Der Koloss auf Rhodos…..ausgekoffert

Noch vier Tage und 14 Stunden bis zum Abflug und der Hase freut sich so. Und ja, ich kann nicht umhin, mich auch ein bisschen mitzufreuen, denn jetzt kann ich mit lebhaft vorstellen, dass die Ägäis auf uns wartet. Der Hase ist voll im Hasenelement und regelt alles, was es zu regeln gibt und ich muss neidlos gestehen, dass wir, wenn es meine Aufgabe wäre, das alles zu managen, wahrscheinlich nicht mal ins Parkhaus vom Flughafen kommen würden. Das kann man im Übrigen online buchen und natürlich haben der Hase und ich, also der Hase, schon gemacht, als die Grundsteinlegung des Parkhauses anstand. Also sehr rechtzeitig, denn das eine große Hasenmotto lautet: Was man hat, das hat man und außerdem ist der Hase ein leidenschaftlicher Verfechter davon, alles, besonders das Unangenehme, möglichst sofort zu erledigen. Das Lustige daran ist, dass der Hase bei all dem auch immer eine gewisse Unsicherheit an den Tag legt. So muss sie sich dann immer dutzendfach davon überzeugen, dass auch wirklich alles richtig gelaufen ist. Und ich kontrolliere mit und lege einwandfrei dar, dass alles seine Richtigkeit hat. Und der Hase misstraut mir zwar nicht, aber glauben tut sie mir trotzdem nicht.

Es vergeht dann auch schon gerne mal ein ganzer Nachmittag damit, dass wir grundsätzliche Dinge klären. Hase:“Meinste, dass das das richtige Parkhaus ist?“ Ich: „Ich denke schon, auf dem Lageplan sieht es nicht so weit vom Terminal weg aus.“ „Ja schon, aber meinste, dass das das richtige Parkhaus ist?“ „Ich denke schon, sieht auf dem Lageplan super aus.“ „Aber wenn es dann doch nicht so richtig ist?“ „Warum sollte es das sein?“ „Man weiß ja nie. Ich war noch nicht da.“ „Ich war auch noch nicht da, aber das passt schon, denke ich.“ „Woher willst Du das wissen?“ „Ich weiß es nicht, aber die werden da kein Parkhaus hinstellen, das tausend Kilometer vom Rollfeld weg ist.“ „Und wenn doch?“ „Warum sollten sie das tun?“ „Ich weiß nicht. Soll ich das jetzt buchen?“ „Ja, mach doch einfach. Wir kriegen das schon hin.“ „Das sagst Du so einfach, was wenn es doch weit weg ist?“ „Dann holen wir uns ein Taxi.“ „Das kostet aber Geld.“ „Ja, das wird es wohl, aber wir werden ja keins brauchen.“ „Warum willst Du denn ein Taxi rufen, wenn wir keins brauchen?“ „Hmgrpgf!“ „Geht es Dir nicht gut?“ „Es geht mir bestens!!!“ „Du wirkst aber nicht so.“ Es entsteht eine kleine Pause, in der ich eine Atemübung mache, um meine innere Ruhe wieder zu finden. Hase: “ Kannst Du Dich vielleicht mal entscheiden, ob wir das Parkhaus nun buchen, oder nicht?“ Eine weitere Atemübung ist notwendig. Ich: “ Dann lass uns doch Parkhaus 3 buchen.“ Hase: „Parkhaus 2 ist aber teurer.“ „Ja und? Wieso Parkhaus 2? Ich denke wir nehmen 3.“ „Liegt aber dichter dran.“ „Was jetzt?“ „Na Parkhaus 2. Du musst auch mal ein bisschen aufpassen. Ich mache mir die ganze Arbeit und suche das richtige Parkhaus und Du willst ein Taxi bestellen.“ „Ich will doch gar kein Taxi…..!“ Hase: “ Mit Dir ist es aber auch nicht einfach. Ich buche jetzt Parkhaus 3 und fertig ist. “ „Na dann mach das, in Gottes Namen!“ „Musst Du Dich jetzt gar nicht so aufregen.“ „Ich rege mich nicht auf!“ Wir diskutieren dann noch ein bisschen hin und her und dann wird Parkhaus 3 genommen, da wäre ich jetzt mal so nicht drauf gekommen.

