Ich bin ein guter Patient…….. Ach, weg mit der falschen Bescheidenheit, ich bin ein sehr guter Patient. Eigentlich bin ich der Vorzeigepatient schlechthin. Ich nehme immer brav meine Medizin ein, wenn ich welche einnehmen muss. Und wenn mein Arzt mir sagt, dass ich ruhen soll, dann ruhe ich. Ich plumpse dann in meinen Sessel und verfalle in eine Art Starre. Ich ruhe so intensiv, dass man mich für Dornröschen halten könnte, wenn ich nicht so aussehen würde, wie ich aussehe. Aber das mit dem hundertjährigen Schlaf würde ich ohne mit der Wimper zu zucken hinkriegen. Wenn ich mit der Wimper zuckte, wäre es wohl auch kein Schlaf. Ich ruhe so gekonnt, dass man mich hin und wieder anstupsen muss, um zu sehen, ob ich noch atme. Und ja, ich tue es. Aber eben mit der Ruhe und Gelassenheit eines tibetanischen Mönches. Es ist so, als würde ich mir ständig einreden: „Sei ein Stein!“ und dieses dann so verinnerlichen, dass ich ein Stein bin. Also, bin ich Einstein. „Quot erat demonstrandum.“ (1) Wie wir Mathematiker zu sagen pflegen.
Einwurf——bitte nur lesen, wenn man gar nicht mehr weiß wohin mit seiner Zeit, oder wenn man dem „Geheimnis des letzten Absatzes unbedingt auf die Spur kommen möchte, also wenn man wirklich nichts besseres mit seiner Zeit anfangen kann…..ach es dreht sich irgendwie
(1)
Wer jetzt denkt, dass ich die Pfanne heiß habe, der hat zwar Recht, aber in diesem Fall nicht ganz. „Quot erat demonstrandum“ heißt auf Deutsch: „Was zu beweisen war“ Und als ich vor vielen hundert Jahren (es fühlt sich jedenfalls so an) mein Fachabi machte, war Mathe eines der Fächer, die mir schwer zu schaffen machten. In der Hauptsache, weil mir der Fleiß fehlte. Jedenfalls machten wir da viele Aufgaben mit vielen Formeln, die mir allesamt immer fremd blieben und wenn eine dieser Aufgaben richtig gelöst wurde, dann bestand unser Lehrer darauf, dass wir die Buchstaben Q.e.d. (steht für quod erat demonstrandum) hinter das Ergebnis schrieben. Sämtliche Integrale und Differentialrechnungen haben sich mittlerweile aus meinem Hirn verabschiedet, aber das q.e.d. nicht. Obwohl ich es in meinem Hirn immer in „Quot Erna demonstrandum“ (Was Erna schon immer beweisen konnte) umdichtete. ——–
Einwurf Ende——ich wäre nicht böse, wenn man ihn übersprungen hätte…das Leben ist so kurz
Das ist das Gute daran, wenn es einem nicht ganz so gut geht-man hat mal Zeit. Und wenn man nicht gerade mit Fieber oder starken Schmerzen beim Sitzen und Liegen zu tun hat, dann kann man diese Zeit auch nutzen. Dafür, dass man eigentlich nichts tut. Ich sitze dann in meinem Sessel, lese ein Buch, höre Musik, oder schreibe mal ein bisschen und in meinem Kopf läuft imaginär der gute alte Pipi Langstrumpf Smash Hit: „Faul sein ist wunderschön“ Ansonsten muss ich mich um nichts kümmern. Außer vielleicht mal zur Toilette zu gehen, wenn es Not tut. Und einatmen, auch hier, wenn es Not tut, und natürlich auch ausatmen. Man sieht, der Tag ist gut gefüllt und abends gibt´s noch ein bisschen Fernsehen, so zur Entspannung. So in etwa stelle ich mir mein Dasein als Rentner vor und ich glaube, ich würde es genießen. Ich bin der geborene Renter. Das hätte ich seinerzeit mal als Berufswunsch angeben sollen, als es zum Ende der Schulzeit darum ging, welche Ziele man im Leben hat. Ich wollte nie zum Mond fliegen, Feuerwehrmann werden, oder sonst irgendeine tolle Karriere hinlegen. Pensionär, gleich nach der Schulzeit, hätte mir vollkommen gereicht.
