Hüttlzauber…..das Hasenhüttl Teil 11

Hurra, es war soweit, wir hatten ein Grundstück gekauft. Wir waren nun Großgrundbesitzer, allerdings ohne das Groß, also eher Kleingrundbesitzer. Aber leider waren wir nur Besitzer nicht die Eigentümer, zumindest noch nicht. Denn unsere gekauften 865 Quadratmeter Bötersen gehörten zu diesem Zeitpunkt zu 865 Quadratmetern der Bank. Es war ja nicht so, dass wir jetzt überhaupt kein Geld hatten, als wir unser Vorhaben angingen, aber die Scheine verpulverisierten sich schon im Vorfeld, als wenn wir sie in den Kamin geworfen hätten. Gebühren für den Notar, Grunderwerbsteuer, Anschlussgebühren für Strom und Wasser, Planungskosten, Gebühren für Grundbucheinträge, Abgaben hier und Steuern da. Jeder der unseren Namen auch nur ansatzweise irgendwann einmal gehört hatte, fühlte sich berufen uns irgendeine fette Rechnung zu schreiben. Das Geld rann uns durch die Finger wie feiner Wüstensand. Pfft. Dabei hatten wir noch nicht einmal richtig angefangen.

Also mussten die ersten Kredite her, als wir unseren kleinen Acker kauften. Und es kursierten damals Berechnungen die besagten, dass man beim Hausbau jeden Euro, den man als Kredit aufnahm, dreifach zurückzahlen müsste, wenn man Gebühren (schon wieder welche) und Zinsen und Zinseszinsen zusammenrechnete. Und so wurde aus unserer (für uns) gigantischen Kreditsumme in etwa das, was im Geldspeicher von Dagobert Duck für ein schönes Bad sorgen könnte. Diese Erkenntnis traf uns nicht unvorbereitet, schließlich hatten wir uns wirklich eingehend informiert und ungefähr tausendmal darüber nachgedacht und diskutiert. Aber trotzdem war es schon ein sehr mulmiges Gefühl. „Ich mag es nicht, so viel Schulden zu haben“, sagte der Hase. „Das ist nichts anderes als Miete zahlen, mit dem Unterschied, dass wir irgendwann aufhören können mit zahlen“, bemühte ich meinen Standardvergleich, den ich immer bei solchen Gelegenheiten rauskramte. „Wann wird das sein?“, fragte der Hase. „Das willst Du nicht wissen“, sagte ich. 30 Jahre können ja so schnell vorbei sein, oder eben genau das Gegenteil davon.

Immer wieder machte ich mir das Vergnügen, anhand der monatlichen Raten, die wir zahlten und dem Teil der Kredittilgung dabei, zu errechnen, zu welchem Zeitpunkt uns welcher Teil von allem hier gehören würde. Natürlich weiß ich das nicht mehr im einzelnen, aber ich war unangenehm schockiert, als mir klar wurde, dass es dauerte, bis wir eine Schiebkarre auf unserem eigenen Grund parken konnten. Aber es war klar, dass man sich von derlei Dingen frei machen musste. Wir standen an der Schwelle zum größten Projekt überhaupt, da durfte man sich nicht gleich am Anfang ins Bockshorn jagen lassen. Irgendwann würde die Anzahl der potentiell geparkten Schiebkarren astronomisch hoch sein. Also ließ ich diese Randnotizen (Geld wird einfach überbewertet) hinter mich und begann mit der praktischen Umsetzung von unserem Traum vom Haus. Das Hasenhüttl würde nun Gestalt annehmen.

Nun gibt es ja keine Wunderbohne, die man einpflanzt und gießt, damit daraus ein Haus wachsen würde. Nein, ein Haus bauen ist vor allem eins: Ein scheißhoher Berg an Arbeit. Ein Berg, der am Anfang so uneinnehmbar riesig erscheint und der im Nachhinein auch mindestens genauso groß gewesen ist, wie er damals schien. Aber so viel kann ich verraten: Am Ende der Bauzeit und mit dem Wissen darüber, welche Opfer man bringen muss, war mir klar, dass ich es immer wieder machen würde, wenn ich nochmal vor dieselbe Wahl gestellt würde. Aber ein zweites Haus würde ich nicht bauen. Irgendwann ist ja auch mal Schluss mit lustig. Dafür ist der Weg zu lang und der Berg zu hoch. Und wie es so ist mit langen Wegen und großen Bergen, man beginnt immer mit dem ersten Schritt.

