Gipfelstürmer…..dreimal schwarzer Adler

Tag 2 Wanderung 1 über den Hochtannbergpass

700 Meter hoch und 300 Meter runter Zeitvorgabe ca. 5 Stunden bei 10km Strecke

Eine weitere Grundwahrheit, wenn man durch die Alpen wandern will, ist, Du musst Dich vorbereiten. Denn das Programm, dass wir vor uns haben ist mehr als sportlich. Fünf Tage hintereinander Bergwandern mit bis zu knapp 1.000 Höhenmeter an manchen Tagen ist kein Zuckerschlecken. Meine „Vorbereitungen“ erstreckten sich auf einen Bergwandertag in Bad Ems bei unserer Tochter. 500 Meter hoch und runter und ich war zeitweise echt schon am Ende. Außerdem als weitere Vorbereitung dienten ein paar Waldwanderungen im Flachland und ein paar halbherzige Versuche das Joggen wieder aufleben zu lassen. Ein nur bedingt erfolgreiches Unterfangen. Ich war wie einer dieser Leute, die sich in ein Fass setzen, um damit die Niagara Fälle runterzusausen und vorher noch ganz optimistisch denken, dass es doch gar nicht so schlimm werden kann. So hoch sind die ja nun auch nicht…ich glaube die Meisten sind auf der Strecke geblieben und tief im Innersten habe ich die leise Befürchtung, dass mir hier in den Alpen ein ähnliches Schicksal droht. Auch ohne Fass. Das Fass bin ich selber.

Es ist Montagmorgen und die Vorzeichen für unsere Wanderung sind alles andere als gut. Der pausenlose Regen draußen, wechselt sich ab mit starkem pausenlosen Regen, gefolgt von noch stärkerem Regen. Hmmh, das macht Lust auf Wandern. Wenn ich ehrlich bin, verlässt mich ein bisschen die Vorfreude und ich wäre sofort dabei, wenn jemand sagt, dass heute wegen der widrigen Witterung nicht gewandert werden könne, weil Lawinengefahr bestünde. Aber natürlich bleibt diese Nachricht aus und eigentlich möchte ich ja auch rauf auf den Berg. Soll mich hinterher keiner für einen Waschlappen halten. Die Nacht war nicht erholsam und freudlos und auch das Frühstück ist eher so geartet. Auf den ersten Blick ist alles da, was man zum Frühstück braucht, aber die Brötchen sind etwas pappig und das Rührei scheint einen gewissen Gummianteil aufzuweisen. Man muss hauchdünne Handschuhe überstreifen, wenn man sich an dem Buffet bedienen will und wir sitzen auf hippen unbequemen Hockern, die an einem hohen Tisch stehen. Wir hatten keine Wahl, denn jede Gruppe bekommt streng die Plätze und Zeiten zugewiesen.

Dafür wird der Regen etwas geringer. Man bekommt das unbestimmte Gefühl der Hoffnung, dass es doch besser werden kann. Wir verlassen das hippe „Explorer“ und fahren zu einem Sammelparkplatz, auf dem unser Auto den Rest der Woche stehen soll. 42 Euro kostet der Spaß. Eigentlich für die Dauer noch recht erschwinglich wie ich finde, allerdings nimmt der Automat nur Hartgeld an. Keine Scheine, keine Karten, dafür muss Opa 21 2Euro Münzen reinstecken. Die erste Viertel Stunde ist schonmal um. Mit dem öffentlichen Bus geht es dann nach Baad, unserem ersten Startpunkt, der auch schon in Österreich liegt. Die Fahrt soll eine Viertel Stunde dauern. Der Fahrer scheint der Auffassung zu sein, es auch in der halben Zeit schaffen zu können. Recht sportlich, wie er die Serpentinen hochrauscht und dabei Fahrbahnmarkierungen nur als grobe Richtwerte ansieht, an die man sich nicht immer halten muss. Meinen Gedanken, in dem halb gefüllten Bus einen Stehplatz einzunehmen, verwerfe ich, als ich massiv durch den Bus geschleudert werde. Ich setze mich neben meine Tochter, die somit ein bisschen eingequetscht die Fahrt „genießen“ kann.