Natürlich bekommt das Bild vom Vorzeigepatienten auch Risse, wenn ich dergestalt krank bin, dass es mir auch schlecht dabei geht. Wenn ich Fieber habe, bin ich mir beinahe sicher, dass ich verbrennen werde. Man hört ja immer wieder von Menschen, die durch Selbstentzündung dahingerafft wurden. Und ein heißer Typ bin ich ja beinahe auch. Außerdem fühle ich mich dann so ermattet, dass mir selbst das Nichtstun keinen Spaß mehr macht. Und wenn ich an einer schnellen Katharina (ein anderes Wort für Durchfall….ihr solltet mal googeln, da gibt´s ein paar schöne Ersatzwörter) leide, dann sitze ich zwar auch viel, aber nicht so sehr auf dem Sessel. Und starke Schmerzen muss ich auch nicht unbedingt haben. Die können einem die Ruhe auch ziemlich versauen.
Aber, wenn ich, durch welchen Umstand auch immer, gezwungen bin, mich zu schonen, dann schone ich mich schonungslos. Ich nehme die Zeit, die ich dann habe, als das Geschenk an, das es letztendlich auch ist. Und der Hase, der immer im Kopf hat, was so alles noch getan werden kann und muss, lässt mich gewähren. Auch ohne gelben Schein vom Arzt. Es knirschen vielleicht ein paar Hasenzähne, aber meine Gesundheit geht nun mal vor. Und die lange Liste, auf der all die Sachen stehen, die noch zu tun sind, und die noch nie geschrieben wurde, aber durchaus real existent ist, verschwindet für den Zeitraum meiner Genesung, die ich leidenschaftlich leblos betreibe. Wie gesagt, ich bin ein guter Patient. Der Hase hingegen ist ein schlechter Patient. Patient sein, kann sie genauso wenig, wie Beifahrer sein.
Es ist das Knie, das dem Hasen urplötzlich schwer zu schaffen macht. Schmerzen bei jeder Bewegung und auch Schmerzen im Ruhezustand peinigen mein Löffelohr. Und das nicht zu knapp und ich bin endlich in der Position ein bisschen den besorgten (hüstel) Besserwisser raushängen zu lassen. „Damit solltest Du mal zum Arzt gehen“, sage ich mit einem gewissen Triumpf in der Stimme. Ja, das klingt ein bisschen herzlos, ist es aber nicht. Denn wenn es umgekehrt sein sollte und es mir in irgendeiner Form nicht richtig gut geht, ist es der Hase, der mich so lange piesakt, bis ich entnervt nachgebe und den nächstbesten Arzt konsultiere. Das geht mir zwar manchmal sehr auf den Pinsel und ist auch nicht immer notwendig (nach meinem Dafürhalten), hat mich allerdings auch beispielsweise vor schwereren Folgen eines Schlaganfalls bewahrt.
Jedenfalls habe ich mir immer gedacht, wenn es mal umgekehrt sein sollte und es dem Hasen schlecht geht, dann schlägt meine Stunde und ich kann mal den dicken Larry raushängen lassen und meinerseits so lange und penetrant nerven, bis sie sich kleinlaut in ärztliche Behandlung begibt. Und nun, da diese schlagende Stunde gekommen ist, kann ich gar nicht genug davon kriegen, sie zum Arzt schicken zu wollen. Und der Hase würde mir anscheinend am liebsten ein Linksgewinde in den Hals drehen, kann dieses Ansinnen allerdings nicht umsetzen, weil ich schneller bin, als ein humpelnder Hase. Allerdings kann ich meinen kleinen (kleinkarierten) Triumpf nicht auskosten, weil die Beschwerden und Schmerzen nicht von Pappe sind und der Hase zu schnell einsichtig ist und sich einen Termin beim Facharzt holt. Sie gönnt mir aber auch gar nichts.
Der Facharzt, der eigentlich eine Fachärztin ist, nimmt die Kniegeschichte schonmal sehr ernst und eine Röntgenaufnahme bringt leider keine endgültige Klarheit darüber, was in diesem hochkomplexen Gelenk gerade los ist. Ich bin kein Facharzt, aber nach dem, was der Hase mir sagt, kann es von einer spontanen Überbelastung (die harmlosere Variante) bis hin zu einer Flüssigkeitsansammlung in den Knochen (die recht bedenkliche Möglichkeit) so ziemlich alles sein. Ein MRT soll Aufschluss geben und solange, bis dieses erstellt und letztendlich ausgewertet worden ist, muss der Hase sehr darauf achten, das Knie nicht zu sehr zu belasten. Was in der Folge bedeutet, dass der Hase neben den original Hasenbeinen noch ein paar Krücken zur Unterstützung und Belastungsvermeidung ausgehändigt bekommt. Zusammen mit dem dringenden Hinweis, sich doch bitte zu schonen, weil es im schlechtesten Fall katastrophale Auswirkungen haben könnte, wenn sie sich nicht daran hält. Es könnte dann wirklich unter Umständen an die Knochensubstanz gehen und das wäre wirklich fatal.
