Ein Kavaliersdelikt

Eines der größten Probleme der Zivilisation ist die Auswahl. Man hat von allem zu viel und weiß im Endeffekt nie so richtig, was man dann wählen soll. Und hat man erst einmal gewählt, bleibt immer das ungute Gefühl, dass man doch wieder ins Klo gegriffen und sich genau das Falsche ausgesucht hat. Es wird insgesamt dann einfach nur kompliziert. So wie beispielsweise bei Getränken. Bei uns ist es so, dass ich in der Regel dafür zuständig bin, die Getränkekisten zu besorgen. Man vermutet anhand meiner Proportionen, dass sich bei all dem Volumen auch eine gewisse körperliche Kraft verbirgt, weswegen ich dazu prädestiniert bin, die schweren Dinge zu schleppen.

Also wird beim Schreiben der Einkaufslisten (eines der ganz großen Hobbys vom Hasen) auch die Getränkeabteilung durchforstet, ob es nicht irgendwelche besonderen Durstlöscher im Angebot gibt. Angebote heraussuchen ist das noch wesentlich größere Hobby vom Hasen. Und dann fängt es langsam an kompliziert zu werden. Da ist diesmal zum Beispiel dieses Erfrischungsgetränk, das wir nur selten kaufen und wenn, dann nur wenn es im Angebot ist. „Bring mal mit“, lautet die dazugehörige Anweisung. Knappe Worte und ein eindeutiger Auftrag, genauso wie man es als Mann gerne hat. Ich frage nur kurz nach, wie viele Kisten ich holen soll. Hätt ich man lieber nicht gefragt, denn nun kommen nur noch unnötige Details zum Vorschein.

Denn es gibt natürlich viele verschiedene Sorten von dieser Plörre. Und so kursiert kurzentschlossen eine Umfrage im Familienrat, wer denn bitteschön welche Sorte haben möchte. Wobei ich mit: „Irgendeine, mir egal, Hauptsache da ist Hackfleisch drin!“ ebenso schlicht, wie ironisch bin. Natürlich ist mir klar, dass es da kein Hackfleisch gibt, aber ich finde den Scherz so schön. Ein Alleinstellungsmerkmal, wie ich herausfinden soll. Aber es ist mir wirklich egal. Ich brauche nur eine Sorte und die trinke ich dann und damit ist es auch gut. Aber nein, wenn der Stein erstmal am rollen ist, dann rollt er. Und so einigen wir, oder besser, einigen sich die anderen Drei darauf, dass doch vier, oder fünf verschiedene Sorten gewünscht werden. Ich glaube mehr gibt es nicht. Und schon ist das alles wieder so, wie ich es nicht haben möchte. Ich bin ein Mann und ein Mann geht Getränke einkaufen und nicht Getränke shoppen.

Ein Mann betritt den Laden, geht zu dem fraglichen Getränk hin, schnappt sich blind eine Kiste, oder mehrere, je nach Bedarf und pfeift darauf, wie viele Sorten es davon gibt. Es sei denn, es dreht sich um Bier, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Ein Mann geht rein, lädt auf, bezahlt, lädt alles ins Auto und nach rund 49 Sekunden ist er fertig (die Schlange an der Kasse schon mit eingerechnet). Nun aber sehe ich schon vor mir, wie ich im Laden stehe, dieses Erfrischungsgetränk erreiche und versuche 5 verschiedene Sorten möglichst gleichmäßig auf zwei 12er Kisten zu verteilen. Wahrscheinlich sind dann nur dreieinhalb Sorten vor Ort und ich muss dann mit dem Handy regeln, wie ich die anfallenden Lücken schließe, ohne dass da ein Geschmack zu kurz kommt. Auswahl ist nicht immer gut.

Zwischen den Zeilen konnte man vielleicht herauslesen, was ich davon halte, zu viele Möglichkeiten zu haben. Und ja, es gibt da eine gewisse Abneigung, die ich allerdings gut verstecke, wie man sieht. Mitunter leide ich auch darunter. Aber es gibt ja auch Leute, für die ist das Ganze mit der Auswahl noch viel schwieriger. Und das nicht nur bei Getränken. Manche bekommen sogar eine eigene Fernsehsendung dafür und einen Bachelorabschluss, ohne jemals eine Uni von Innen gesehen haben zu müssen. Ja, ich rede hier vom „Bachelor“. Dem Angriff von RTL auf das Qualitätsfernsehen. Einem von vielen wohlgemerkt.

