„Kameraden“, sagte unser Stuffz. Also der Stabsunteroffizier. Der, auf dessen Schulterklappen dieses umgekippte geschlossene „U“, die sogenannte „Deppenrennbahn“, prangte. Ein Stuffz! Ein echter Stuffz! Für den normalen Schützen, so eine Art Gott. Zumindest, meinte der Stabsunteroffizier, dass es so wäre. In der Hierarchie der Götter, also der Vorgesetzten, war er aber im ganz unteren Feld angesiedelt. Also eher ein kleiner Gott. Und bei diesem Speziellen traf das auch anatomisch zu. Es hielt sich das hartnäckige Gerücht, dass er so klein sei, dass er eine Leiter bräute, um ins Auto einsteigen zu können. Er, also der Stabsunteroffizier, oder der kleine Gott, sagte immer Kameraden, wenn er mit uns sprach. Eigentlich war er aber kein netter Mensch und erst recht kein Kamerad.
Ich dachte gerade darüber nach, dass ein Kamerad sinngemäß eigentlich ein Fotoapparat mit einem „d“ hinten dran ist, als er uns ansprach. „Kameraden“, sagte er, aber das hatten wir ja schon, „wir sind hier im Wald….“ Seine Auffassungsgabe erstaunte. Woran mochte er das erkannt haben? Vielleicht an den Bäumen? Recht scharfsinnig für einen Vorgesetzten. Wir befanden uns aber auch wirklich in einem Wald. Genaugenommen in einem Wald bei Deutsch-Evern. Ein beliebter Truppenübungsplatz in der Nähe von Lüneburg, zumindest damals, als ich in der Grundausbildung war. Wir waren auf 48 Stunden Übung und er hatte uns gerade antreten lassen, um uns ein paar Instruktionen zu geben. „…..und wenn es Nacht wird in einem Wald“,fuhr er fort,“ dann ist es dort so dunkel, wie im Arsch eines Bären!“
Woher weiß der sowas, dachte ich. War er vielleicht sogar einmal selbst drin, im Arsch eines Bären? Klein ist er ja…. und wenn der Bärenarsch groß genug ist, wer weiß, vielleicht könnte das ja passen. Meine Kameraden begannen zu lachen. Was war los? Hatte ich etwas verpasst? Mein Nebenmann, ein unscheinbarer dürrer Jüngling, der mir bisher kaum aufgefallen war, lachte am lautesten und sagte:“ Der war gut…..hahaha…..wenn der Bärenarsch groß genug ist……hahaha….!“ Oha, ich hatte wohl versehentlich laut gedacht. Passierte mir manchmal, weil ich eigentlich pausenlos irgendwas dachte und dann nicht immer kanalisieren konnte, ob ich es auch aussprach, oder nicht. Diesmal hatte ich anscheinend nicht innehalten können. Vom lauten Gelächter aufmerksam geworden, lenkte der nicht sehr nette Stuffz seine Aufmerksamkeit in Richtung meines dürren Nebenmannes und mich sah er auch nicht gerade begeistert an. „Schütze Kreuzmann“, sagte er zu ihm, “ es scheint ja einigermaßen erheiternd zu sein, was ich Ihnen zu sagen habe. Wären Sie so gütig, mich daran teilhaben zu lassen, was es genau gewesen ist, das diese Heiterkeit hervorruft?“ „Aber sicher“, sagte dieser und wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augen. „Das heißt: Aber sicher, Herr Stabsunteroffzier!“, sagte der Herr Stabsunteroffizier, im Ton schon etwas lauter werdend. Mir wurde etwas mulmig. Boah, der wird das doch jetzt nicht petzen? „Halt bloß Deine Klappe“, zischte ich meinem Nebenmann zu.
Natürlich hielt er sie nicht. Und so erzählte er dem Herrn Stabsunteroffizier, der im Normalfall kein humorvoller Mensch war, was er vernommen hatte. „Soso“, sagte der Stuffz,“ und wer erzählt solche Annekdoten?“ „Na er“, antwortete die dürre Gestalt neben mir und zeigte dabei in meine Richtung. Volltreffer! Na bestens, dachte ich, was nun wohl kommt. Unser kleiner Vorgesetzter blieb zumindest äußerlich ruhig. „Männer“, wandte er sich an die ganze Abteilung, die aus 15 Mann bestand, „diese beiden Kameraden hier (er zeigte auf Kreuzmann und mich) haben sich soeben freiwillig gemeldet, sämtliche Schützennester auszuheben!“ Freude war es nicht, was in meinem Gesicht abzulesen war.