Das was der Hase jetzt haben muss ist Ruhe. Sehr viel Ruhe. Und Schonung muss der Hase haben. Sehr viel Schonung. Das volle Programm! Mit Beine hochlegen und auf Krücken laufen, wenn überhaupt laufen. Am Besten so wenig wie möglich laufen. Und da haben wir den Salat. Dem Hasen Ruhe zu verordnen ist so, als wenn man ein Gewehr abfeuert und der Kugel sagt, sie solle im Lauf bleiben. Da steckt dann eine Menge Druck dahinter. Und wenn der Hase auf dem Sofa liegen muss und nicht irgendwie im Haushalt an irgendwelchen Ecken irgendwas muddeln, staubsaugen, bügeln, wischen oder irgendwie gerade rücken kann, dann baut sich auch eine Menge Druck auf.
Wer den Film „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ kennt und sich zufällig daran erinnert, wie Richter Doom den Hasen (also einen anderen Hasen als meinen) Roger aufspürt, wird wissen was ich meine. Für die Nichtwissenden: Der Richter macht ein bekanntes Klopfzeichen und lässt die letzten zwei (markanten) Klopfer weg. Der Hase (also der Roger Hase) hat aber das unbedingte Bedürfnis, diese unvollendete Klopferei zu vollenden. Dieses Bedürfnis steigert sich ins Unermessliche und wenn Roger (also der andere Hase) es nicht vollenden kann, dann wird er platzen. Denn dem Hasen an sich ist es ein Grausen, wenn irgendwas nicht komplett, nicht ganz in Ordnung, oder ungerade, oder eventuell nicht rechtwinklig, oder sonst irgendwie schief ist. Und es brodelt so lange im Hasen, bis der Makel abgestellt ist. Koste es, was es wolle. Und so wie Roger Rabbit aus seinem sicheren Versteck herausstürmt, um die Klopferei zu vollenden, würde mein Hase am liebsten vom Sofa aufspringen, um das Tischset, das nicht wirklich rechtwinklig auf dem Tisch liegt, die zweieinhalb Millimeter gerade zu rücken, die zur Vollkommenheit fehlen.
Wo ich das so schreibe, sehe ich sehr deutlich die Parallelen der beiden Hasen zueinander und ich muss verwundert feststellen, dass ich einen Verwandten von Roger Rabbit geheiratet habe. Das Leben geht oft seltsame Wege, muss man sagen. Doch zurück zu meinem Hasen. Das mit dem Aufspringen ist so eine Sache, wenn das Knie schmerzt und man Krücken nutzen muss. Also muss sie in den sauren Apfel beißen und Kompromisse finden. Der vordergründigste Kompromiss lautet: delegieren. Sie muss also die Haushaltsführung und das Einkaufen in meine bewährten Hände und die Hände unseres Sohnes legen. Und man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass das für den Hasen eine mittlere Katastrophe ist. Denn der Hang zum Perfektionismus ist bei mir und unserem Sohn bei weitem nicht so ausgeprägt, wie beim Hasen. Der „es ist gut, so wie es ist“ Zustand ist bei uns beiden immer sehr schnell erreicht. Wir lassen die fünfe auch gerade sein, wenn es nur drei sind.
Was natürlich zu differenten Wahrnehmungen führt und den Hasen wieder unruhig (vorsichtig formuliert) werden lässt. Dazu kommt noch der Umstand, dass der Hase es nicht ausstehen kann, wenn jemand anders arbeitet und sie nicht helfen kann. Das macht sie frustriert und unzufrieden. Eine explosive Mischung. Und so versucht der Hase unbemerkt hier und da etwas zu helfen. Was sie allerdings nicht soll, weil es ja fatale Auswirkungen haben könnte, wenn sie falsch belastet. Woraus sich dann eine Art Katz- und Maus Spiel entwickelt, was bei uns eher Has- und Daus Spiel heißen müsste. Denn der Hase steht beispielsweise heimlich leise auf und geht unbemerkt mal in die Küche. So nach dem Rechten sehen, ein bisschen die Arbeitsflächen abwischen, die Spül- und Putzmittel symmetrisch anordnen, gegebenenfalls den Spüler ausräumen….sowas in der Art.
Nur ist das mit der Heimlichkeit nicht weit her. Denn wenn man mit Krücken läuft, dann hat das schon einen eigentümlichen Klang. „Klick, Humpel, Klick, Humpel…usw.“ Und weil die eine Krücke auch noch knarrt, erweitert sie der „Sound“ auf ein einzigartiges „Klick, Knarz, Humpel, Klick, Knarz, Humpel…..usw.“ Und jedesmal, wenn unser Sohn und ich dieses „Klick, Knarz, Humpel“ hören, wissen wir, Gefahr ist im Verzug, der Hase baut mal wieder Mist. Die Humpelklickknarzgeräusche jagen uns jedesmal einen Schrecken ein, wenn wir sie hören und wir haben alle Hände voll damit zu tun, den Hasen wieder auf die Liegestatt zu geleiten.