Der Bachelor heißt wörtlich übersetzt so viel wie Junggeselle. Was faszinierend ist, weil meine Tochter unter anderem somit einen Juggesellenabschluss gemacht hat. Müsste es daher an dieser Stelle, also bei dem Uniabschluss für Frauen nicht eigentlich Bachelor*ette heißen? Man weiß es nicht. Aber das ist ja auch egal, denn es geht ja um DEN Bachelor. DER Bachelor ist in der Regel ein junger Mann, der vom Sender gecastet wird, um sich in einer endlos langen Staffel eine Frau auszusuchen. Das klingt im ersten Moment so interessant, wie den eigenen Fußnägeln beim Wachsen zuzusehen und ist es im zweiten Moment auch. Aber trotzdem hat man damit irrsinnige Quoten. Faszinierenderweise!

Es wird also im Vorfeld ein Typ Mann gecastet, der mindestens einen Sixpack, einen trendy viereinhalb Tage Bart und die Ausstrahlung eines halblegalen Autoverkäufers hat. Aber in erster Linie muss dieser möglichst aalglatte Typ Mann den besonderen Blick beherrschen. Diesen Dackelblick, mit dem er bei der Programmdirektorin, allen potentiellen Schwiegermüttern und wild gwordenen Hundezüchterinnen punkten kann. Die Wahl fällt diesmal auf Kevin Kleinschmidt aus einem Dorf in der norddeutschen Tiefebene, das so klein ist, dass das Ortsschild bald breiter ist, als der Ort lang. Marketingtechnisch der absolute Supergau!

Wer will denn bitteschön einen Kevin? Eine Umfrage unter den potentiellen Weibchen, die der Bachelor zur Auswahl haben wird, ergab, dass man ihnen einen Kevin nackt vor den Bauch binden könnte, und sie trotzdem weglaufen würden. Es musste also etwas passieren. Die Frage, warum es denn unbedingt dieser Kevin sein müsse, steht im Raum. Und der Aufnahmeleiter sagt: „Kevin mach mal den Dackelblick!“ Und Kevin macht den Dackelblick. Und den macht er so perfekt, dass man sich nicht sicher ist, ob hier nicht wirklich ein zum Menschen mutierter Dackel steht. Der Blick sieht so dackelig aus, dass es nicht verwundern würde, wenn er als nächstes die Zunge rausstrecken und hecheln würde, oder bellen, oder aber ein Bein heben und an das nächstbeste Stativ für einen Scheinwerfer pinkeln täte.

Da die sonstigen Attribute ebenfalls perfekt passen, wird der Kevin nun genommen und seine Vita ein bisschen aufpoliert. Er heißt nun Ben und wohnt in einer dieser trendy Studentenstädte, die mittlerweile Studierendenstädte*innen heißen. Dort hat er ein Loft und der Aufnahmeleiter muss ihm erklären, dass Loft kein Erfrischungsgetränk aus der Vergangenheit ist, welches im Übrigen Lift hieß. Einen Lift zum Loft hat er in seinem neuen Leben aber dann doch. Ben, der eigentlich Kevin heißt, ist jetzt schon ein bisschen verwirrt. Und dabei hat die Show noch nicht einmal angefangen.

Was nun allerdings geschehen soll. Und somit steckt man den Kevin/Ben in eine unfassbar teure Villa und einen Smoking. Das Haar, das eigentlich etwas frech das perfekte Gesicht, mit diesem perfekten Bart, einrahmt, wird mit einigem Aufwand schmierig glatt gegelt. Und so steht also Ben (er legt für sich den Kevin erstmal ab, weil er sich sonst so zerrissen fühlt) in dieser unfassbar teuren und unfassbar großen Villa rum wie Pik Doof und wartet darauf, dass in Kürze 22 junge Damen hierher verfrachtet werden, die allesamt nur ihn unbedingt kennenlernen und auch gerne ein Kind von ihm haben wollen, möglichst noch während der Staffel.

