An dieser Stelle möchte ich grundsätzlich darauf hinweisen, dass ich mich weigern werde gewisse Dinge zu tun. Ich werde beispielsweise nicht gendern. Es wird hier also keine „innen“ mit Sternchen davor in meinen Texten geben. Ich gönne es jedem, der daran glaubt, dass die bloße Umgestaltung der Sprache Probleme beseitigt, die weitaus tiefgreifender sind, dass sein Glaube Erfüllung findet. Dass er, indem er diese veränderten Schreib- und Sprechweisen für sich entdeckt und auch anwendet, die Welt verändern wird. Und ich werde mich dem derzeitigen Trend insofern beugen, als dass ich an dieser Stelle betone, dass ich mit „jedem“ völlig geschlechtsneutral wirklich jeden meine, der diesen Text liest. Völlig egal, ob Mann, Frau, Diverser, oder welche geschlechtliche Ausrichtung noch möglich ist, ihr seid alle gemeint. Und ich hole noch weiter aus: Es ist mir ebenso egal, welcher Religion oder Nationalität der Leser angehört und welche Farbe seine Haut hat. Ebenso ist die sexuelle Ausrichtung auch in keinster Weise von Belang. Ich gehe einfach davon aus, dass jeder, der diesen Text lesen kann, in erster Linie ein Mensch ist und das macht ihn gleichbedeutend mit dem Verfasser dieser Zeilen, also mit mir.
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob dieses Thema überhaupt von Interesse für mich ist und beschlossen, dass es das nicht ist. Es ist mir eigentlich egal, ob irgendwer irgendwelche Zeichen setzen möchte. Es ist mir aber nicht egal, wenn ich mich bevormundet fühlen muss. Wenn man schon allein deswegen als reaktionär gilt, wenn man diesen Trend des gendergerechten Sprachumgangs nicht mitmachen möchte. Vor allem, wenn man meine Rahmenbedingungen hat. Mitte Fünfzig, männlich mit weißer Hautfarbe. Allein diese drei Dinge reichen oftmals, um meine Motivation für meine Ansichten einzugrenzen und mich als unbelehrbar zu brandmarken. Und allen, die bei Ansicht dieser Zeilen so denken, möchte ich entgegenhalten: Ihr kennt mich nicht. Ihr wisst nicht, wie ich die Welt sehe und auch nicht, was ich im Innersten denke. Also wäre eine Pauschalisierung nichts weiter als auch eine Diskriminierung. Und genau dagegen richtet sich doch das Gendern. Vielleicht ist es hilfreich, wenn ich aus meiner Sicht etwas genauer schildere.
Als aus Studenten plötzlich Studierende wurden, habe ich die Notwendigkeit dieser Umbenennung nicht begriffen. Und ich betone, ich gehe hier von meinen Ansichten aus. Wenn ich vorher an Studenten dachte, dann war das vor meinem inneren Auge immer in bunt gemischter Haufen Menschen. Und in meiner Vorstellung waren es mindestens genauso viele Männer, wie Frauen. Ich muss gestehen, dass ich nicht explizit Vorstellungen darüber angestellt habe, ob es auch Diverse unter ihnen geben könnte, aber ich habe es für mich auch nie ausgeschlossen. Aber jetzt heißen sie Studierende. Wenn ich nun Studierende für mich betrachte, dann sehe ich, hmmh nunja, dann sehe ich genau das Gleiche (Männlein, Weiblein, eben ein bunter Haufen). Stellt sich also für mich die Frage, musste deswegen eine neue Formulierung gewählt werden? Was wurde damit gewonnen? Für mich fühlt es sich einfach nur sehr bürokratisch und unnötig an und ist somit sowas von typisch spießig deutsch, dass ich mich frage, in welchem Jahrzehnt wir leben.