Dieser war in unserem Fall der, dass wir festlegen würden, wo auf unserem, oder zukünftig unserem Grundstück das Haus stehen würde. Und wenn wir schon mal so in Schwung waren, würden wir auch gleich dazu festlegen, wo die Auffahrt sein würde. Der Chekow in mir wollte wieder ein „Ich kann das, ich kann das!“ in die Welt herausrufen, denn ich war mir ziemlich sicher, dass ich das wirklich konnte. Allerdings war es sehr unpraktisch, das alleine zu machen und andererseits war es an der Zeit mein As im Ärmel aus dem Hut zu zaubern. Also holte ich meinen Vater dazu, der den großen Vorteil hatte, sowas schon mehr als häufig gemacht zu haben.

Also bewaffneten wir uns mit rollenweise Maurerschnur, Maßbändern, Zollstöcken, einem großen Hammer und einigen Holzpflöcken. Auch wenn der Verdacht nahe lag, wollten wir keinen Vampir fesseln und ihm danach einen Pflock ins Herz rammen. Wir suchten die Grenzsteine von unserem Grundstück und spannten dementsprechend Schnüre zwischen ihnen. Also machten wir die Grenzen des Grundstücks sichtbar. Der Rest war einfach, Ein bisschen Messen hier, ein bisschen Messen da und schon hatten wir einen ersten Eckpunkt festgelegt. Jetzt war er da, der spannende Moment. Ich nahm einen Pflock, setzte ihn an und schlug ihn in die Erde. Der erste Schritt in Sachen Hausbau war getan. Entgegen meiner Erwartung war es aber nicht der erhebende Moment, den ich mir vorgestellt hatte. Es war vielmehr so, als wenn ich irgendeinen Pflock in irgendeinen Boden gerammt hätte. Kein Champagner, der an einem Schiff zerschellt, kein Aufleuchten am Himmel, kein Engelschor. Es ist dem Universum recht egal, wenn Du ein Haus bauen willst. Und so maßen wir weiter und ich schlug mehrfach. Meistens traf ich auch.

Am Ende standen einige Pflöcke, die so leidlich sachgemäß in den Boden gerammt wurden und ihre Anordnung ließ einen gewissen Grundriss erahnen. Dieser war aber nicht der eigentliche Hausgrundriss, sondern nur der Anhaltspunkt für die Firma, die die Sandplatte erstellen würde, auf der unser Haus später stehen sollte. Was noch fehlte war die Angabe der Höhe der Sandplatte. Also wie hoch durfte sie über dem Niveau der noch zu entstehenden Straße sein. Also musste man die Höhe des fertigen Fußbodens (den es noch nicht gab) im Vergleich zur Fahrbahnhöhe der Straße (die es auch noch nicht wirklich gab) anpassen.

Und dafür gab und gibt es eine Vorschrift. Vorschriften sind sowieso ein ständiger Begleiter beim Hausbau. Manche sind allgemeiner Natur und andere werden von der Gemeinde in der man baut, bestimmt. Sowas wie die Farben des Mauerwerks, der Dächer und welche Hecke man später pflanzen darf, oder aber auch die Höhe des Fußbodens. Manche Vorschriften sind auf den ersten Blick vielleicht etwas doof, aber die meisten machen dann doch irgendwie Sinn. Wenn es keine Vorschriften gäbe, könnte Dein Nachbar vielleicht einen 12 stöckigen Bunker auf das Grundstück setzen und eine Nachbildung der Berliner Mauer drumrum bauen. Es mag Nachbarschaften geben, bei denen das vielleicht die angebrachte Bauweise ist, aber ich möchte ausdrücklich betonen, dass es bei uns überhaupt nicht der Fall ist. In keinster Weise! Ein bisschen Natodraht reicht da schon (kleiner Scherz).

Die Höhe wollte also festgelegt werden und ich war auch durchaus in der Lage einzusehen, warum das so sein sollte. Manchmal bin ich halt weniger blöde, als es den offensichtlichen Anschein hat. Ich habe meine lichten Momente. Und weil ich gerade einen solchen hatte, kam ich auf die grandiose Idee, erstmal ein Bier zu trinken. Ach nein, ich meine natürlich die andere grandiose Idee. Und zwar dachte ich mir, dass die Gemeinde festlegen wollte, wie hoch ich mit dem Hausboden sein darf und da wäre es doch schlau, wenn ich mit dem Chef der Gemeinde direkt dieses Maß festlegen würde. Und der Chef war erstaunlicherweise mal nicht der Hase, sondern der Bürgermeister und dessen Maxime war: “ Tut Euch und mir einen Gefallen und baut nicht zu tief.“

