Ich lag auf einem gefliesten Boden und fühlte mich elend. Ich kriegte meine Augen irgendwie nicht auf und Schotty der Tatortreiniger wischte meine Arme und mein Gesicht ab. Allerdings sprach Schotty dabei beruhigend mit mir und seine Stimme klang seltsam bekannt. Außerdem nestelten noch weitere Personen an mir rum und einer sagte: „Mein Gott, stinkt das hier nach Knoblauch. Können wir vielleicht mal ein Fenster öffnen?“ Und Schotty, dessen Stimme mir so bekannt vorkam sagte: „Ja, machen sie ruhig die Tür zur Terrasse auf.“ Mir wurde übel. Also sagte ich:“ Mir wird übel!“ Und wie von Geisterhand hielt mir Schotty eine Schüssel an den Mund, in die ich mich nach Herzenslust übergab. Eine Tätigkeit, die die Frischluftverhältnisse nicht unbedingt verbesserte. In diesem Moment erkannte ich, dass Schotty eigentlich mein Hase war und ich umringt von Notärzten und Sanitätern auf dem Boden in unserer Küche lag und zu allem Unglück neben dem Knoblauch auch nach Bier und Jägermeister stank. Jeder, der schon einmal halb bewusstlos auf dem Küchenboden lag und dabei nach Bier, Jägermeister und Knoblauch roch und sich vor seiner Gattin, dem Sohn und den Rettungskräften nach Leibeskräften übergeben musste, wird mir nachempfinden können, wie peinlich einem eine solche Situation sein kann.
Aber, wie konnte es nur soweit kommen? Ein Baustein zu diesem Desaster war, dass ich an diesem Abend mit ein paar Spießgesellen Karten spielte. Das machen wir regelmäßig einmal im Monat auf einem Donnerstag und wenn der Freitag danach frei ist, kann es auch schon einmal etwas länger dauern und vielleicht auch das ein oder andere Bier in Union mit dem ein oder anderen Jägermeister geben. Und weil wir alle schreckliche Naschkatzen sind, gibt es auch immer etwas zu knabbern. Und an diesem besagten Abend gab es dazu einen Dip, der mehr nach Knoblauch schmeckte, als Knoblauch selbst. Ich fand den absolut genial und habe ihn hemmungslos in meinen Schlund geworfen. Diese Dinge erklären zumindest den Geruchscocktail, den ich absonderte. Aber nur weil man stinkt, wie ein Gemisch aus Bahnhofskneipe und griechischem Imbiss, muss man ja noch nicht in der Küche auf die Fliesen fallen. Da musste augenscheinlich noch mehr dahinter stecken.
Nach dem das Kartenspiel beendet war, verweilte ich noch für ein paar hochgeistige Gespräche beim Gastgeber. Diese Art von Gesprächen, die sich erst mit einem gewissen Pegel ergeben. Als uns dann die Themen ausgingen, verabschiedete ich mich und schwang mich auf mein Fahrrad, um vom Nachbarort über eine Strecke von 2,5km nach Hause zu fahren. Es war in etwa drei Uhr nachts. Plus-Minus 10 bis 15 Minuten. Ich war klar im Kopf und müde.
Was nun folgte kann ich bis in etwa auf 10m von meinem Zuhause entfernt noch nachvollziehen. Es war kalt und ich müde und deshalb habe ich mächtig in die Pedale getreten. 10m vor meinem Zuhause bin ich dann, für mich sehr überraschend, mit Wucht und Nachdruck vom Rad gestürzt. Und weil ich so überrascht war, habe ich es anscheinend für nötig befunden, die Landung in der Hauptsache mit meinem Gesicht zu gestalten. Dabei gestaltete ich mein Gesicht auch ein wenig neu, aber dazu später mehr. Der Aufprall war ebenso hart, wie humorlos und während ich mich noch fragte, was mich denn bitteschön hier vom Rad gehauen hatte, reifte in mir die Erkenntnis, dass es keine besonders gute Landung gewesen sein konnte. Ich möchte mich dabei mit den Worten: „Ach Du scheiße, das hat ja mächtig geknallt!“ und „Nicht gut, das war nicht gut!“ und „Aua!“ zitieren.