An einem Tag stellen wir meinen lieben Ohrensessel an die Terrassentür, weil wir draußen zu tun haben und der Hase so wenigstens ein bisschen bei uns ist. So ist sie weniger alleine und kann durch ein paar gezielte Bemerkungen die Unvollkommenheit unserer Arbeit feststellen und uns zu besseren Leistungen anspornen. Was aber eigentlich mehr unsere Pulse (ist das der Plural von Puls?) ungebremst in die Höhe treibt. Und wenn man den Hasen mal für zwei Minuten aus den Augen lässt, ist der Sessel plötzlich leer und der Hase Klickknarzhumpelt in Richtung Staubsauger und überlegt, wie man gleichzeitig auf zwei Krücken gehen und trotzdem staubsaugen kann. Ich glaube es wäre keine schlechte Idee für den Hasen, eine Krücke zu erfinden, mit der man laufen, staubsaugen und nebenbei auch Arbeitsflächen abwischen kann. Wer sowas erfindet, kriegt den Hasennobelpreis.
Und ich gehe zum Hasen und sage: „Du sollst Dich hinlegen und schonen!“ Und der Hase sagt: „Ja, ich weiß.“ Und ich sage:“Na dann mach es doch endlich!“ Und der Hase sagt:“ Ja, mach ich“, und schnappt sich einen Wischlappen. Es könnte ja noch irgendwo ein Staubkorn sein. Mir ist, als würde ich spanisch reden. Das Klickknarzhumpel lässt unseren Sohn und mich mittlerweile immer zusammenzucken. Es gruselt uns ein bisschen davor. Und es ist wirklich kein Witz und wirklich die Wahrheit, die reine Wahrheit, so wahr mir Gott (also der Hase) helfe, wenn ich sage, dass ich sogar davon träume. Sehr realistisch davon träume.
Ich träume, dass ich von der Arbeit nach Hause komme und der Hase mir auf Krücken entgegen humpelt, begleitet von dem typischen Hasenkrückengeräusch. Und sie freut sich sichtlich, als sie mir sagt: „Ich habe den Dachgepäckträger nach oben gebracht!“ Wir haben zwar keinen, aber im Traum haben wir ihn doch und er ist groß, sperrig und sauschwer. Und ich sage, nein ich schimpfe lautstark: „Hast Du sie noch alle beieinander? Wieso hast Du das gemacht? “ „Der lag jetzt schon fünf Wochen im Flur, der musste mal hoch!“ Mittlerweile stehen wir auf dem Hof und der Hase kommt mit einer vollen Wäschewanne an und sie beginnt die Wäsche aufzuhängen. Ich begreife diese Unvernunft nicht und das Knie schwillt an und färbt sich bläulich. Und ich schimpfe und schimpfe mit dem Hasen und sie sagt: „Ich weiß gar nicht, was Du hast.“ Selten war ein Traum näher an der Realität.
Die Tage gehen ins Land und der Hase hat morgens immer die größeren Schmerzen und Beschwerden und ich lasse den Besserwisser raushängen: „Wenn Du mal auf mich hören und Dich schonen würdest, dann hättest Du weniger Schmerzen!“ Der Hase ist dann jedesmal einsichtig, aber die eigentlich abgeschossene Gewehrkugel steckt noch im Lauf und abends kriege ich dann zu hören, was sie tagsüber geschafft hat. Soweit wie möglich ohne Belastung. Ich gebe dann irgendwann auf. Gegen einen Hasen kommt man einfach nicht an. Es folgt der Tag der Auswertung und dem Hasen wird mulmig. Vielleicht denkt sie: „Ich hätte mich lieber mehr schonen sollen“, aber das würde sie nie sagen.
Das Ergebnis der Untersuchungen ist dann erleichternderweise nicht schlimm und es ist doch die spontane Überlastung, die wir auch immer mit vermutet hatten. Was ja wieder mal sehr gut ist. Die Krücken sind nicht mehr notwendig und der Hase soll sich so weit belasten, wie es möglich ist, es aber nicht übertreiben. Und man glaubt es kaum, aber wir finden einen guten Mittelweg und die Genesung kann voranschreiten. Und ich sage dem Hasen: „Du musst mal sowas wie autogenes Training machen!“ Und wir sehen uns an und lachen beide herzhaft.