Und genauso fühle ich mich, wenn ich dieses penetrante Sternchen mit „innen“ sehe und auch höre. Nur dass da anstatt des Sternchens eine kleine Pause beim Sprechen eingelegt wird. Aber wie gesagt, es soll jeder dieses Stilmittel anwenden, wenn er, oder sie oder es es möchte. Ich möchte es nicht. Und das hat seine Ursache nicht darin, dass ich der Meinung bin, dass ein Geschlecht dem anderen überlegen ist. Ich habe eine simple Einteilung der Menschheit für mich entdeckt. Es gibt im Prinzip nur zwei Arten von Menschen: die Guten und die Bösen. Wobei mir auffällt, dass ich Menschen kenne, die Bösen mit Nachnamen heißen und die allesamt nette Leute sind. Also möchte ich ihnen nicht zu nahe treten und teile die Menschen deswegen in „gute Menschen und schlechte Menschen“ ein. Wobei es auch Schattierungen gibt. Manche sind halt nur halbwegs schlecht oder auch nicht richtig gut. Die Einteilung, wer nun in welcher Gruppe zu finden ist, fällt dabei vollkommen neutral aus. Und so kann eine Frau mit Migrationshintergrund und fremdartiger Religion beispielsweise ein wesentlich besserer Mensch sein, als, na ich sag mal, als ein ehemaliger Präsident eines Fußballclubs, der Steuern hinterzogen hat. Muss nicht so sein, kann aber. Entscheidend sind die Taten.
Natürlich bin ich nicht vollkommen verblendet und es ist mir durchaus bewusst, dass es für Frauen nicht immer einfach ist, eine gleichberechtigte Behandlung zu bekommen. Es ist aber auch so, dass das nicht für alle Frauen und in allen Situationen gilt. Aber mit Sicherheit kann da noch vieles in der Gesellschaft verbessert werden. Und ich sehe auch keinen logischen Grund, dafür, dass eine Frau schlechter bezahlt, behandelt und eingeschätzt werden sollte, als ein Mann. Ich sehe aber auch nicht, dass Sternchen in Schrift und Wortlücke diese Ungerechtigkeiten niederreißen werden. Aber ich gestehe es jedem Menschen zu, dies anders zu sehen. Ich bin schließlich nicht unfehlbar. Nah dran vielleicht, aber noch nicht ganz so weit. Man möge aber auch mir meine Ansicht als für mich legitim zugestehen.
Aber wie ich aus sicherer Quelle weiß, wird das über kurz oder lang vielleicht nicht so einfach möglich sein. So bekommen Studenten, auf schriftliche Arbeiten Punktabzug, wenn die Texte nicht gendergerecht formuliert worden sind. Habe ich da etwas verpasst? Gab es eine weitere Rechtschreibreform? Man könnte es auch als Bevormundung empfinden, wenn man es einfach betrachtet.
Aber was stört mich denn eigentlich so sehr an diesen Dingen? Vielleicht ist es die Verlogenheit, die immer dann Einzug erhält, wenn aus einer Idee, die im Kern wahrscheinlich eine gute, oder sogar sehr gute Idee ist, eine Massenbewegung wird. Das Prinzip Punk. Punk war eine Bewegung, eine Lebenseinstellung, die mit provokanten Mitteln, wie der extrem rauen Musik und den möglichst versifften Outfits dem Spießbürgertum den Stinkefinger zeigen wollte, um auf diese eigene Art für mehr Freiheit zu demonstrieren. Und das nicht auf Demonstrationen, sondern einfach immer und jeden Tag. Das ging so lange gut, bis da ein Wirtschaftszweig von geworden ist. Die Musik wurde salonfähig und man konnte unter dem Decknamen Punk urplötzlich auch Millionen verdienen. Der Anfang vom Ende der eigentlichen Bewegung, die zu einem Modezirkus verkommen ist.
Oder „Black Life Matters“, eine sehr wichtige und notwendige Bewegung. Ins Leben gerufen von einem amerikanischen Football Star, der einerseits dunkler Hautfarbe ist (man nennt es Afroamerikaner, wobei ich es lieber sähe, wenn hier nur von einem Amerikaner gesprochen werden könnte) und andererseits die Schnauze gestrichen voll davon hat, dass Amerikaner mit dem gleichen Hautfarbtyp immer noch in ihrer Heimat unterdrückt werden. Er setzt ein Zeichen und kniet sich bei der Nationalhymne vor einem Spiel hin, um so seinen Protest auszudrücken. Daraus wird eine Bewegung und immer mehr Spieler machen mit (egal welcher Hautfarbe sie angehören) und der Initiator muss mit schweren Konsequenzen rechnen und sogar der Präsident (wenn man Donald Trump so nennen möchte) droht dem Spieler öffentlich.