Beifälliges Gemurmel von der Mannschaft. „Danke Ihr Pappnasen!“ „So doof möchte ich auch mal sein!“ „Manchmal muss man einfach nur die Fresse halten können!“ Aber so richtig böse war uns Niemand, denn Schützennester ausheben bedeutete, den Klappspaten zu nehmen und im Wald Löcher und Gruben auszuheben, in denen der gemeine Soldat später Zuflucht finden kann, um dort so unsichtbar wie möglich auf den Feind zu warten. Niemand gräbt gerne Löcher mit dem Klappspaten in den Waldboden. Und ich schon gar nicht. Da sind überall Wurzeln von Bäumen und dann lässt es sich so furchtbar schwer graben. Ach, ich beneidete mich nicht um meine Aufgabe.
Aber der Stuffz war noch nicht fertig: „Für den Rest der Truppe, der nun über zuviel Freizeit verfügt, gilt ab sofort Waffen reinigen und danach körperliche Ertüchtigung!“ Die Grundstimmung änderte sich seltsamerweise schlag artig und „Danke Ihr Pappnasen!“ „So doof möchte ich auch mal sein!“ und „Manchmal muss man einfach nur die Fresse halten können!“ bekamen ganz plötzlich eine ganz neue Bedeutung.
Eine 48 Stunden Übung ist so eine Art Seminar. Ein Workshop in oliv. Camping mit Bewaffnung, erwartbaren kriegerischen Handlungen und vor allem ohne jeglichen Komfort. Um die Latrinen bei solchen Übungen rankten sich die wildesten Geschichten und wer es vermeiden konnte, sie aufzusuchen, war ein glücklicher Mensch. 48 Stunden können da eine verflucht lange Zeit werden. Die Übungen fanden dann auf Truppenübungsplätzen statt und auf die Teilnehmer warteten viele Überraschungen. So gab es zum Beispiel eine Art Schminkkurs, bei dem das Gesicht in den Modefarben Grün, Grau und Braun bemalt wurde. Tarnung nannten die Ausbilder das. In diesem Zusammenhang wurden auch Grasbüschel oder lustige Zweige an den Helmen befestigt. Man sollte eins werden mit Wald und Flur. Für den Feind praktisch unsichtbar. Meinen Vorschlag, als Elch, oder Wildschwein gehen zu wollen, behielt ich genauso für mich, wie die Bemerkung, dass meine Haut die Farben höchstwahrscheinlich nicht vertragen würde. Ich glaube nicht, dass sich jemand für die Pickel interessierte, die ich zu erwarten hatte.
In einer kleinen Lichtung hatten wir unser Lager aufgeschlagen. Hier kamen auch die halben Zelte, die Dackelgaragen zum Einsatz. Das bedeutete, dass sich immer zwei Mann zusammen taten und sich mit je 50% Zeltmaterial an der Schaffung einer kleinen gemeinsamen Behausung beteiligten.Zwei ausgewachsene Männer passten da wohl rein, aber man musste schon sehr dicht beieinander liegen. „Das bedeutet aber nicht, dass ich schwul bin, dass das mal klar ist“, sagte mein Mitbewohner dieser militärischen Zwei-Mann-WG. „Ich bin aber auch nicht schwul“, sagte ich. „Na dann ist ja gut!“
Ich fand der Start war für uns beide jetzt nicht gerade optimal, also versuchte ich die Lage etwas aufzuheitern. „Wenn Du das Geschirr spülst, übernehme ich das Staubsaugen.“ Schweigen. „Welchen Teppich wollen wir denn nehmen?……….Das Wohnzimmer ist ja auch etwas klein.“ Er schien mir ungehalten:“Kannst du nicht einfach mal für fünf Minuten die Fresse halten?“ „Ok, ich guck aber auf die Uhr.“ „Hurrgh!“ Mehr sagte er nicht, aber ich konnte mir ausmalen, was er damit meinte. Also hielt ich meine Fresse auch noch länger als fünf Minuten.
Nachdem Kreuzbach….—-Achtung, es folgt eine Erläuterung….. : Man nannte sich auch unter Rekruten immer beim Nachnamen. Das führte gerade in meinem Fall dazu, dass der Morgenappell statt mit „Kompanieeee, Raustreten!“ auch gerne mit „Kompanieeee, Daustreten!“ eingeleitet wurde. Spitzenwitz! …. Ende der Erläuterung—–…….Also nachdem Kreuzbach und ich die Schützennester ausgehoben hatten und der Rest der Truppe sich genug ertüchtigte, war es Zeit für das Essen. Das EPA!