Der Regen nimmt wieder zu und man kann die wolkenverhangenen Berge in der Hauptsache nur erahnen. Genauso wie ich den Zeitpunkt der Grenzüberschreitung nicht genau bestimmen kann. Meinen Einmarsch in Österreich hatte ich mir etwas glamouröser vorgestellt. Kurz bevor der Bus die Schallmauer durchbricht, bremst er und hält an einer recht großen Haltrestelle im Nirgendwo (Baad) an. Dort befindet sich ein geschlossener Warteraum, in dem wir uns dem Wetter entsprechen anziehen können. Also den Regenschutz über den Rucksack und das Regencape über die Personen. Ich weiß nicht wieso, aber über mich wird in diesem Augenblick am meisten gelacht. Auch Toiletten sind hier und manch einer macht noch einmal Gebrauch davon. Ich nicht. Ich muss ja auch nicht. Und raussingen kann ich es auch nicht. Ich bete stumm dass der Gummianteil vom Rührei nicht auf dem Berg abführende Wirkung entwickelt.

Und dann ist er da, der Moment, an dem ich meine ersten Schritte Richtung Alpen unternehme und ich muss nach zwanzig Metern schon pusten. Das liegt nicht an der Strecke, die hier noch sehr moderat ansteigt, sondern an meiner überbordenden Nervosität. Ich fühle mich wie ein vom Lampenfieber geplagter Marathonläufer und ein Stück weit bin ich das ja auch. Die Größe der Aufgabe, die vor uns liegt, schüchtert mich ebenso ein, wie die hohen Berge, die mich hier überall umgeben. Aber sie sehen gleichzeitig auch irgendwie so unvergleichlich schön aus. Majestätisch und eigentlich möchte ich auch nichts lieber machen, als hier hochzulaufen und gleichzeitig auch lieber unten bleiben, weil ich schlapp machen könnte. Man merkt, ich bin verwirrt. Verwirrter als sonst und ich dachte, das geht eigentlich nicht mehr.

Wir laufen über einen breiten Schotterweg, der auch von Fahrzeugen genutzt werden kann und deshalb auch nicht enorm steil ist. Nach fünf Minuten hat sich die Hitze bei mir unter dem Regencape so gestaut, dass ich kurz vor hartgekocht bin. Glücklicherweise hört der Regen auf und ich kann das Gedöns ausziehen. Wir erreichen nach hundert Höhenmetern die „Bärgundhütte“, haben dafür aber auch schon über einen Kilometer Strecke verbraucht. Wahrscheinlich eher zwei Kilometer. Ich beginne zu rechnen. Wenn wir mit der gleichen Steigung weiter nach oben kommen wollen, müsste der Weg jetzt noch über 12 km lang sein. Es bleiben aber nur insgesamt noch acht km, von denen ein guter Teil auch noch bergab geht. Was also passiert, wenn die Strecke kürzer wird, die Höhe aber bleibt? Genau, es wird zwangsläufig steil werden. Und je mehr moderate Anstiege auf der Strecke sind, desto steiler ist der Rest. Vielleicht kommt ja noch diese Steilwand, vor der ich so viel Angst habe. Oder der Durchfall. Oder Durchfall an der Steilwand. Ein Korken für den Notfall wäre nicht schlecht. Oder ein Tannenzapfen. Man muss nehmen was man kriegt.

An der Hütte ist ein Einheimischer, der uns sagt, dass wir keinen Regen zu befürchten haben und uns auch mal leichter anziehen könnten. Mich kann er nicht gemeint haben, denn ich trage nur das nötigste am Leib. Gerade so viel, dass man die Tiere und Mitmenschen nicht traumatisiert. Aber gerade meine Tochter ist lieber noch ein bisschen mehr eingepackt. Was den Einheimischen etwas verärgert, weil wir seiner Wetterprognose offensichtlich nicht ganz trauen. „Na dann macht´s doch was Ihr wollt“, sagt er schnippisch und wir gehen weiter.