Soweit die Anfänge. Und als dann in den USA ein Farbiger Amerikaner bei einer Polizeiaktion vorsätzlich von einem Polizisten erstickt wird, entsteht aus dem anfänglichen Protest eine (teilweise auch gewaltbereite) Bewegung und weltweit sympathisieren viele Sportler mit den Protestierenden in den USA. Und so kommt es dazu, dass sich auch in der Bundesliga Mannschaften vor Spielbeginn hinknien. Und genau hier geht die Verlogenheit so richtig los. Denn die Stadien sind coronabedingt leer. Keine Zuschauer also auf den Rängen, was bedeutet, dass es auch keine Konsequenzen hat, wenn man hier im wahrsten Sinne Farbe bekennt. Noch einige Monate zuvor, als abertausende Fans in den Stadien waren, und nicht wenige von ihnen sich einen Spaß daraus machten, dass sie gegnerische Spieler mit dunklerer Hautfarbe mit Affenlauten und anderen rassistischen Parolen beleidigten und teilweise auch verstörten, da ist niemand auf die Idee gekommen, sich mal in den Mittelkreis zu knien und den „Fans“ zu zeigen, dass Rassismus keine Chance im Profifussball hat.
Jetzt also, wo keiner irgendeine Konsequenz befürchten muss, kniet man viel leichter. Es ist halt verlogen. Verlogen, wenn man bedenkt dass die Mannschaften von Bayern München und Hoffenheim einmal ein Zeichen vor den „Fans“ setzten, und sich zwanzig Minuten lang den Ball hin und herschoben, ohne wirklich zu spielen (böse Zungen behaupten, dass der HSV sowas immer macht). Im Prinzip spielten die Bayern und Hoffenheimer zwanzig Minuten lang nicht wirklich weiter und schaukelten das Spiel so zu Ende. Was war der Anlass? Sogenannte Fans hielten Plakate hoch, in denen der Hauptbesitzer der Hoffenheimer (ich glaube es ist Dietmar Hopp) als Portrait durch ein Fadenkreuz dargestellt wurde. So, als wenn jemand mit einer Schusswaffe auf ihn zielen würde. Nun sind da, wo viele Menschen sind, auch immer viele Idioten unterwegs und gerade beim Fußball vergessen viele die Grundlagen von Anstand und Sitte. Aber selbst im idiotenerprobten Fanbereich dieser Massensportart, war das schon eine mehr als grenzwertige Nummer. Folgerichtig war der Protest der Spieler beider Mannschaften auch eine starke und wichtige Aktion, um zu zeigen: Bis hierher und nicht weiter!
Und ich fand das auch echt gut von den Spielern. Aber ich frage mich, warum hat man das nicht auch mal für die oben erwähnten Mitspieler mit anderer Hautfarbe nicht auch gemacht? Ist der Milliardär Hopp denn mehr wert als ein Spieler aus einem anderen Kulturkreis? Eine Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt, wie man eigentlich hoffen sollte. Es geht nämlich um unsere Wahrnehmung.
Kleines Beispiel: In Spanien ist vor ein oder zwei Jahren ein Kind in eine Art Brunnen gefallen. Ein schreckliches Unglück und mit einem großen technischen und letztendlich auch finanziellen Aufwand hat man tagelang versucht den Jungen zu retten. Letztendlich erfolglos und für alle Angehörigen und Freunde ein unfassbarer Schicksalsschlag. Es ist nur ein Rechenbeispiel, wieviel Kinder man vielleicht aus dem Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet haben könnte, wenn man dort den gleichen Aufwand betrieben hätte. Flüchtlingskinder wohlgemerkt, die auf der Flucht vor schlimmen Zuständen in ihrer Heimat in irgendwelchen Schlauchbooten saßen und zusammen mit ihren Familien und vielen anderen Menschen den Tod gefunden haben. Und als Krönung wird von der internationalen Politik denjenigen, die diesen Menschen zur Hilfe eilen und die viele von ihnen retten, vorgeworfen, dass sie indirekt Schuld an dem Schicksal der Flüchtlinge sind. So nach dem Motto: Ihr macht denen Hoffnung und ohne Hoffnung würde die gar nicht auf die Idee kommen, in ein Schlauchboot zu steigen.