Im Nachhinein konnte ich ansatzweise rekonstruieren, dass ich mit hoher Geschwindigkeit ankam und bremste, weil ich auf unsere Einfahrt abbiegen wollte. Dabei habe ich nicht gesehen, dass die Straße an dieser Stelle glatt war. Gesehen nicht, aber ich habe es gemerkt, als sich beim Aufprall die Bewegungsenergie im Bereich meines Gesichtes in Verformungsenergie umwandelte. Ich lag dann so da, drehte mich auf den Rücken und mit wurde sofort bewusst, dass ich nicht nur eine kleine Beule hatte. Ich glaube ich hatte irgendwie Schmerzen, konnte sie aber nicht zuordnen. Von nun an, wurde es bruchstückhaft mit meiner Erinnerung. Ich stand auf und es ging mir elend. Aber trotzdem wollte ich unbedingt noch mein Fahrrad nach Hause bringen. War ja nun nicht mehr weit. Wir haben eine schwere Schiebetür, die zu unserer Terrasse führt. Diese öffnete ich anscheinend und stellte mein Fahrrad ab. Das heißt, ich wollte es abstellen, war dazu aber nicht mehr in der Lage, also ließ ich es dort hinfallen (das kannte es ja nun schon) und ging zur Nebeneingangstür. Diese aufzuschließen war eine große Herausforderung, soviel weiß ich noch.
Danach wird’s finster mit den Erinnerungen. Ich glaube im Nachhinein, dass ich eigentlich da schon bewusstlos gewesen bin, aber es noch nicht geschafft hatte, umzufallen. Den weiteren Hergang konnte ich daher nur anhand der Aussagen des Hasens und meines Sohnes, sowie an der Blutspuren in unserer Wohnung rekonstruieren.
Ich bin dann wohl rein ins Haus und Richtung Wohnzimmer gegangen, habe dort ein paar Sachen umgeworfen und habe mich dann grunzend und stöhnend zur Küche aufgemacht. Ich hinterließ dabei eine ansehnliche Blutspur auf dem Boden und an den Türgriffen und Lichtschaltern.
Im Obergeschoss erweckte mein geräuschvolles Eindringen in unser Haus meinen Hasen. Ihre erste Vermutung war, dass ein Einbrecher sein Unwesen treiben würde. Deshalb machte sie auch sofort das Licht im Obergeschoss an. Warum? Wollte sie den oder die Einbrecher damit in die Flucht schlagen? Haben wir eine derart fürchterliche angsteinflößende Beleuchtung? Liest man nicht immer wieder davon, dass Einbrecher bei grellem Licht pulverisiert werden? Nein, das liest man nicht. Aber wie dem auch sei, es dämmerte meinem Hasen, dass der Eindringling der eigene Ehegatte sein könnte. „Matzi, bist Du das?“ fragte die zaghafte Hasenstimme von oben….keine Antwort. Also fasste sich mein Hase ein Herz, nahm allen Mut zusammen und ging nach unten.
Sie erblickte mich. Ich stand in der Küche, den Rücken zu ihr gewandt. „Matzi, alles in Ordnung mit Dir?“ fragte sie. Ich grunzte ein wenig und drehte mich in Zeitlupe um. Eine Szene wie aus einem Horrorfilm. Meine Augen waren seltsam verdreht und ich blickte irre. Mein Gesicht und meine Arme und Hände waren blutverschmiert und gerade im Gesicht lief das Blut unaufhörlich weiter. „Hase“, sagte ich, „Hase, ich bin vom Fahrrad gestürzt!“ In diesem Moment gab ich meiner offensichtlichen Ohnmacht nach und sackte zusammen.
Wenn ich noch einmal in meinem Leben blutverschmiert in der Küche zusammenbreche, dann hoffe ich, dass es der Hase sein wird, der mich auffindet. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich fasziniert davon, wie strukturiert und effektiv sie gehandelt hat und das unter nicht gerade alltäglichen Bedingungen. Hase, wenn Du das hier liest, ich bin Dir unendlich dankbar.
Der Hase sah mich also unvermittelt blutüberströmt zusammensinken und während ich so sank, schaffte sie das Kunststück, einen Küchenstuhl unter meinem Hintern zu platzieren, auf dem ich dann leblos zum Sitzen kam. Mein Kopf fiel nach vorn und ich stellte für einen Moment das Atmen ein. Zusammen mit unserem Sohn legte sie mich dann unsanft auf den gefliesten Boden. Unsanft deswegen, weil es nicht möglich war, einen leblosen Fettsack wie mich langsam auf den Boden zu legen. Für einen Moment überlegte sie, wie sie mich ins Krankenhaus transportieren könne, verwarf aber diesen Gedanken, weil sie mich ohne Gabelstapler nie ins Auto bekommen hätte. Sie nahm meinen Kopf auf ihren Schoß und begann mich von den gröbsten Verschmierungen zu reinigen. Nebenher tätigte sie noch einen Notruf. Ich glaube, ich war da immer noch nicht recht bei Bewusstsein.