Mit meinen Einschätzungen liege ich übrigens komplett richtig. Der Weg, der ab der Hütte nur noch ein steinerner Trampelpfad ist, wird zusehends steiler. Dafür schwinden die Wolken und wir sehen immer mehr von der Alpenlandschaft, die erstaunlicherweise sehr viel Grün in sich hat. Es entsteht eine Wechselwirkung zwischen Schönheit und Schmerz, die es sonst wohl nur in einem SM Studio geben könnte. Zumindest für die, die auf so etwas stehen. Bin ich weit entfernt von. Aber trotzdem tut mir auch hier schon bald alles weh.

Wenn man in den Alpen ist, dann findet man schnell heraus, der Berg spricht mit Dir. Nonverbal, also ohne Worte natürlich, aber seine Botschaften sind eindeutig. Mir zum Beispiel sagt er mit jedem Schritt, den ich an ihm emporsteige: „Du bist zu dick! Du bist zu dick! Du bist zu dick!“ Ja, diese Botschaft hatte ich verstanden. Auch die, wo mir gesagt wird, dass ich hätte viel mehr trainieren sollen. Aber er sagt auch: „Dreh Dich mal um!“ Und so mache ich das auch häufiger und mit jedem Umdrehen und jedem nach oben gelaufenen Meter wird der Ausblick schöner. Und wenn ich im Vorfeld so meine Vorstellungen hatte, wie es in den Bergen aussehen wird, dann muss ich sagen, es ist anders als erwartet, aber auch schöner als erhofft. Wir entfernen uns immer weiter von menschlichen Behausungen und die Wolken umspielen die Gipfel der Berge rund um uns herum. Da der Einheimische ja gesagt hat, dass es nicht regnet, finde ich diese Wolken auch schön.

Das Ziel unserer Wanderung ist der Hochtannbergpass, der eine Art Bergkamm ist und von dem aus wir dann ins Tal nach Warth gehen, um dort den Bus zu erwischen. Also wird der Bergkamm der höchste Punkt der heutigen Wanderung sein und mit seinen knapp 2.000 Metern, der höchste Punkt, an dem ich je zu Fuß gewesen bin. Ein bisschen Ansporn ist das schon, aber ich muss mein Tempo ziemlich herunterfahren und ich brauche auch viele kleine Pausen. „Zu dick, zu dick, zu dick“, murmelt der Berg. Faszinierenderweise habe ich so gut wie gar keinen Hunger und ich brauche meine eher knappen Vorräte bei Weitem nicht auf. Ich hatte mir ein paar Bifi und Salami, die anders aussah, aber letztlich wie Bifi schmeckte und ein paar Müsliriegel mitgenommen. Unter normalen Umständen hätte ich spätestens mittags in meinen Rucksack gebissen, vor lauter Verzweiflung. Aber wie gesagt, ich bin nicht hungrig. Und auch der Durst hält sich in Grenzen.

Beinahe unmerklich erreichen wir unter Strapazen die letzten Meter vor dem Kamm und ich nehme mir vor, dort oben eine Pause einzulegen und einmal schwelgerisch ins Tal zu blicken. Aber irgendwie hat sich der Himmel hier oben zugezogen und mit Aussicht ist es Essig. In der Ferne hört man Donnergrollen. Das stimmt mich nicht gerade zuversichtlich oder gar fröhlich. Und oben an dem Kamm beginnt es zu regnen. Erst verhalten, dann immer mehr. Und wenn ich vorher gedacht habe, dass so ein Kamm nur ein paar Meter breit ist und dann der Abstieg beginnt, so sehe ich mich getäuscht, denn in Wahrheit ist das Ding gefühlt zweihundert Meter breit. Und nun geht das mit dem Regen erst richtig los. Und ich denke: „Vielen Dank, Einheimischer für diese präzise Wettervorhersage, Du Spacken!“ Es schüttet wie aus Eimern und ich muss mein Regencape wieder anlegen. Natürlich werde ich dabei erstmal so richtig nass. Dafür kommt auch das Gewitter näher. Was man nicht so sieht wie im Flachland, weil man sich ja mitten in den Wolken befindet. Beim Anlegen der Regenkleidung löst sich mein Hosenträger, der bisher meine Hose getragen hat.