Das EPA war und ist die sogenannte Einmannpackung, deren Inhalt einen Soldaten für einen Tag ernähren sollte. Das faszinierende daran war die beinahe unbegrenzte Haltbarkeit der einzelnen Produkte. Produktionsjahre, die weit vor meiner Geburt lagen, waren keine Seltenheit. Es wurde behauptet, dass jemand noch ein Bild des Führers in seinem Paket gefunden hatte. Aber das war nur ein Gerücht. Hoffentlich. In diesem EPA befand sich auch eine Mahlzeit, die erwärmt werden musste. Königsberger Klopse, oder Hackbraten, oder Frikadellen, oder Rouladen aus Hack. Eigentlich sah alles gleich aus und geschmacklich gab es auch keine bemerkbaren Unterschiede. Zum Erwärmen hatte man den Hauch eines Espitkochers zur Verfügung. Ein kleines Gestell, das auch im ausgeklappten Zustand kaum höher war als der Waldboden selbst. Es war windig an jenem Tag und alles was irgendwie lose herumlag, flog durch die Gegend. Was das Hauptgericht um die Geschmacksnoten Kiefernadeln, Moos und feiner Sand, erweiterte. Lecker ist was anderes und es war auch völlig scheiße am Boden liegend zu kochen.
In diesem EPA waren auch Kekse. Äußerlich wie eine Kreuzung zwischen Tuck- und Butterkeks schmeckten sie erfreulicherweise nach Nichts. Was immerhin verhinderte, dass sie schlecht schmeckten. Man nannte sie Panzerplatten und sie hatten zwei herausragende Eigenschaften. Erstens sättigten sie und zweitens wirkten sie Stopfend. „Das“, sagte mein Mitcamper, „ist der Propfen in Deinem Arsch, der verhindert, dass Du auf die Latrine musst!“ Interessant, dachte ich. „Da musst Du vier, fünf Stück von essen, dann ist Dein Darm dicht wie eine Talsperre! Aber mehr solltest Du nicht nehmen. Man sagt, dass einer schon geplatzt ist, weil er zwei Wochen nicht mehr scheißen konnte!“ Ich nahm mir vor seine Warnung zu beherzigen und spielte mit dem Gedanken, komplett auf die Panzerkekse zu verzichten. Letztendlich aß ich zehn Stück. Weil ich Hunger hatte und mein falscher Hase zusammen mit dem Kocher umgekippt war, was seine Genießbarkeit auf ein Mindestmaß reduzierte. Abends schnorrte ich mir von ein paar Kameraden noch drei bis acht der trockenen Gebäckplatten. Und ja, es stimmte, die Dinger bremsten die Verdauung ungemein. Ich konnte erst vier Tage später wieder und es klang dann als wenn eine Metallhülse in die Keramik fallen würde. Von den übermenschlichen Schmerzen möchte ich lieber nicht erzählen.
Sinn unseres Ausflugs in das Gelände, war die Vorbereitung und Durchführung einer Kampfhandlung. Meine Kompanie war zu diesem Zwecke in verschiedene Gruppen aufgeteilt worden. Manche davon waren damit betraut worden eine Stellung zu errichten und anderen fiel die Aufgabe zu, diese Stellungen einzunehmen. Unabhängige Beobachter, also höherrangige Gottheiten wie Feldwebel oder ähnlich, mussten dann später bewerten, wie man seine Aufgaben erfüllte. Meine Gruppe musste eine Stellung halten und verteidigen. Wir mussten mit unseren Waffen antreten. „Kameraden“, sagte der kleine Gott, „wir werden jetzt trainieren, dass wir alle zur selben Zeit schießen. So das es wie ein Schuss klingt….“
Peng! Da schoss schon mal der Erste. Drei weitere folgten in unregelmäßigen Abständen. Peng! …..Peng! …… …Paff! Das Wort Schießen hatte sie nervös gemacht. Gottseidank alles nur mit Übungsmunition. Platzpatronen. Die Schießenden grinsten etwas debil und freuten sich offensichtlich, dass sie hier rumballern durften. Kreuzbach war einer von ihnen. Ich übrigens auch. „Boah, Ihr beiden schon wieder!“, sagte seine Gottheit. „Ja aber die anderen beiden haben angefangen!“, sagte Kreuzbach „Halt die Fresse Du Hobrima!“, zischte jemand aus der zweiten Reihe. „Du was?“ fragte ich. „Hobrima“, sagte der Zischende. Er kam nicht dazu mir zu erklären, was dieses seltsame Wort bedeuten sollte. „Ob es den Herren etwas ausmachen würde, wenn ich mit meinen Ausführungen fortfahren würde?“ fragte der Stuffz. „Nein, nein, machen Sie nur“, sagte ich mit leicht gönnerhaftem Ton. Der Göttliche schäumte ein wenig: „Du und Kreuzbach, ihr meldet Euch hiermit freiwillig, die Nachtwache zu übernehmen.“ „Danke“, sagte ich. Aber ganz ganz leise.
