Verlängerung. Vor dem Elfmeterschießen kommt die Verlängerung. Und man merkt bestimmt, worauf ich hinaus will. Aber ich erzähle trotzdem lieber der Reihe nach.
Nein, ich habe verdammt nochmal so überhaupt gar nicht gut geschlafen. Das möchte ich der netten Schwester am liebsten sagen. Aber sie kann ja nichts dafür, also entschließe ich mich, etwas weniger zu jammern. Wenn ich an Frau Schmidt denke, dann geht´s mir doch wirklich sehr gut. Außerdem komme ich ja heute nach Hause, da muss man wegen einer verkorksten Nacht ja nicht großartig rumzicken. Derweil macht man wieder die morgentliche Kontrolle und misst Temperatur und Blutdruck. Dieser ist heute morgen bei mir erstaunlicherweise, wie bei einem jungen Reh. Vielleicht sollte ich häufiger mal nicht schlafen.
„Und, Stuhlgang gehabt?“, fragt die freundliche Schwester. Es ist übrigens eine weitere Schwester und die sind hier alle freundlich. „Ja, hatte ich“, sage ich pflichtbewusst und wahrheitsgemäß. Auch hier stumpft man ein wenig ab, wenn man in einem vier Bett Zimmer liegt und durch die Blume, für jeden hörbar gefragt wird: „Na, warst kacken?“. Es ist einem ebenso egal, wenn man sich entblößt, um die operierte Stelle zu zeigen. Ein idealer Platz für Exhibitionisten. Ja, ich hatte Stuhlgang und es war eine freudlose Angelegenheit.
Nicht dass es ansonsten der spaßigste Moment des Tages ist, aber mit einem Druckverband an der Leiste ist das Ganze auch noch eine Herausforderung, weil man versucht so wenig wie möglich seinen Körper abzuknicken. Ich überlasse es der Phantasie eines jeden Lesers sich die nötigen Verrenkungen vorzustellen. Ich habe es jedenfalls irgendwie geschafft, denn ich war ja auch gedanklich darauf vorbereitet. Was mich aber überrascht hat, war das Toilettenpapier. Nicht dass da nicht genug von vorhanden gewesen wäre. Es war mehr als genug da. Nur man kam da nicht so einfach ran. Das Papier war auf einer dieser großen Rollen, die man auf stärker frequentierten öffentlichen Toiletten häufiger findet. Das war auch nicht das Problem. Die Rolle war in einem halbrunden Kasten untergebracht, der nach untern geöffnet war. Wenn man an den wertvollen Zellstoff kommen wollte, musste man von unten an diesem Kasten rumfingern, um den Anfang der Rolle zu ertasten.
Das war an sich schon nicht ganz einfach. Aber welcher Pygmäe hat denn die Planung dafür übernommen, in welcher Höhe diese Kästen angebracht werden? Gefühlt befindet sich die Öffnung nur eine Handbreit über der Fußleiste und ist für einen gesunden Mitteleuropäer von durchschnittlicher Größe schon schwer zu erreichen. Man müsste sich eigentlich hinknien. Aber das kann ich mit der Leiste nicht. Also mit meiner Leiste. Auch hier erspare ich mir Details, aber es sah ganz bestimmt nicht besonders gesund für meinen Rücken aus, was ich veranstaltet habe, um mir mal ein paar Blatt abzureißen. Ein Alptraum, wenn ich vergessen hätte, die Tür anzuschließen und mich jemand gesehen hätte. Ein Bild davon und ich wäre sicherlich der neue Star bei Instatwitter, oder wie die alle heißen. Und wenn ich irgendwann mal gefragt werde, wie mir der Aufenthalt gefallen hat und ob ich Verbesserungsvorschläge habe, dann werde ich sagen: „Um Himmels Willen, bringt diese Rollenhalterkästen höher an. Es wird sonst noch Verletzte geben!“
Ja, ich hatte Stuhlgang, aber das „wie“ interessiert hier im Zimmer höchstwahrscheinlich niemanden. Also habe ich es auch nicht näher beschrieben und weine nur leise bei der Erinnerung an die Vorkommnisse. Aber es gibt auch gute Nachrichten. Zum Beispiel Frühstück. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“, sage ich, als ich den Deckel abnehme. Huih, auch wieder nicht so richtig üppig. Man möchte mich offensichtlich aushungern. Zwei Wochen hier in der Klinik und ich passe wieder in meinen Konfirmationsanzug. Eine Scheibe Brot, ein Brötchen, ein Stückchen Butter, eine hauchdünne Scheibe Wurst und ein kleines Päckchen von irgendeinem Gelee. Bei dem es mir egal ist, welcher Art dieses Gelee ist. Und wieder eine Scheibe Käse. Wobei ich absolut keinen Schnittkäse esse. Hatte ich schonmal probiert, aber der Käse und ich sind nie Freunde geworden.