In den Hinweisen zum Verhalten bei Gewitter im Gebirge, steht, dass man sich möglichst Schutz in einer Hütte oder Höhle suchen soll. Und wenn man Bäume wähle, dann bitte keine einzeln stehenden Exemplare. Für uns ist die Sachlage einfach, wir haben weder Höhle, Hütte noch Bäume. Weder allein, noch in Gruppen. Wir sind erstens schutzlos und zweitens auf dem höchsten Punkt in ungefähr 500m Umkreis. Es schüttet wie aus Eimern und ich denke: „Ey Wettergott, ist das alles was Du kannst?“ Natürlich kann er noch mehr und es hagelt erbsengroße Hagelkörner, die wie Schrotgeschosse auf uns gefeuert werden. Das tut weh. Aua! Wir beschleunigen unsere Schritte und sind bemüht, so schnell wie möglich vor dem Unwetter taleinwärts fliehen zu können.

Zu den drei größten Schockmomenten in meinem Leben gehören die Fahrt mit dem „Colossus“ im Heidepark, die erste Gehaltsabrechnung als Schlossergeselle (Waaas, so wenig?) und seit eben auch dieser Donner, der mit einer Urgewalt erdröhnt, dass man meinen könnte, dass das Bergmassiv zur Rechten, das sehr ansehnlich ist, mit einer 12 Megatonnen Bombe in die Luft gesprengt würde. Alles was Recht ist, aber so einen lauten Gewitterdonner habe ich noch nie gehört und dann noch bei dieser Höhe. Ich erschrecke mich dermaßen, dass ich laut aufschreie und einen großen Hüpfer zur Seite mache. Gefolgt von ein paar kleineren Hüpfern. War ich bisher mit Abstand der Langsamste von uns, überhole ich den Rest der Mannschaft jetzt gerade spielend. Ich glaube ich könnte in diesem Augenblick auf dem Matterhorn Bockspringen machen.

Wir laufen sehr schnell durch matschiges Geläuf und treten dabei immer wieder in große gelbliche Pfützen, die so tief sind, dass das Wasser in die ansonsten wasserdichten Wanderstiefel meiner Tochter läuft. Wir erreichen den Rand des Kammes und beginnen mit dem Abstieg. Der Hagel hat aufgehört, der Regen wird langsam weniger und das Gewitter zieht ab. Aber uns ist noch mulmig und so machen wir uns ohne Pause an den Abstieg. Der Weg ist wie oben, gelb, matschig und mit tiefen Pfützen. Nur dass er auch schweinemäßig steil ist. Serpentinenartig geht der Weg runter ins Tal und wenn man schon steil auf eine Kurve zukommt weiß man, es wird danach noch steiler. Das Wasser, was der ergiebige Regen gebracht hat, möchte ebenfalls taleinwärts und nutzt dazu den gleichen Weg wie wir. Was den Abstieg nicht gerade erleichtert. Mehrmals beginnen wir zu rutschen und der Berg spricht: „Zu dick!, Du bist zu dick!“ und dann passiert es, ich rutsche aus, weil ich mein Gewicht angesichts des Gefälles und der Bodenbeschaffenheit nicht mehr kontrollieren kann. Ich ramme einen Wanderstock in den Boden, um nicht ungewollt den ganzen Hang herunterzurutschen. Der Moment, an dem ich am dankbarsten bin, dass ich auf Opa gehört und mir Stöcke gekauft habe.