„Also nochmal, wir üben jetzt so zu schießen, als wenn es ein Schuss wäre. Dazu gebe ich die Befehle „Anlegen!“ „Zielen“ „Feuer!“……..Peng! Piff! Paff! Die nächsten drei Jungs mit lockerem Zeigefinger hatten Feuer gehört und den Befehl ohne langen Umweg über das Hirn direkt umgestzt. Nein, ich war diesmal nicht dabei. „Wollt ihr mich verarschen?“ Nein, das wollten wir nicht. Wirklich nicht. Nicht einer von uns. Obwohl es sicherlich Spaß gemacht hätte. „Also nochmal. Ich sage Anlegen und ihr legt an. Dann sage ich Zielen und ihr zielt….“ „Worauf sollen wir denn zielen?“ „Das ist mir erstmal scheißegal! Wenn ihr dann zielt und ich sage Feuer….“ ….Peng! Noch ein verirrter Schuss……“Wer war das?“ Es meldete sich jemand. „Du machst auch Nachtwache!….Also wenn ich dann sage Feuer“, er hielt inne und wartete auf einen Schuss, aber es kam keiner, also fuhr er fort, “ dann schießt ihr alle zur selben Zeit. Und dann klingt das wie ein Schuss und der Feind kann nicht erkennen, wie viele Leute geschossen haben“, beendete er erleichtert seinen Satz. „Na das hätten sie ja auch gleich sagen können“, sagte einer meiner Kameraden.
Also nahm seine Kleinigkeit, der kleine Gott, all das zusammen, was von seiner, ohnehin nicht gerade unerschöpflichen, Geduld noch übrig blieb, ließ uns in Linie Aufstellung nehmen und begann seine Befehle runterzurattern. „Aaaachtung!“ Wir verfielen in den Achtungsmodus, oder in das, was wir dafür hielten. „Stillllgstannn!“ Wir standen still. Naja beinahe. Mich hatten ein paar Mücken gestochen und es juckte höllisch, also kratzte ich. „Nuschel ich?“, fragte der Kleingott, „ich saagte Sttiiilllllgeeesstaaaaanden!“. Ich glaube er war mit der Gesamtsituation eher unzufrieden. „Aber es juckt so“, erwiderte ich. „Ich juck da gleich mal mit“, antwortete mein mir Vorgesetzter und ich wusste nicht so genau, was er damit meinte. Ein lichter Moment sorgte aber dafür, dass ich es nicht hinterfragte. Ich stand dann auch lieber mal still. „Wenn ich denn jetzt fortfahren dürfte…“, fragte der Stuffz. Ich nickte und er sammelte sich. „Leeegt an!“ Wir legten an. Sogar ich wusste, dass wir nun unser G3 Gewehr in Schussposition bringen sollten. „Ziiiieeelen!“ Wir zielten.Eigentlich sollte wir alle in eine Richtung zielen. Die Richtung aus der ein Feind zu erwarten wäre. Ich hatte ein paar Tannenzapfen an an einer Baumspitze in näherer Umgebung ausgemacht, die gefielen mir in diesem Zusammenhang besser. „Worauf zielen wir denn?“, fragte mein Stabsunteroffizier . Oha, dachte ich, das gibt Mecker. Da ich ihn nicht weiter ärgern wollte erwiderte ich: „Habe dort im Baum einen Feind ausgemacht!“ „Unkonventionell“, sagte er lobend, „aber auch beispielhaft. Seht ihr Kameraden, es ist wichtig, auch mit dem Unvermuteten zu rechnen. Nehmt Euch ein Beispiel, denn der Feind wird alles versuchen, uns zu überraschen. Sehr schön, weiter so.“ Er klopfte mir noch auf die Schulter, danach wiederholte er seinen Befehl zum Zielen. Nun richteten sich die Gewehrläufe aber nicht nach vorn, sondern in alle erdenklichen Richtungen. Auf diese Weise hätten wir jeden Gegner erwischt, ob er nun mit dem Flugzeug käme oder mit einem U-Boot. Und dann kam der zündende Befehl:“Feeeuueeeer!“ „Wo brenntś?“ fragte einer, während der Rest schoss. Es klang allerdings nicht wie ein Schuss, sondern wie 25 einzelne Detonationen. „Ja, das sollte genügen“, sagte der Stuffz erschüttert und warf entnervt seine Kopfbedeckung ins Gebüsch.