Ich nehme es hin wie es ist. Schließlich stehe ich ja kurz vor meiner Entlassung. Endlich eine Entlassung, die mal ein erfreulicher Anlass ist. Das einzige Problem ist, dass ich meinen Hunger von gestern noch als Gepäck mit in die Nacht genommen habe. Ein weiterer wichtiger Grund für meinen schlechten Schlaf. Wenn die beiden vom Sägewerk mal nicht geschnarcht haben, dann knurrte mein Magen und er war nicht sehr viel leiser. Ich beende mein üppiges Frühstück schneller als ich es begonnen habe und spüre eine gewaltige Leere in mir. Ein bisschen später kommt eine Frau mit einem Tablet vorbei. Die Speisebeauftragte der Klinik. Bei ihr kann man Wünsche anbringen, die sie allesamt in ihrem Tablet einträgt. Zum Beispiel, welches Mittagsmenü man möchte, ob man Wurst oder Käse bevorzugt und auch Anpassungen der Mengen sind dann möglich.
Was mir letztendlich egal ist, weil ich ja nachher weg bin. Mein Nörgler jedenfalls macht ein paar Bestellungen. „Und morgens hätte ich gerne richtige Marmelade und nicht so ein Gelee“, sagt er und spricht Gelee mit einem genervten Unterton aus. Die nette Dame mit dem Tablet scheint auf dieses Detail keinen Einfluss zu haben. Und ich denke nur, man der Kerl ist hier nur für zwei Nächte, da kann er doch auch mal über seinen Schatten springen und Gelee essen. So übel ist das nun wieder auch nicht. Ansonsten hat er noch ein paar Extrawünsche und mokiert sich später noch ein bisschen über die mangelnden Auswahlmöglichkeiten. Wobei ich drei verschiedene Mittagsgerichte schon viel finde.
Eine Schwester kommt rein……hmmh, wenn ich das jedesmal schreibe, wenn eine reinkommt, dann besteht dieser Text bald nur noch aus: „Eine Schwester kommt rein.“ -Sätzen. Aber es ist so, es kommt eine rein und sagt dem Geleeverächter, dass er gleich zum Ultraschall gebracht wird. Zwei Minuten später steht ein Pfleger mit einem Rollstuhl da, um ihn abzuholen. Das Gleiche passiert mit mir einige Minuten später, nur dass ich schon aufgestanden bin und der Pfleger mich fragt, ob ich denn gehen könne. Ich blicke an mir herunter, offensichtlich sind beide Beine noch funktionsfähig angebracht und somit in der Lage zu laufen. Ich könne, sage ich und so muss ich nicht auf einen Rollstuhl. Wir fahren mit dem Fahrstuhl ins Untergeschoss zur Untersuchungsabteilung.
Dort treffe ich auf meinen Kumpan im Rollstuhl und wir sitzen nebeneinander und er lässt mal wieder wenig gute Haare an allem hier und ich registriere nicht mehr alles, was er sagt. Warum sollte ich es auch versuchen. Natürlich dauert es hier unten auch wieder ein bisschen länger, was ihn noch ein bisschen ungeduldiger macht. Aber immerhin kommt er vor mir dran. Dann werde ich aufgerufen und das Herz wird von demselben Menschen ultraschallt, wie gestern. Und bevor er anfängt zu drücken sage ich: „Sie müssen nicht lange suchen, die Dellen von gestern sind immer noch drin.“ Natürlich sage ich das nicht. Man weiß ja nicht, ob so einer meinen Sinn für Humor teilt. Und so drückt er wieder. Ein bisschen weniger als gestern, aber vielleicht sind die Dellen da ja wirklich drin. Wie dem auch sei, die Pumpe sieht gut aus und das ist alles was zählt. Ich bin fertig und kann selbstständig nach oben gehen.