Die Bewegungsenergie wird in Verformungsenergie umgewandelt und der Stock ist am unteren Ende krumm. Ich stehe auf, besudelt vom Matsch und gehe weiter. Selbst Großvater, der erfahrene Alpinist, sagt, dass dieser Abstieg ungewöhnlich schwierig ist. Und um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, rutsche ich ein zweites mal aus, kann mich aber noch fangen, ohne den Stock ganz zu zerbrechen. Die Wolken lichten sich, das Tal wird sichtbar und der Weg wird nicht gerade einfacher. Erst gegen Ende, das wir nur zögerlich erreichen, bessert sich die Lage. Unterwegs habe ich immer wieder damit zu kämpfen, dass mein Cape nicht richtig sitzt und die Hose immer wieder runterrutscht. Durchnässt, matschig und an der Hose zippelnd komme ich als letzter von uns an der Bushaltestelle an. Zusammen mit dem krummen Stock ergebe ich ein desolates Bild für die anderen Wanderer, die dort warten.

Die meisten von ihnen sind ernst und schweigsam. Nur wir vier haben eine enorm gute Laune. Sei es, weil wir das Gewitter überlebt haben, oder weil die Luft da oben zu dünn ist, oder aber weil wir einfach nur eine enorm positive Einstellung haben, wir haben jedenfalls wirklich Spaß an der Sache. Wir machen also ein paar Witzchen, aber irgendwie springt da keiner recht drauf an. Lediglich ein Pärchen in beinahe meinem Alter scheint ein wenig lockerer zu sein. Der Bus kommt und der Fahrer fährt, ähnlich wie sein Kollege heut morgen, auf Rekordgeschwindigkeit. Was uns ganz recht ist, weil wir so schneller zum Hotel kommen. Raus aus den Klamotten, rein ins Zimmer (natürlich in umgekehrter Reihenfolge) und dann eine warme Dusche und der Tag ist wieder unser Freund.

Aber Pusekuchen. Die erste Hiobsbotschaft ist, dass der ASI Typ von gestern hier keine zwei Einzelzimmer geordert hat. Wieder muss Opa mit dem Portier verhandeln. Der aber ist einigermaßen flexibel und so klappt es dann doch mit dem Zimmer. Der weitaus größere Wermutstropfen ist, dass unser Gepäck noch nicht da ist. Wir sollen aufs Zimmer gehen, die Chefin würde bescheid geben, wenn es da wäre, meint der Portier und stellt uns noch kurz die drei möglichen Speisen vor, die in unserer Halbpension enthalten sind. Ich nehme Rindergulasch und denke so, naja, das klingt nicht gerade nach sehr viel, aber es wird schon schmecken.

Die Kinder haben ein Zimmer direkt gegenüber von dem Meinen und somit den gleichen phantastischen Ausblick vom Balkon. Nach einer kleinen ebenen Fläche erheben sich große Berge und ein imposanter Wasserfall rauscht den Berg hinunter. Ich ziehe mein völlig durchnässtes T-Shirt aus und sitze auf einem Stuhl in einer nassen und schmutzigen Hose, einem nassen und schmutzigen (ehemals weißem) Unterhemd und den wieder befestigten Hosenträgern. Da klopft es an der Tür. Ah, die Kinder, denke ich und öffne. Draußen steht eine mittelalte blonde Frau mit einer signalfarbenen Allwetterjacke und wirkt ein wenig pikiert, als sie mein Erscheinungsbild betrachtet. Hätte ja gerne was anderes angezogen, habe aber keine Klamotten, die sind im Gepäck und das ist ja nicht da. „Bist Du auch über ASI hier?“, fragt sie und ich erkenne nicht den Hauch von Freundlichkeit in ihrer Stimme. Sie ist eher zackig, so wie ich es bei der Bundeswehr kennengelernt habe. Reflexartig gehe ich in Grundstellung und melde, dass ich mit ASI hier wäre. Sie sagt etwas wie, dass um 17 Uhr das Gepäck käme und ich bin gewillt ihren Aussagen zu glauben.