Da ich sie ja völlig in der Nacht überrascht hatte, war sie nur mit einem Nachthemd bekleidet nach unten gekommen. Weil aber in Bälde fremde Menschen unser Haus aufsuchen würden, empfand sie diese Kleiderordnung als nicht passend. Sie ging also nach oben, zog sich um und kam wieder zu mir, allerdings nicht, ohne nebenbei meine Versichertenkarte irgendwie hervorzuzaubern und bei mir in der Nähe meines Kopfes abzulegen. Im Nachhinein wundere ich mich beinahe, dass sie sich nicht auch schon ein Aufnahmeformular für die Notaufnahme heruntergeladen und fachgerecht ausgefüllt und es mich unterschreiben lassen hat. Im Ausfüllen von Formularen ist mein Hase nämlich unschlagbar. Wahrscheinlich lag das daran, dass es keines Online zur Verfügung gibt. Die zwischenzeitliche Überwachung von mir hatte sie dabei unserem Junior übertragen.
Was ich an all dem so bewundernswert finde, ist dass sie sich zwar große Sorgen um mich gemacht hatte und auch geschockt war, weil man ja nicht wissen konnte, was nun genau mit mir ist, ich hätte auch ernsthafter verletzt sein können, sie aber trotz der Ungewissheit immer Herrin der Lage war und nicht kopflos und schreiend durch die Gegend rannte. Das hätte ich aber verstanden und ihr auch nicht krumm genommen.
Es dauerte ein wenig, bis Notarzt und Krankenwagen eintrafen und damit sie es leichter hatten, öffnete der Hase im Vorfeld die Haustür. Jedenfalls solange, bis sie Stimmengewirr hörte. Das waren allerdings noch nicht die Sanitäter, sondern ein paar lustige Trinkgesellen, die von einer Feier kommend, die Straße entlang gingen. Und weil sie wusste, dass ich überall in der Gemeinde lustige Trinkgesellen kenne, hatte sie die dumpfe Vorahnung, dass einer von den dort Kommenden die offene Tür entdecken würde, „Nach Hause gehen wir nicht, bei Matzi brennt noch Licht!“, singen täte, um dann mit seinen Spießgesellen in der Hoffnung, noch einen Schlenderschluck ergattern zu können, in unser Haus spazieren würde. Um mir diese Peinlichkeit und denen die Unannehmlichkeiten zu ersparen, schloss sie die Tür vorübergehend.
Als die Luft dann rein war, wurde die Tür ein weiteres Mal geöffnet. Ich bekam von den Vorgängen nichts mit. Zumindest nicht so bewusst, als dass ich diese Dinge hätte verarbeiten können. Ich weiß nicht, ob nun zehn Minuten vergingen, oder ob es hundert Stunden waren. Beides erschien mir möglich. Irgendwann bemerkte ich, dass Leben in der Küche war und sich eine unübersichtliche Anzahl an Leuten um mich herum versammelt hatte. Sprechen konnte ich anscheinend wohl, aber ich erinnere mich nicht. Jemand leuchtete mir in die Augen, die ich in alle erdenklichen Richtungen bewegen musste, ohne den Kopf mitzubewegen. Der Hase war direkt bei mir. Ich konnte wohl erzählen, dass ich mit dem Fahrrad gestürzt war, oder war es der Hase, der das erzählte? Worauf ich dann einige Fragen beantworten musste. Ob ich dabei den Lenker in den Bauch bekommen hätte und dergleichen. Dann wurde ich abgetastet und dann wurde mir übel.