Auf dem Flur treffe ich meinen Mitbewohner, der in seinem Rollstuhl sitzt und auf seinen Fahrdienst wartet. Ich habe das Gefühl, er hadert ein bisschen mit der Situation, dass ich schneller durch bin, als er. Aber das mag täuschen, er hadert ja sonst nie mit irgendwas. Als er dann später als ich auf dem Zimmer ankommt, ist er immer noch nicht ganz zufrieden. Der Stationsarzt ist der nächste, der durch die Tür kommt, die gefühlt eigentlich nie ganz geschlossen ist. Vielleicht hätte man eine Drehtür einbauen sollen. Er möchte bei uns frisch Operierten die Druckverbände abnehmen und macht es auch. Zuerst bei meinem Kollegen. Wobei der ein paarmal „Aua!“ sagt. Besonders als der Faden an der Naht gezogen wird und danach noch ein Tupfer mit Desinfektion draufgedrückt wird. Und da mein Bettgegenübernachbar ja immer am Schimpfen ist, denke ich mir, dass diese Sachen gar nicht so weh tun, wie er es dargestellt hat.
Tun sie doch. Und wie! Das Abnehmen des Druckverbandes ist dabei noch die kleinste Hürde. Aber es klebt das Pflaster auf einigen Passagen, die gestern nicht der Heckenschere zum Opfer gefallen sind. Ich bekomme eine ungefähre Ahnung davon, was Waxing im Intimbereich sein kann und was es anrichtet. Aber es lässt sich noch aushalten und ist im Vergleich zum Corona Test und dem Ultraschall noch nicht der Rede wert. Das Fadenziehen an der Operationsnaht ist da schon eine ganz andere Hausnummer. Das dauert zwar nicht länger als zwei Minuten, aber dafür ist es, ich sag mal so, sehr intensiv. Mir ist, als wenn er da gerade mit einem glühenden Draht unter der Haut langzieht. Und so wenig ich mir auch die Blöße geben mag, ein „Aua!“ kommt auch über meine Lippen, während ich mich dermaßen am Bettgestell festklammere, dass man meine Fingerabdrücke wohl noch in zehn Jahren sehen kann.
Und ich sehe den Arzt an und denke: „Streu jetzt nicht noch Salz in die Wunde!“ Und er nimmt zwar kein Salz, aber der Tupfer mit der Desinfektion ist schon etwas für die SM Abteilung. Und ich denke weiter: „Na, was kommt als Nächstes? Werde ich gepeitscht? Muss ich die Lederunterwäsche anziehen?“ Nein, muss ich nicht, denn er ist fertig mit Quälen. Dafür hat er aber eine Botschaft für mich: “ Da es nicht ganz einfach war, Ihren Rhythmus wiederherzustellen, würden wir sie gerne noch eine Nacht zur Beobachtung bei uns behalten wollen.“ Verlängerung? Nein, wirklich? Ich weiß gar nicht, auf welche angemessene Weise ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen soll. Noch ein Tag, mit noch einer Darbietung der kleinen Nachtmusik. Vielleicht muss ja noch jemand kotzen. Alles andere hatten wir schon.
Man verpasst mir und seiner Unzufriedenheit ein Langzeit EKG. Das ist dann für die nächsten anderthalb Stunden die einzige Aufregung. Dazwischen liegen etliche Sudokus, viel Musik und ein bisschen Genörgel. Aber großartig reden wollen wir alle nicht miteinander. Man wird langsam ein wenig apathisch. Der Blick wird leer und das Bewusstsein ist in einem Zustand der irgendwo zwischen Ohnmacht, Vollrausch und absoluter Bedeutungslosigkeit angesiedelt ist. Was mich auch wieder an meinen Kunstunterricht in der 10. Klasse erinnert. Einzig das Mittagessen reißt uns aus unserer Lethargie. Ein Hauch von Hähnchenbrust mit einer Spur Reis und einem Eimer Soße wartet darauf eingeatmet zu werden. Viel kauen muss man da ja nicht.