Was ihn schon in diesem Stadium beinahe um den Verstand bringt. Denn in dem Ort, wo er wohnt, gibt es nicht einmal 22 Einwohner und die einzigen Frauen sind seine Mutter, Elfriede, die Großmutter von den Hinzenbrinks nebenan, Traudemanns Marianne, diese eine verrückte Alte, die immer den Postboten mit Kuhfladen beschmeißt und eine Kunststudentin namens Glyricia, die zwar nicht unattraktiv war, aber nur mit Bäumen und Blumen sprach. Die Aussicht nun 22 Exemplare der Gattung Dackelweibchen in seinem Alter vor sich sehen zu dürfen, bringt schon jetzt seinen Hormonhaushalt durcheinander und er ist sich nicht sicher, ob er hecheln und mit dem Schwanz wedeln möchte. Was für eine aufregende Zeit liegt doch vor ihm.

Zeit für den ersten Werbeblock: Always Descret, Teena Lady, OB, Bild der Frau. Hmmh, ich bin dann wohl nicht die Zielgruppe als Zuschauer. Dann kommt noch der nervige Typ von 1&1 und irgendwer, der oder die paarshipt, und weiter geht es mit dem Hauptprogramm. Man kann es auch kaum erwarten, dass es weiter geht.

Und ja, es geht weiter. Denn jetzt kommt der große Almauftrieb. Per Luxuslimousine, die so groß ist, dass man darin locker einen Billardtisch oder eine Kegelbahn unterbringen könnte, werden nun 22 Exemplare der Gattung Frau einzeln herangekarrt. 22 Grazien, deren Aussehen in erster Linie dem Talent der jeweiligen Schönheitschirurgen zu verdanken ist und die allesamt zusätzlich noch mit einigen Ersatzteilen, wie künstlichen Fingernägeln, Augenbrauen und Wimpern und anderen Kleinigkeiten ausgestattet sind. Was spannend ist, weil so ja noch einige gestalterische Möglichkeiten vorhanden sind. Allerdings ist bei den Schönheitsoperationen nicht immer alles glatt gegangen.

Manch ein Mund sieht aus wie ein Rettungsring oder ein Schlauchboot. Man ist beinahe geneigt diese fast platzenden Lippen ins Meer zu schmeißen, auf dass ein Schiffbrüchiger sich damit retten könnte. Und die Dekolletees sind derart prall gefüllt, dass man Angst bekommt die Möpse könnten raushüpfen. Die Brüste trotzen jeder Schwerkraft und sind höchstwahrscheinlich mit Helium gefüllt, was auch manch eine piepsige Stimmer erklären würde. Die Damen tragen einen BH nur aus dem Grund, damit ihnen die Hupen nicht ins Gesicht schlagen. Die Dinger wirken sowas von groß und leicht, dass man meint, die Frauen müssten Wasser in den Beinen haben, damit sie nicht wegfliegen. Zusammen mit dem Rest des jeweiligen Körpers werden sie in ein Kleid gezwängt, dass derart eng an dem, frisch fettabgesaugten, Körper liegt, dass es wie die berühmte zweit Haut aussieht. Gott weiß, wie die da reingekommen sind.

Und so tummeln sich nun diese 22 jungen Frauen in diesem unfassbar großen Wohnbereich, dieser unfassbar teuren Villa und der Ben, der sich an seinen neuen Namen nur schwer gewöhnen kann, klappert eine nach der anderen ab. Die Augen fallen ihm beinahe aus dem Kopf, der momentan komplett leer ist. Sein Verstand möchte nur noch befruchten, aber eigentlich soll er doch Smalltalk mit den Mädels halten, um sie besser kennenzulernen. Was schwer ist, denn Smalltalk ist nicht gerade sein Stärke. Selbst unter normalen Umständen kann er sowas gar nicht. Wenn es um eine moderne Rotationsmelkanlage geht, die auf dem elterlichen Bauernhof gerade installiert wurde, dann ist er ganz weit vorn dabei, beim Reden. Aber so einfach nur irgendeinen Schwachsinn daherschwafeln? Dafür fehlt ihm das Talent. Also greift man ihm seitens der Regie unter die Arme und über einen Teleprompter werden ihm einige belanglose Worthülsen vorgeschlagen, mit denen er abstecken soll, wer ihn denn nun beeindruckt und wer nicht.