Oh ich merke, es führt ein wenig weit, wenn man über diese Dinge nachdenkt und so kommt mir dann auch dieser eine deutsche Musikpreis in den Sinn. Den Namen weiß ich nicht, aber wahrscheinlich heißt er wirklich „der deutsche Musikpreis“. Das war vor gefühlt zwei Jahren, als es einen handfesten Skandal gab, weil zwei deutsche „Rapper“, deren Künstlernamen ich mir nicht merken möchte, auch unter den Preisträgern waren. Es ging rein nach Verkaufszahlen, weswegen hier jeder hinkam der ordentlich Umsatz gemacht hatte. Das Problem war, dass die beiden Hip Hopper einige garstige Textstellen im Repertiore hatten, die eine Menge mit Frauenverachtung (ist glaub ich nicht neu in dem Genre), Homophobie und Antisiemetismus (ist glaub ich nicht neu in Deutschland und eigentlich überall auf der Welt) zu tun hatten. Das war im Vorfeld eigentlich bekannt, aber viele Stars der Branche ließen es sich nicht nehmen, ihren Preis einzusacken, Champagner zu schlürfen und Austern zu essen und den anderen Kram zu ignorieren. Nicht aber Campino von den Toten Hosen. Der hat erstmal eine deutliche Rede gegen die Skandalrapper gehalten und so eine klare Haltung gezeigt, bevor er dann Champagner schlürfte und seinen Preis einsackte. Ein paar Tage später, als das jeweilige Management den jeweiligen Künstlern sagte, dass es politisch nicht korrekt sei hier abzustauben, wurden die Preise munter wieder zurückgegeben. Ob es dafür wieder Champagner gab, ist nicht überliefert.
Aber was hat das alles mit dem Gendern zu tun? Nichts und doch alles. Es wird mit dem Gendern ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet, um zu zeigen, wie aufgeklärt man doch ist und wie groß man sich für Gleichberechtigung einsetzt. Und dann bügelt man alle nieder, die sich damit nicht anfreunden können und guckt dann vielleicht noch zum Feierabend Germanies next Top Model und blättert in einer dieser Frauenzeitschriften rum, die oftmals ein Frauenbild vermitteln, das milde gesagt, total in den 50er Jahren (ach nee, das heißt ja in den 1950er Jahren) verblieben ist. Wer weiß. Es werden jedenfalls Unterschiede in der Bewertung gemacht. Es ist etwas anderes, dass eine Zeitschrift die Frau immer noch als die „Hausfrau“ darstellt. Das ist weniger verwerflich, wie die Anzweiflung der Richtigkeit der Sprachneugestaltung.
Und wenn ich auch alt, weiß und männlich bin, so hätte ich diese Ansichten, die ich heute habe, auch schon vor sieben oder neunzehn Jahren gehabt. Und ich kenne junge Menschen beiderlei Geschlechts, die sich ebenso nicht damit identifizieren können, was man derzeit alles so unangreifbar gut findet. Aber auch das ist egal. Ich will ja auch niemandem erzählen, dass seine Ansichten falsch oder richtig sind. Es geht um Meinungsfreiheit und die sollte jeder haben dürfen. Sagt zumindest das Grundgesetz. Ich für meinen Teil werde das Ganze aussitzen und hoffe, dass sich die Leute besinnen und dem sprachlichen Spuk irgendwann ein Ende setzen und die Sternchen wieder verschwinden und wir andere Wege finden werden, um eine Gleichheit für alle zu finden. Die allerdings ist in letzter Konsequenz utopisch, weil jeder Mensch für sich eine eigene Wertigkeit der Dinge und Personen festlegt. Oder wie der Plattdeutsche sagt: „Watt dem eenen sien Uhl is dem annern sien Nachtigall!“