Es geht auch darum, dass später das Regenwasser von der Straße nicht auf das Grundstück läuft, sondern umgekehrt. Aber zu hoch bauen sollte man auch nicht. Es war ein schmaler Grat und wenn das schief ginge, könnte das verheerende Folgen haben. Baustopp! Eine fette Strafe zahlen! Eine fette Strafe beim Baustopp zahlen und dann nochmal von vorne anfangen! Geteert und gefedert werden! Fleischlose Bratwurst und alkoholfreies Bier lebenslänglich! Der Maßnahmenkatalog war umfangreich und erschwerend hinzu käme ein verzweifelter Hase. Wer sollte sowas wollen? Und so kam der Bürgermeister vorbei und wir maßen und ich war froh teilen zu können. Also die Verantwortung meine ich. Man muss in manchen Sachen großzügig sein.

Nachdem dies alles geschehen war, kam die Firma für die Sandplatte und kofferte erstmal den Mutterboden soweit aus, bis der Untergrund fest genug war, um später ein ganzes Haus (und mich) zu tragen. Dann wurde soviel weißer / gelber Sand aufgefahren und verdichtet, bis die gewünschte Höhe erreicht war. Machen musste ich dabei nichts. Ich musst nur die Firma (wir hatten im Vorfeld drei Angebote von drei Firmen eingeholt und dann das Günstigste genommen) aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken und den Auftrag zur Ausführung freigeben. Und natürlich mussten wir auch noch dafür bezahlen. Bezahlen wurde unser neues Hobby. Und es ging dabei nie um kleine Summen. Nicht vergleichbar mit dem was man im Getränkemarkt an der Kasse zahlen muss. Eher das was man in ein bis sieben Jahren zusammengenommen in sämtlichen Super- Getränke- und sonstwas- Märkten zu berappen hatte. Wir jonglierten mit astronomischen Zahlen und es war erschreckend, wie selbstverständlich das über die Bühne ging. Es war, als wenn wir es gewohnt waren, jede Woche mindestens ein Auto zu kaufen und es waren keine Matchbox Autos.

Dann war es so weit, die Sandplatte war erstellt worden und der nächste Schritt konnte kommen. Wir mussten den Bau auswinkeln. Wir, also mein alter Herr und ich, bewaffneten uns wieder mit Pflöcken und Schnur und ein paar Brettern und Hämmern und Nägeln. An die vier Ecken des zukünftigen Hauses wurden ein paar Pflöcke mehr in den Boden gehauen und jeweils mit Brettern verbunden. Auf diese Bretter schlug ich ein paar Nägel, deren Standorte alle haarklein ausgemessen wurden. Daran wurden später Maurerschnüre befestigt und gespannt und jeder Nagel war ein Maß (Fundament, Außenmauerwerk, Innenmauerwerk usw.) und je nachdem was gerade gebaut werden sollte, wurden dann die entsprechenden Nägel gewählt und die Schnur gespannt. Es war wahrlich eine spannende Angelegenheit. Und rechtwinklig musste das Ganze auch noch sein. Dinge die man hier falsch macht, verfolgen einen die ganze Bauzeit. Daher war mein Vater so wichtig. Er war in solchen Sachen immer sehr penibel genau. Ich hingegen war auch gern mal bereit alle fünfe gerade sein zu lassen. Aber nicht mit dem Meister (so haben wir ihn auf dem Bau immer genannt)!

Jetzt war es soweit, alle vorbereitenden Maßnahmen waren fertig und es konnte nun wirklich losgehen. Ich war voller Vorfreude und machte mir gleichzeitig sinnbildlich in die Hose. Ich fühlte mich wie ein Rennpferd mit ADHS, das schnaubend und mit den Hufen scharrend darauf wartet, dass das Rennen losgeht. Es war an der Zeit, ich wollte mir, dem Hasen, der Welt und egal wem beweisen, dass ich sowas wirklich durchziehen könnte. Ich wollte zeigen, aus welchem Holz ich geschnitzt bin und dass das meiste Holz nicht unbedingt im Kopf ist. Ich wollte einfach nur anfangen und steckte so voller Energie, dass es mir rückblickend beinahe ein bisschen gruselig vorkommt. So als hätte ich ein paar Hektoliter Red Bull getrunken. Und mir war klar, dass ich genau diese Energie brauchen würde. Die Frage war nur, wie lange würde sie anhalten? Wann würde der Moment kommen, an dem ich murmelnd in der Ecke sitzen und mir denken würde: „Macht Euern Scheiß doch allein, ich bin raus!“ Ich hoffte inständig, er würde möglichst nie und wenn, dann nach dem Bau kommen. Und mit Hoffnungen ist das auch immer so eine Sache, das war mir klar.