Danach schweigen wir uns bis in den Abend. Mein polnischer Freund wird entlassen und zu meiner Erheiterung versucht der Arzt mit einem griechischen Akzent ihm, der er so gut wie gar kein Deutsch spricht, einige komplexe medizinische Sachverhalte näherzubringen. Ich habe arge Zweifel, dass da irgendwas von hängen geblieben sein wird. Der Genesene nickt die ganze Zeit und ich glaube das hätte er auch gemacht, wenn man ihm gesagt hätte, er solle eine tote Katze vergraben und bei Vollmond drumrumtanzen. Er sagt eifrig Danke, schnappt sich seine Tasche und verabschiedet sich freundlich von uns. Mir tut es fast leid, dass er geht, denn mit ihm habe ich am liebsten geschwiegen. Ich wusste, dass wir auf einer Wellenlänge waren.
Die Zeiten des Nichts ziehen sich hin und ich bin irgendwie zu müde, um hier tagsüber ein wenig schlafen zu können. Und wenn man körperlich so rein gar nicht beansprucht wurde, ist es noch schwerer sich zur Nachtruhe zu begeben. Ich weiß, dass ich hier nicht so einfach einschlafen werde. Nein, ich bin mir sicher, dass ich nicht so einfach einschlafen werde. Daran ist nichts zu rütteln. Jedenfalls nicht bis 21.30 Uhr. Da nehme ich nämlich meine letzten Tabletten für diesen Tag und bin sofort weggedöst, was aber nicht an den Tabletten liegt. Um 2.43 Uhr werde ich wieder wach. Ich habe Durst. Aber sonst ist alles ruhig. Naja, beinahe, denn der weiße Hai kommt wieder. Hrrgh!.
Der alte Mann neben mir liegt wieder halb sitzend und ist beim Lesen wieder eingeschlafen. Er hat den Mund offen und wirkt entspannt. Eine Entspannung, die sich just in diesem Moment auf seine Atmung niederschlägt und er versucht sein Gaumenzäpfchen einzuatmen. Dass mein polnischer Freund entlassen wurde, hat für mich den einen Vorteil gebracht, dass er nicht mehr den polnischen Wald abholzen wird. Aber er hat einen würdigen Nachfolger gefunden. Und der alte Mann, der in seiner Erscheinung eher etwas zierlich ist und auch nicht besonders groß, zeigt mir erstmal was eine Harke ist. Das ist kein Sägen. Nein! Der schießt auf mich, mit einem Maschinengewehr!
Ich habe schon immer davon geträumt, nachts um drei wach zu sein und auf den Morgen zu warten. Ich habe die Kopfhörer auf und sie verwachsen allmählich mit meinem Schädel. Ich sehe fast aus wie Prinzessin Leia. Nur in alt, grau, dick und nicht sonderlich attraktiv. Ich fühle mich, als wenn ich hier schon seit ein paar Monaten bin, so hat sich dieses Nichts von einem Tagesablauf in mir verinnerlicht. Und so überrascht es mich nicht, dass das Frühstück kommt. Und es überrascht mich noch weniger, dass es auch diesmal nicht über die Maßen üppig ausfällt. Allerdings gibt es da ein erschreckendes Detail: Himbeermarmelade! Ich mache ein Gesicht, wie auf dem Bild „Der Schrei“ und kämpfe mit einer Panikattacke. Himbeermarmelade? Ach Du heilige Scheiße! ICH MAG KEINE HIMBEERMARMELADE!
Was insofern grauenvoll ist, als dass sich meine Morgenernährung zu einem hohen Prozentsatz aus der jeweiligen Marmelade, oder dem Gelee zusammensetzt. Wenn das wegfällt, muss ich eine hauchdünne Scheibe Wurst auf zwei Brötchenhälften und ein Brot verteilen, denn Käse mag ich ja nicht. Ich mein, ich meckere ja nicht rum. Und wenn es Gelee gibt, statt Marmelade, dann nehme ich das hin, dann ist das mal so. Aber bei Himbeermarmelade hört der Spaß auf. Natürlich kann da jetzt Niemand irgendwas dafür aber ich weigere mich, diese Marmelade zu essen. Solange, bis der Magen sich meldet. Meine Mutter hätte gesagt: “ Wer noch so viel mäkeln kann, der hat nicht genug Hunger!“ Und sie hätte recht gehabt. Und weil ich wirklich genug Hunger habe, springe ich über meinen Schatten und verspeise diese Himbeermarmelade, die zum Leckersten gehört, was ich in den letzten Jahren gegessen habe. Natürlich werde ich sie nie wieder essen, denn schließlich mag ich sie ja nicht.