Nachdem er sich nun durch die Frauenmenge und beinahe um Kopf und Kragen geredet hat, ist es soweit, die erste Folge endet. Und wie jede weitere Folge endet sie mit der sogenannten Nacht der Rosen. Das Prinzip ist ganz einfach. Es wird eine Vase mit Rosen hingestellt und der Bachelor, also der Ben, der eigentlich Kevin heißt und Melkmaschinen mag, kommt möglichst lässig eine Treppe herunter und geht in diesen unfassbar großen Wohnraum. Dort sitzen alle Damenbausätze und harren der Dinge die da kommen mögen. Und jede der Damen, die dem Bachelor gefällt, bekommt eine Rose. Und der Ben, der unter anderem die Inselbegabung hat, dass er unfassbar schnell zählen kann, erkennt mit einem Blick, dass da irgendwas nicht stimmt. Er ist verunsichert und die Aufnahme wird abgebrochen. „Da sind weniger Rosen drin, als Frauen da sind“, sagt der Verunsicherte. Das sei aber richtig so, denn er müsse ja wählen und in jeder Folge würden halt einige der Probantinnen ausscheiden müssen. „Kann ich nicht einfach alle behalten?“, fragt der Ben. Nein er könne nicht, kommt die Antwort und so muss er schweren Herzens sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass er sich verabschieden muss. Ach, das Leben ist schwer.

Aber das geht natürlich nicht so ex und hopp. Nein, er muss ja noch immer etwas zu jeder Rose sagen und vor allem, muss er nun endlich diesen Dackelblick anwenden. Also steht er da an dieser Vase und blickt drein wie ein angefahrener Welpe. Gleich wird er bellen, denkt man sich am Fernseher. Er nimmt eine Rose. Nein, er nimmt langsam eine Rose. Nein, er nimmt furchtbar langsam eine Rose und riecht daran. Und er riecht da so intensiv dran, dass man meint, er würde wie gleich inhalieren. Und gespannt (oder gelangweilt), sieht man ihm dabei zu und erwartet die ersten Worte die er gleich sprechen wird. Aber vorher nimmt er nochmal einen Hieb Rose auf Lunge und blickt noch etwas dackeliger als es eigentlich geht.

Und so steht er da, und die Fernsehnation möchte ihm zurufen: „Beeil Dich Du Penner, morgen muss ich früh raus!“ Und auf der anderen Seite in diesem unfassbar großen Zimmer warten die Frauen darauf, dass er ihnen möglichst eine Rose gibt. Und da, er hat seine Riechorgie beendet. Man möchte es nicht für möglich halten. Gleich kommt also der Moment, wo er sagen wird, was Sache ist. Erstaunlich, wie schnell so ein Tag vergeht. Also blickt der die Rose an, wie ein Dackel das Hundefutter und sagt: „Die erste Rose geht….(hier setzt eine kleine spannungsfördernde Pause ein) an eine…..(es sieht aus als müsse er überlegen)….an eine (er wiederholt sich), an eine Frau!“

Nein, jetzt echt? Das überrascht. Wirklich an eine Frau? Teufel auch, wer hätte das gedacht. Na gut, Giraffen waren jetzt ja keine da. Er überlegt noch einmal kurz und vorm Bildschirm denkt man sich, wenn der jetzt noch einmal an dieser blöden Rose schnüffelt, dann soll ihn der Blitz treffen. Tut er aber nicht, Also der Blitz trifft ihn nicht, aber er schnuppert noch ein letztes mal an der Rose, deren Blätter schon ganz welk geschnüffelt sind. Der Ben, der mittlerweile die halbe Zuschauerschaft entweder in den Wahnsinn getrieben oder eingeschläfert hat, fasst sich erstens ein Herz und zweitens endlich mal kurz und nennt den Namen, der Rosenempfängerin.

Also sagt er, fast ohne Umschweife: „Diese erste Rose geht an……(natürlich muss noch eine Pause her)….Claudia.“ Was für die nächste Überraschung sorgt, denn wenn man es ganz genau nimmt, ist eigentlich keine Claudia unter den potentiellen Rosenempfänger*innen. Huih, nun muss schnell reagiert werden. Der nächste Versuch: „Also die erste Rose geht an Christine.“ Auch das wieder kein Treffer, aber wer möchte es dem armen Ben verdenken, denn er hatte ja nur so unfassbar wenig Zeit mit den Damen und die Oberweiten haben ihn dermaßen beeindruckt, dass er die Namensschilder nicht richtig gelesen hatte. Irgendwas mit „K“, das wusste er. Im Endeffekt meinte er Petra und war mit dem ersten Buchstaben ja auch schon fast ganz dicht dran.