Wenn ich ehrlich bin, und ich wäre als Notarzt oder Sanitäter hier bei mir gewesen, dann hätte ich angesichts der Fahne, die ich hatte, mit Sicherheit gedacht, da liegt einer, der so blau ist, dass er sich nicht mal mehr auf den Beinen halten kann. Und dann hätte ich meinen desolaten Gesamtzustand auch darauf reduziert. Ich denke, es ging dem Rettungspersonal auch so, als sie mich vorfanden. Weswegen wahrscheinlich auch niemand auf die Idee gekommen ist, eine Gehirnerschütterung zumindest als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Aber je mehr ich über die Vorgänge nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass ich eine hatte. Aber dazu später mehr. Ich übergab mich also in die Schüssel, die mir mein Hase, woher auch immer sie die so schnell gezaubert hatte, vor den Mund hielt. Ich war unfähig mich aufzurichten und es ging mir erbärmlich. Ich besudelte mich und der Hase fragte einen der Sanitäter, der wohl auch schon grün im Gesicht wurde, ob er vielleicht ein paar Blatt Küchenrolle reichen könnte. Apathisch wie er war, musste der Hase energischer bei der Anforderung werden. Der soeben erweckte Sanitäter nahm dann geistesgegenwärtig die ganze Rolle und drückte sie dem Hasen in die Pfote, äh Hand. Etwas unpraktisch, weil mein Kopf auf der einen Hasenhand lag und sie deswegen die Rolle nicht abrollen konnte.
„Was soll ich denn jetzt damit,“ dachte der Hase, „soll ich die ganze Rolle ins Gesicht halten?“ Wie dieser Konflikt nun gelöst wurde, weiß ich leider nicht. Mich persönlich erreichte das Bewusstsein immer mehr und damit auch die Erkenntnis, welches Bild ich abgeben musste. Aus den Augenwinkeln sah ich unseren Sohn, bei dem ich mich sofort entschuldigte. Dann entschuldigte ich mich beim Hasen. Ungefähr dreihundertmal. Danach entschuldigte ich mich bei den Notärzten und Sanitätern. Man bugsierte mich auf eine Trage. Ich glaube ich musste dafür aufstehen, war aber nicht mehr in der Lage mich auf den Beinen zu halten und stürzte mehr darauf, als dass ich mich legte. Beinahe hätte ich sie auch verfehlt. Es ging mir immer noch nicht viel besser.
Dann war ich im Krankenwagen. Auch daran habe ich nur bruchstückhafte Erinnerungen. „Herrjeh, stinkt das hier nach Knoblauch“, sagte einer der Anwesenden. Dem Hasen wurde gesagt, dass ich nicht lebensgefährlich verletzt sei und dass es dauern würde, bis sie abfahren, weil man mir einen Zugang legen müsse. Auch im Krankenhaus würde es länger dauern, wurde dem Hasen gesagt. Immer noch praktisch denkend, machte sich deshalb der Hase daran, den Tatort zu reinigen (deswegen Schotty der Tatortreinger), bevor das Blut erst eintrocknen konnte. Denn sie wusste ganz genau, dass eine spätere Reinigung erheblich schwieriger sein würde. Und so hatte sie eine größere Säuberungsaktion im Gange, während ich abtransportiert und dabei nicht müde wurde, mich pausenlos zu entschuldigen.
Da wird man schonmal mit dem Krankenwagen gefahren und kriegt doch letztlich Nichts davon mit. Das hat mich dann schon geärgert. Ich kann auch nicht mehr genau sagen, wie ich im Krankenhaus ankam und was man mit mir so anstellte. Ich antwortete jedenfalls auf alle Fragen, die mir gestellt wurden, entschuldigte mich bei jedem, der mir über den Weg lief, egal ob Arzt, Schwester, Sanitäter oder Obdachloser. Wobei ich mir das mit dem Obdachlosen ausgedacht habe…oder etwa nicht? Wie dem auch sei, ich glaube die meisten waren sehr freundlich zu mir. Ich musste tausendmal sagen, dass ich den Lenker nicht in den Bauch bekommen hatte und man tastete mich mehrfach ab. Immer wenn jemand in das Behandlungszimmer kam, rang diese Person mit einer Ohnmacht, weil es so entsetzlich nach Knoblauch stank. Ein männliches Mitglied des Pflegepersonals war dazu auserkoren, mir beim Röntgen behilflich zu sein. Ich weiß zwar nicht mehr, wie der aussah, aber er war nicht gerade erfreut über diesen Job. Wenn er gekonnt hätte, hätte er mich selbst röntgen lassen.
Wie viel Leute im Krankenhaus mit mir beschäftigt waren, weiß ich nicht mehr. Ich war hundemüde und vollkommen erschöpft. Außerdem wurde ich die Vermutung nicht los, dass ich auch verletzt sein konnte. Ich glaube ich bin ein paarmal eingeschlafen. Irgendwann lag ich auf einem langen, langen Flur und mir war kalt. In der Ferne sah ich meinen Hasen und ich nahm all meine Kraft zusammen, hob meinen Kopf und ließ ein furchtbar klägliches „Hase!“ erschallen. Der Hase erblickte mich in dem Moment, in dem ich wieder in das Behandlungszimmer geschoben wurde. „Hier ist der Hase“, sagte sie, als sie kurz danach in das Zimmer kam. Ich glaube es war eine Ärztin im Zimmer, die sehr darüber Schmunzeln musste, dass ich meine Frau Hase nenne und sie sich dann noch als Hase zu erkennen gibt.