Der Hase plant also detailreich und ist, wie immer, bestens vorbereitet. Denn der Hase muss immer das Gefühl haben, dass alles so weit wie möglich unter Dach und Fach ist und keine Unwägbarkeiten mehr auftauchen. Unwägbarkeiten mag der Hase so rein gar nicht. Was drei Tage und zwölf Stunden vor Abflug mehr als deutlich wird. Der Hase freut sich im Übrigen so. Zumindest solange, bis der Ernstfall eintritt. Sie ist weg! Die kleine Mappe, in der der Hase alle wichtigen Papiere hat (Personalausweis, Führerschein usw.), ist verschwunden. Der Supergau! Das Hasenherz hört für einen Moment auf zu schlagen. Wie ein Derwisch springt der Hase im Haus von einer Ecke zur anderen und hat offenbar gerade acht Arme bekommen, die gleichzeitig hektisch in alle Richtungen ausschwärmen und nach dem Mäppchen suchen. Panik hat also in diesem Moment einen Namen: Hase. Und diese Panik steht dem Hasen ins Gesicht geschrieben. Im Zickzack, wie es Hasen zu tun pflegen, rennt der Hase durchs Haus und sucht zeitgleich an sieben verschiedenen Stellen nach dem Mäppchen. Das müssen dabei aber nicht immer die sinnvollsten Orte im Haus sein. „Im Kühlschrank wird es nicht sein“, gebe ich zu bedenken, als der Hase da nachsieht. Der Hase verwendet in diesem Moment sehr häufig unflätige Worte, um den eigenen Gemütszustand zu beschreiben, schließlich würde sie ja ohne Ausweis nicht nach Griechenland einreisen können.

Im Gegensatz zum Hasen, bin ich sehr gelassen. Das hat zwei Gründe. Zum einen verlege ich gefühlt zwanzig Mal am Tag irgendwas und finde die Sachen auch immer wieder. Zum anderen gehe ich die ganze Sache mit Logik an, denn der Hase verliert sowas nicht, warum also sollte ich Panik schieben? Ich versuche den Hasen zu beruhigen, was nicht leicht ist, denn der Hase rennt sehr schnell durch das Untergeschoss. Der Pulsschlag ist im Übrigen, wie bei einem echten Hasen, welcher, wie man ja weiß, irgendwo zwischen 130 bis 325 Schlägen pro Minute angesiedelt ist. „Es geht nichts auf der Welt verloren, es liegt nur irgendwo anders“ versuche ich es mit ein wenig Philosophie, für die der Hase momentan aber nicht recht in der Stimmung ist. „Denk doch mal logisch“, sage ich und versuche einen anderen Weg einzuschlagen, „wo und wann hast Du die Mappe das letzte Mal gehabt?“ Der Hase hält kurz inne und sieht mich an, als ob sie mir den Kopf abreißen wollte. So als wenn es meine Schuld wäre, dass es verschwunden ist. Ist es aber ausnahmsweise nicht und so bin ich in der angenehmen Position etwas überheblich zu sein. Dann erleuchtet eine Idee das Gesicht des Hasen und sie geht zielstrebig auf ihre Jacke zu und ich höre den tosenden Aufschlag des übergroßen Steines, der dem Hasen vom Herzen fällt, als sie das Mäppchen findet.

Auch nicht ganz unproblematisch ist, dass wir noch eine Art Einreiseformular haben müssen, das man online ausfüllen und beantragen kann. In unserer Vorstellung ist das mal eben, die Namen und persönlichen Daten eingeben, eventuell die Termine der letzten Impfungen gegen Corona anzugeben und vielleicht noch ein paar Details dazu, wohin wir reisen wollen. Aber da Bürokratie ein internationales Phänomen ist und man es auch überall den Menschen nicht zu leicht machen möchte, gestaltet man diese Formularbeantragung dann doch wieder ein bisschen komplexer und alle Angaben sind auf Englisch. Man kann zwar das eigene Land irgendwo anwählen, aber das hat keine Folgen dahingehen, dass vielleicht auch alle Sachen auf Deutsch dargestellt werden. Und da unser Englisch eher mäßig ist und unser Sohn uns da um Längen abhängen kann, nehmen wir ihn mit ins Boot. Und weil er ein leidenschaftlicher Computernutzer ist und viele Dinge beherrscht, die uns immer fremd bleiben werden, kann er sogar eine Übersetzung einschalten.