Und weil ich eine standrechtliche Erschießung befürchte, bin ich auch pünktlich unten. Für eine Hotelchefin eigentlich eher unfreundlich, denke ich als ich den zusammengekniffenen Mund sehe. Aber ich irre mich, denn sie ist ein Guide für eine geführte ASI Tour und ihre sieben Zwerge, mit denen sie durch die Alpen wandert, warten ebenso im Foyer, wie wir vier und das nette Pärchen. Genaugenommen alle Leute, die vorhin noch an der Bushaltestelle waren. Das Gepäck ist natürlich noch nicht da, und weil die grummelnde Führerin die einzige ASI Kraft im Hotel ist, spricht Opa sie auch an und muss erstmal loswerden, dass er auch wegen der Zimmerfrage nicht wirklich erfreut ist. Wenn sie mal spricht, dann schnippisch und so schnippischt sie so etwas wie: „Pech gehabt.“ oder ähnlich. Freundlich geht wirklich anders.

Das fehlende Gepäck und die unzufriedenen Wanderer (auch aus ihrer Gruppe) scheinen sie zu nerven und so stellt sie sich barfuß vor die Tür und versucht offensichtlich durch intensives in die Ferne gucken, die Gepäcke herzuzaubern. Nach rund zwanzig Minuten geht sie nach oben und holt ihr Handy. Sollte sie der Gedankenblitz erreicht haben, dass man vielleicht mal telefonieren und sich erkundigen könnte, was mit dem Gepäck los ist? Verwegener Gedanke, aber nicht unmöglich. Man stelle sich vor, sie könnte es uns sagen und wir könnten so etwas wie Verständnis entwickeln….nicht auszudenken.

Im Ton noch nicht einen Deut freundlicher, erklärt sie uns, dass es Murenabgänge gegeben habe und deshalb einige Straßen unpassierbar seien. Na, geht doch. Mehr will man doch erstmal gar nicht. Das ist dann höhere Gewalt und gegen die ist man eben mal machtlos. Just in diesem Moment kommen zwei Fahrzeuge mit den Gepäckstücken und die Ausgabe der Koffer geht natürlich nicht geordnet von Statten. Allein schon, weil meiner der Erste ist und ich ihn mir sofort schnappe und gen Zimmer verschwinde. Mir ist egal, ob die blöde Gans das nun gut findet, oder nicht,

Im Zimmer habe ich in der Zwischenzeit sämtliche nassen Kleidungsstücke ausgebreitet und irgendwie aufgehängt, damit sie trocknen mögen. Außerdem habe ich erkannt, dass ich keine Dusche, sondern eine Badewanne habe. Es gibt doch noch einen Gott. Ich lasse volllaufen. Die Wanne, nicht mich und liege für eine recht lange Zeit im brüllend warmen Wasser. Wenn einer zufrieden ist, dann bin ich es in diesem Moment. Wir treffen uns zum Essen und bekommen einen Tisch in dem sehr schön rustikalen Restaurant zugewiesen. Auf dem Tisch befindet sich mehr Besteck als manch einer in der Schublade zu Hause hat und das verwirrt uns zunächst. „Ich glaube das liegt hier standartmäßig auf den Tischen. Das meiste werden wir nicht brauchen“, sage ich zur Beruhigung.

Aber ich sollte mich irren. Wir bekommen ein 5 Gänge Menü und ein Gang ist leckerer als der andere. Das Hotel heißt übrigens Schwarzer Adler“ und wir haben es sofort ins Herz geschlossen. Es ist insgesamt etwas rustikal aber schön und gerade was das Essen angeht, werden sich die anderen Hotels noch ganz schön strecken müssen, um da mithalten zu können. Und so findet dieser nicht ganz einfache Tag einen sehr schönen und harmonischen Ausklang. Mein Fazit für heute: Es ist anstrengend, aber das habe ich erwartet. Es ist schön in den Bergen, das habe ich mir erhofft. Es war nicht ganz einfach bei Sturm und Gewitter und es hat trotz aller Widrigkeiten immer wahnsinnig Spaß gemacht. Ich glaube mir würde es auch Spaß machen, wenn ich mir mit nem Hammer auf den Fuß haue. Die Wanderzeiten, die von ASI in einem Infoheft angegeben waren, konnten wir einhalten und auch die Höhenmeter passen. Alles in allem ein aufregend guter Anfang. Bin gespannt auf morgen.