Der Abend brach herein und wir speisten das aus unserem lukullischen Einmannpack, was für diese Tageszeit vorgesehen war. Unser Camp war ungefähr dreißig Meter von den Schützennestern, die der Hobrima und ich so liebevoll ausgehoben hatten, entfernt. Ab jetzt verlief es so, dass immer zwei Mann Wache hielten, in den Nestern, während die anderen sich im Camp herumlümmelten. Dann wurde es langsam dunkel. Ich bin seinerzeit und auch später nie im Arsch eines Bären gewesen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort dunkler sein könnte, als nachts im Wald. Es war bei Weitem nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich nachts draußen gewesen bin, aber bisher hatte es immer noch ein gewisses Maß an Restlicht gegeben, dass es ermöglichte, zumindest die schemenhaften Konturen der Umwelt wahrzunehmen. Aber hier im Wald? Da sah ich wirklich nichts. Nicht die Hand vor meinen Augen. Und schon gar nicht jemanden, der neben mir stand.
Wir durften auch kein Feuer machen. Also war es auch Essig mit der Lagerfeuerromatik, die ich mir ein wenig erhofft hatte. „Der Feind würde den Feuerschein über weite Strecken sehen“, sagte unser Stabsunteroffizier. Mir ging das allmählich auf den Pinsel. Der Feind hier, der Feind da, der Feind dieses und der Feind jenes. Es ging um nichts anderes mehr. Aber einen Feind hatten wir nicht zu Gesicht bekommen. Ich saß vor meinem „Zelt“, zumindest vermutete ich das, in dem mein Mitbewohner friedlich schnarchte. „Na wenn das der Feind hört“, dachte ich. „Wir sind gleich dran“,sagte eine Stimme aus dem Nichts, die aber gleichzeitig sehr nah war. Ich erschrak. „Meinescheiße, musst Du mich so erschrecken?“ „Tschuldigung“, sagte mein Nebenmann. Es war Kreuzbach, der Hobrima. Nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte, nahm ich mein Gewehr und zog mit dem Schützen Kreuzbach los, um die Wache abzulösen, die in der Schützenstellung auf uns wartete.
Sehen konnte ich nicht das Geringste. Ich stolperte, mit den Armen nach vorn gestreckt, über Äste, Wurzeln und das ein oder andere Zelt meiner Kameraden, deren Begeisterung ob dieser nächtlichen Störung, sich doch in überschaubaren Grenzen hielt. „Penner“ oder „Vollpfosten“ waren noch die harmlosesten Bezeichnungen, die mir entgegengebracht wurden. Plötzlich ertastete ich ungefähr in Brusthöhe etwas Weiches und Haariges. „Wenn Du damit fertig bist meinen Bart zu stutzen, könntest Du ja zur Abwechslung Deinen Wachdienst antreten!“ Au Backe, ich streichelte gerade dem Stuffz das Gesicht. „Ja aber ich sehe nichts. Wo muss ich denn hin?“ Wenn ich die Geräusche richtig deutete, machte er eine Bewegung mit dem Arm. „Diese Richtung, 20 Meter“, sagte er erläuternd. Da ich auch seinen Arm nicht sehen konnte, half mir das nicht weiter.
„Du siehst das immer noch nicht, oder?“ fragte er. „Nicht die Bohne“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Oh Mann, ich fasse es nicht. Pass auf, du legst jetzt Deine rechte Hand auf meine rechte Schulter und dann führe ich da hin“, sagte er. „Oh eine Pollonaise“, sagte ich. „Uhh“, sagte er. So wanderten wir durch den finsteren Wald. Es hatte ein wenig etwas von den sieben Zwergen. Auch wenn wir nur zu zweit waren und auch nur einer von uns ein Zwerg war. Kreuzbach war übrigens schon in der Stellung. Wie er da hingefunden hatte, war mir ein Rätsel. Genauso, wie es mein Stuffz schaffte, mich hier unfallfrei hin zu manövrieren…….
Fortsetzung folgt……