Wie dem auch sei, die Auswahl geht weiter und es wird ihm nun zur Hilfe auch immer ein Name eingeblendet, den er nennen soll. Am Ende einer endlos scheinenden Prozedur bleiben nur noch drei Mädels übrig, von denen zwei diese Villa verlassen müssen und die somit nicht die Chance haben diesen Bachelor zu bekommen. Kein Foto bekommen die zwei Frauen, die ihm auf dem ersten Blick eigentlich am besten gefallen haben, aber im Drehbuch steht nun mal dass sie raus müssen. Die erste Sendung ist also zu Ende und der Zuschauer*innen denkt sich: „Was zum Geier soll in all den anderen Folgen nun folgen?“ Eine Frage, die sich recht schnell beantworten lässt: „Nichts!“ Rein gar nichts wird passieren.

Ein Nichts, dass für das der Sender ein Budget hat, dass in etwa so groß ist wie das Bruttoinlandsprodukt eines mittelgroßen südamerikanischen Staates. Man bewohnt in den nächsten Wochen die Villa und versucht den Bachelor, das Objekt der Begierde immer besser kennenzulernen. Und damit das Ganze auch eine gewisse Dramatik erhält, gibt es auch immer wieder „Hauen und Stechen“, Eifersüchteleien und vor allem Rudelbildung. In kleinen Grüppchen schließen sich die Damen zu Zweckgemeinschaften zusammen und lästern jeweils über die anderen. Außerdem kommen sie auch immer wieder einzeln zu Wort. Ganz allein mit der Kamera, können sie sich den Frust von der Seele reden. Und so sagt Babette, die emigrierte Schlammcatcherin aus dem nördlichen Kaukasus, mit einem stark osteuropäisch angehauchten Akzent, dass: „die Chellenne ist ein ganz grosses Mieststück. Aber das ich sagen hier nur unter vier Augen!“ Sagt Babette, wobei es natürlich eher vier Millionen Augen sind, aber das spielt keine Rolle.

Für den Ben kommt nun jede Menge Arbeit auf ihn zu, denn er muss die Frauen in jeder Folge immer besser kennenlernen. Und dazu stehen ihm einige Mittel zur Verfügung. Wie beispielsweise die Einzeldates. Ein Einzeldate ist wie der Knochen, der vor eine Hundemeute geworfen wird und ein großer Herd für Neid und Missgunst. Ein Einzeldate wird gerne an den exotischsten Orten, die man sonst nie bereisen könnte, abgehalten. Und dann schippert man da mit ner Yacht umher, springt aus einem Flugzeug rennt einen Wasserfall rückwärts hoch und fliegt wahrscheinlich auch bald zum Mars. Hauptsache das ist alles irrsinnig teuer und bringt die Zuschauer zum schwelgen und träumen. Neben den Postkartenlokations geht es bei diesen Einzeldates natürlich in erster Linie darum, dass der Bernd seine Beute Meute besser kennenlernt. Ungestörte intime Gespräche mit der Fernsehnation als Vertraute.

Im Laufe der Wochen eliminiert der Ben die Schar der Frauen beträchtlich, bis nur noch ein harter Kern übrig bleibt. Und nun werden die Dates auch wesentlich direkter und intimer. Man begibt sich auf Tuchfühlung und die Kandidatinnen werden immer mehr auf das Objekt der Begierde eines testosterongesteuerten Mannes reduziert. Da nützen die ganzen Sternchen und *innen, die überall Einzug halten, rein gar nichts, hier ist man gesellschaftlich in der Steinzeit angekommen. Und insgeheim wartet man darauf, dass der Ben sich in ein Fellkostüm zwängt, und mit einer Keule seine endgültige Favoritin niederschlägt. Was immerhin den großen Vorteil hätte, dass hier nicht mehr so viel geredet wird. Denn die Dialoge, die unter den potentiell Verliebten*innen und auch mit dem Ben geführt werden, rollen dem normal denkenden Menschen mitunter die Fußnägel auf.