Aber ich gehe an diesem denkwürdigen Morgen noch einen Schritt weiter und packe mir den Käse unter die Wurst, in der Hoffnung, dass man ihn dann nicht so herausschmecken kann und dass er mich ein bisschen mehr sättigen möge. Ich schmecke ihn nicht heraus, weiß aber, dass er da ist und das macht mein Essen zu einem verminderten Vergnügen. Und satt macht er auch nicht. Ist echt alles Käse mit dem Käse.
Es wird noch ein EKG geschrieben. Dafür muss ich wieder in den Keller. Ein freundlicher Pfleger holt mich ab. Mit Rollstuhl. „Ich kann aber laufen“, sage ich, „konnte ich gestern schon.“ „Nee lassen se man. Ich schieb sie, sonst kriege ich noch Ärger“, sagt er. Das möchte ich natürlich nicht und in der Hoffnung, die Räder des Rollstuhls könnten Vollgummireifen haben, setze ich mich und lass mich kutschieren. Unten angekommen, es ist die gleiche Station wie gestern beim Ultraschall, ist man erstaunt: „Na heute mal nicht zu Fuß?“ So als ob ich zu faul gewesen wäre. Ich erkläre den Sachverhalt und lasse das EKG schreiben, was nicht gerade lange dauert. Ich beschließe zu Fuß zurück zu gehen. Man bittet mich nur, den Rollstuhl mitzunehmen. Und so schiebe ich meinen eigenen Rolli und sinniere darüber, dass ich ja auch Bettenschubser werden könnte, oder dass ich Frau Schmidt befreien könnte.
Meine Entlassung ist nun beschlossene Sache und ich warte nur auf ein Gespräch mit dem Arzt und danach noch auf den Arztbrief, der der letzte Baustein in dem Entlassungsverfahren sein wird. Das zögert sich noch ein bisschen heraus. Ich glaube das macht man mit Absicht, damit ich noch einmal in den Genuss eines Mittagessens kommen kann. Der kleine Gruß aus der Küche besteht heute aus einem Stückchen Fisch, einem Klecks Spinat und Reis und einem Eimer Soße. Und dann, es ist gerade mal 13 Uhr, werde ich entlassen. Heureka! Ich schiebe meinen Rollkoffer durch die Station zum Fahrstuhl, durch die Eingangshalle nach draußen. Dort setze ich mich auf eine Bank. Übermüdet, operiert, im Hüftbereich rasiert und vor allem sehr hungrig sitze ich da und warte auf meinen Hasen. Und mein Hase kommt und holt mich. Und sie muss nochmal eben beim Schlachter anhalten. Ein bisschen was für´s Abendessen einkaufen. Und sie kommt wieder und hat dieses Fleischkäsebrötchen für mich dabei, dass sie gerade frisch erworben hat und ich beiße rein und ich weiß, es gibt einen Gott. Einen, der mein Hirte ist und wegen dem mir nichts mangeln wird. Und ich frage mich gerade, sind der Hase und dieser Gott ein und dieselbe Person? Der Hase würde an dieser Stelle bestimmt ja sagen.
Nun sitze ich hier, ein paar Tage später und kriege Schwielen am Arsch, weil ich mich schonen soll. Es geht mir gut. Meine Hüfte sieht aus, als wenn ich versucht hätte, damit eine Kanonenkugel zu stoppen. Ein megagroßer Blauer Fleck ist die lebendige Erinnerung an das was hinter mir liegt. Jetzt hoffe ich, dass die Behandlung einen durchschlagenden und langanhaltenden Erfolg haben wird. Wenn nicht, bin ich im Herbst wieder da und dann gibt es die nächste Form der Ablation. Aber das wollen wir ja nicht hoffen.