, nicht die Dame. Maggie war hauptsächlich schwarz lackiert und noch nicht sehr alt. Die Umstände, weswegen sie abgegeben wurde, waren mir egal. Ich wusste gleich beim ersten Anblick, dass Maggie von jetzt an bei uns wohnen würde. Ich wagte es nicht die berühmte Frage zu stellen: „Entweder die Katze oder ich..“, weil mir klar war, wer im Zweifelsfalle ins Gartenhaus ziehen müsste.

Maggie war wie einst Findus sofort als vollwertiges Familienmitglied akzeptiert und durfte sich in Bereiche hervorwagen, die Findus noch verborgen geblieben waren. Das klingt spektakulärer als es ist, aber sie kam immerhin schon bis ins Wohnzimmer, während ihr Vorgänger noch mit Flur und Küche vorlieb nehmen musste. Und wenn sie morgens gefüttert werden sollte, dann öffnete der Hase die Terrassentür in der Küche und rief laut „Maggie, Maggie, es gibt was zu futtern.“ Ihre Stimme war dabei um ein paar Oktaven erhöht. Eine Tatsache, die man im Allgemeinen beobachten kann, wenn Frauen niedliche Tiere oder kleine Kinder sehen. „Was rufst Du nach dem Viech? Die kann Dich sowieso nicht verstehen.“ „Das verstehst Du nicht“, sagte der Hase, dessen Stimme wieder um Einiges tiefer war, wenn sie mit mir sprach, um sofort im Anschluss wieder höher zu werden und nach dem kleinen Panther zu rufen. Ja, ich muss zugeben, es klappte. Maggie kam und dann gab´s  was aus der Dose, das in etwas so aussah, wie fein geschnittenes Gulasch mit Schleim. Es roch so, wie es aussah und das war nichts für meinen morgendlichen Magen. Man sah es ein und die Fütterung wurde daraufhin in den Hauswirtschaftsraum verlegt. Die Katze aß auch weiterhin in der Küche.

Nein, das war natürlich nur ein Scherz. Aber trotzdem war es ein Ritual, dass der Hase die Katze durch die geöffnete Terrassentür der Küche rief. Eines Morgens erschallte wieder dieser glockenhelle Ruf. Maggie hörte und kam schnurstracks angelaufen. Der Hase blickte in ihre Richtung, kreischte laut, schloss die Tür und ließ die Außenjalousie herunter, bevor Maggie das Haus erreichte. „Was´n los?“ fragte ich schlaftrunken. „Die Katze hat einen Vogel.“ „Na solange Du keinen hast…“ „Man, die hat nen Vogel im Maul. Das ist echt ekelig!“ Mit allergrößter Genugtuung ließ ich den Katzenpsychologen heraushängen: „Das ist ihre Art Dir zu zeigen, dass sie dankbar für das tägliche Futter ist. Sie bringt Dir sozusagen auch etwas zu Essen.“ „Wie widerlich“,  der Hase war angeekelt. „Ich kann ihn Dir ja braten, den Vogel. Wird zwar nur eine kleine Speise, aber es ist doch die Geste, die zählt.“ Ich verzichte an dieser Stelle darauf, die Gesten des Hasen zu beschreiben.

Eines Tages rief der Hase wieder, aber vergebens. Maggie kam nicht. Auch an  den folgenden Tagen nicht. Sie kam nie wieder. Sie war und blieb verschwunden. Auch wenn es anders lautende Gerüchte gab, ich hatte damit nicht das Geringste zu tun. Für die Kinder war es natürlich wieder ziemlich schwierig, aber da wir diesmal auf eine Bestattung verzichten konnten, konnten wir etwas Hoffnung säen. „Wisst ihr Kinder“, sagte ich, „Maggie ist bestimmt weiter gezogen und hat es jetzt besser.“ Ach, das klang auch nicht gut. „Es ist alles nur Deine Schuld. Sie ist wegen Dir weggelaufen“, sprach meine Tochter und der Hase vermittelte mir durch einige stechende Blicke, dass ich unsensibel sei. Ach, dachte ich, dann bin ich halt unsensibel. Dafür ist das mit der Hauskatze aber endgültig vom Tisch. Und wie immer, sollte ich Unrecht behalten.

Fortsetzung folgt….