Und so ist beispielsweise Babette, die als Drittletzte abgewählt wird, auch „menschlisch von dem Benn und die beiden andern Tussis total enttäuscht.“ Man habe hier mit unfairen Mitteln gekämpft und sie ausgeschifft. (Der Zuschauer denkt, es möge doch gnädigerweise jemand vorbeikommen und ihr sagen, dass es ausgebootet heißt, aber der Wunsch bleibt unerhört). “ Und das ist voll gemein, ey, “ sagt die Ausgeschiffte, „denn schließlich geht es hier ja um echte Gefühle, ey!“ Jawoll, Gefühle die so echt sind, wie ihre Wimpern, die wie zwei Vordächer über ihren Augen thronen und dabei einen respektablen Schatten auf das Gesicht werfen.

Aber sie hat natürlich nicht gänzlich unrecht. Denn der Ben ist von seinen Hormonen irgendwann total überwältigt worden , weswegen er mit den letzten 12 Kandiatinnen auch immer wieder abwechselnd geknutscht hat. Keine Mundhöhle, die seine Zunge nicht näher erforscht hat, war nach in den letzten Wochen mehr zur Auswahl. Manche der Abschleckobjekte hat er dann auch zu einem Date geladen, das mit einer gemeinsamen Nacht den Höhepunkt in des Wortes Sinne finden sollte. Und so ging er mit einigen von ihnen dann in ein schwummrig ausgeleuchtetes Zimmer und verschloss jedesmal die Türen. Damit es der Fantasie der Zuschauerschaft überlassen bleibt, was denn bitteschön jetzt passieren möge. Wahrscheinlich spielen die „Elfer Raus“, dachten mit Sicherheit die meisten.

Das Faszinierendste war allerdings immer wieder die Nacht der Rosen. Und wie er es geschafft hat, diesen Augenblick der ungebremsten Dramatik immer wieder soweit zu dehnen, dass es auch immer gleich lange dauerte. Egal wieviel Rosen noch zu vergeben waren, es ging nie schneller. Man hat dann auch immer die Kommentare der einzelnen Weibchen eingeblendet, kurz bevor sie eine, oder keine Rose bekamen und auch danach. Fernsehmomente, die einem den Puls in die Höhe schnellen lassen. Von zwei auf drei Schläge pro Minute.

Ein anderer Moment war, als er unter seinen Auswahlopfern in der drittletzten Folge doch wirklich Glyricia entdeckte. Aufmerksame Zuschauer*innen und *außen werden bemerkt haben, dass es jene Kunststudentin aus seinem Heimatdorf war. Allerdings war sie durch einige operative Eingriffe und den beliebig aufgemalten Augenbrauen auf der Stirn kaum zu erkennen. Die beiden kamen sich auch ziemlich nahe, aber trotz der Hoffnungen des Publikums, wurde nichts aus diesem Paar. Ach, was für eine Dramatik. Kaum auszuhalten. Aber es gibt natürlich noch ein Happy End, denn der Ben wählt zur allgemeinen Überraschung diejenige Kandidatin als seine Herzensdame aus, die ihm der Sender vorgeschlagen hat.

Sensationell, die Staffel ist zu Ende. 17 Folgen geballte Langeweile und verschwendete Lebenszeit sind vorüber. Der Ben und die Daniela, die er im Innersten eigentlich so rein gar nicht leiden kann, sind nun das neue Traumpaar. Ein Bund für die Ewigkeit wurde geschlossen. Allerdings ist dieses Ewigkeit nach dreieinhalb Wochen wieder vorbei. Auch da hatte niemand mit rechnen können.

Der Ben ist also wieder Single und geht nun seinen eigenen Weg. Ein Weg, auf dem er zufällig drei Monate später auf Liesah, Kandidatin Nummer acht trifft. Die mochte er auch gerne, damals. Er lädt sie einfach mal auf eine Tasse Kaffee in sein Elternhaus ein. Dort erblickt sie die neue Rotationsmelkanlage und kommt ins Schwärmen, denn es gibt wenig auf der Welt, was sie mehr beeindruckt. Es fällt beiden wie Schuppen aus den Haaren und sie erkennen, wie sehr sie füreinander bestimmt sind. Aber zunächst muss er noch etwas klarstellen. „Ich hoffe es schockiert die nicht zu sehr, aber ich heiße eigentlich Kevin“, sagt er. „Ich auch“, sagt sie. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.