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich nicht im Geringsten in der Lage, mich aufzurichten, geschweige denn auf eigenen Füßen zu stehen. Die Ärztin erklärte kurz, dass ich bis auf eine Fraktur der Nase nicht weiter ernsthaft verletzt sei. Noch einmal wurde die Frage nach dem Lenker im Bauch gestellt. Warum nur? Hatte man vermutet, der würde noch drin stecken? Bin ich denn so dick? Man weiß es nicht. Jedenfalls wurde ich kurz darauf aus dem Krankenhaus entlassen. Sehr zu meiner und des Hasens Überraschung. Mein Zugang, über den ich die Ganze Zeit seit der Abfahrt mit dem Krankenwagen versorgt wurde, wurde entfernt und ich durfte aufstehen. Aber nur unter Aufsicht. Der Hase ging mit der Ärztin noch eben um die Ecke, irgendwas ausfüllen oder so und ich stand auf. Ohne Beaufsichtigung.
Wir fuhren nach Hause und der Hase erzählte mir davon, wie sie erstmal unseren Sohn beruhigt hatte. Der Anblick des eigenen Vaters als blutiger Klumpen hatte ihn schon etwas aus der Fassung gebracht. Das tat mir natürlich unfassbar leid und ich beschloss mich sofort nach de Ankunft zu Hause bei ihm zu entschuldigen. Irgendwann musste ich mit den Entschuldigungen schließlich anfangen. „Ich glaube das ist keine so besonders gute Idee“, sagte der Hase, „willst du nicht lieber noch damit warten?“ Ich blickte vorher noch in einen Spiegel und war erschüttert. Ich sah aus wie Rocky Balboa, als er 12 Runden lang von Apollo Creed vermöbelt wurde und verzweifelt nach seiner Adriane rief. So ging ich dann ins Zimmer vom Junior und noch bevor ich ihn sanft wecken konnte, es war übrigens halb sechs am Morgen, riss er panisch die Augen auf und hüpfte total geschockt durch sein Zimmer, an mir vorbei auf den Flur und machte dabei komische Laute, die er immer macht, wenn man ihn erschreckt. Der Hase war derweil draußen und sammelte noch ein paar Sachen von meinem Fahrrad ein. Die Haustür stand offen und die Ruflaute unseres Sohnes waren bis auf die Straße zu hören. Wenn jemand vorbeigegangen wäre, hätte er gedacht, es würde jemand umgebracht oder so.
Es sind nun einige Tage vergangen und die Genesung schreitet voran. Ich muss mich schonen und habe daher viel Zeit, um über all das nachzudenken. Gerade in den ersten Tagen habe ich diesen Augenblick der Landung immer wieder und wieder durchlebt und es wurde nicht besser. Eigentlich habe ich im Nachhinein sogar noch Angst bekommen und weiß, wie viel Glück ich letztendlich bei all dem gehabt habe. Allerdings reift auch die Erkenntnis, dass ich eine Gehirnerschütterung hatte und weil ich nach Alkohol roch, geriet der Umstand, dass ich für längere Zeit bewusstlos und orientierungslos war in Vergessenheit. Wenn man das Erbrechen dazu nimmt, sind die Fakten allerdings eindeutig. Ich war nicht nüchtern, aber so betrunken, wie der Zustand es nahe legen könnte, war ich noch nie und schon gar nicht an diesem frühen Morgen. Der Hase sieht das übrigens auch so. Sie war auch davon ausgegangen, dass man mich für zwei bis drei Tage im Krankenhaus behalten würde und hatte dementsprechend schon einen Tasche gepackt, als sie in die Klinik kam. Man hätte mich eigentlich 24 Stunden beobachten müssen. Aber so hat man den mutmaßlichen Trunkenbold in desolatem Zustand entlassen, ohne wenigstens die Wunde einigermaßen zu reinigen oder auch weiter zu versorgen.
Unser Junior hat das alles sehr gut verarbeitet, aber der Hase wird diesen Anblick nicht los, als sich Chucky die Mörderpuppe in der Küche umdrehte, blutüberströmt und dann sagte: „Hase ich bin vom Fahrrad gestürzt!“