Diese ist aber sehr fehlerhaft und irgendwie passt da nichts mehr zusammen. Also bleiben wir bei Englisch und beantragen das gute Stück und drucken es aus, weil man dieses Papier beim Check In vorzeigen muss. Und wir bekommen eine Bestätigungsmail dazu. Und weil trotzdem noch alles irgendwie noch nicht eindeutig ist und weil wir Bedenken haben, dass es so nicht reichen wird und wir nicht in den Flieger dürfen, versuchen wir es nochmal. Und dann nochmal und dann noch ein letztes Mal. Wir haben nun ein paar Bestätigungsmails und mehrere Formulare ausgedruckt. Und wir wissen nicht, ob das alles richtig ist. Und wir wissen ferner nicht, ob wir nicht auch schon zu viele Formulare ausgedruckt haben. Vielleicht macht uns das ja auch irgendwie verdächtig. Ich sehe uns schon verhaftet am Flughafen in der Arrestzelle schmoren. Man liest ja immer wieder von solchen Dingen.

Für die nächste Aufregung sorge ich, aber vollkommen schuldlos, wie ich betonen möchte. Es sind noch rund 27 Stunden bis zum Abflug und der Hase freut sich so. Ich mich im Übrigen jetzt auch, weil nun eigentlich nichts mehr dagegen spricht, dass wir in den Urlaub fliegen können. So kurz davor, was soll jetzt schon groß passieren? Vielleicht, dass mein Blutdruck in den Keller geht. Was er an diesem Abend tut. Und das nicht zu knapp und mir wird ein bisschen schwummrig und Schweiß bricht mir aus. Wir sitzen gerade am Tisch mit Schwiegereltern und Sohnemann, um dessen Geburtstag im kleinen Rahmen zu feiern. Wir haben gut gespeist und es gibt ein kleines Gläschen Rotwein. Und weil der Hase, Sohn und ich auch schon frühstücken gegangen sind und weil wir drei auch noch die Benjamin Blümchen Torte am Nachmittag verschlungen haben, ergibt sich ein recht großer Mageninhalt, der im krassen Gegensatz zu dem Platz steht, den die zu heiß gewaschene Hose mir vorgibt. Und weil ich ein höflicher und wohlerzogener Mensch bin, mache ich bei Tisch die Hose jetzt mal nicht auf. Was fatale Nebenwirkungen hat und meinen Kreislauf auf ein Minimum herunterfährt.

Ich muss nach draußen, frische Luft schnappen und die Hose aufmachen. Der Hase ist sofort besorgt: „Geht es Dir gut?“ „Nicht ganz“, sage ich. Was den Hasen noch besorgter werden lässt, weil ich auf diese Frage eigentlich immer antworte, dass es mir gut geht. Nun aber nicht und der Hase macht sich Gedanken: „Nicht, dass wir nicht reisen können.“ So viel Mitgefühl hatte ich jetzt nicht erwartet. Aber die offene Hose und die frische Luft verschaffen mir Erleichterung und ich merke, wie das Leben zu mir zurückkommt und ich kann den Hasen beruhigen. „Wird alles wieder gut“, sage ich. Wir messen noch vierzehn Mal meinen Blutdruck, die Schwiegereltern sind im Übrigen schon überhastet nach Hause gefahren, nachdem sie ihren Schwiegersohn mit offener Hose auf der Terrasse haben sitzen sehen, und die Messergebnisse sind alle gut, bis sehr gut. Und auch wenn ich äußerlich sehr gefasst bin, bleibt in mir ein kleiner Zweifel, dass ein angeschlagener Gesundheitszustand meinerseits doch wirklich einen Strich durch unsere Rechnung machen könnte. Und ich erinnere mich an einen Türkeiurlaub und daran, dass unser Sohn weiß wie die Wand war und sich ins Hotelzimmer übergeben hatte (siehe die erste große Geschichte: Einmal Halbmond und zurück). Mit diesem „Was wäre wenn“ Szenario schlafe ich unruhig ein.

Der Plan für den letzten Tag vor der Abreise ist klar definiert. Vormittags Koffer packen, mittags fertig sein, nachmittags möglichst schlafen, denn unser Abflug ist um 0.40 Uhr in Hannover und um 5.10 Uhr Ortszeit werden wir auf Rhodos landen. Wir fliegen also durch die Nacht und ich befürchte, dass wir unterwegs nicht gerade viel schlafen werden. Deswegen also dieser Zeitplan. Und mal ehrlich, wie lange kann es schon dauern, zwei Koffer und zweimal Handgepäck zu packen? Eine Stunde vielleicht? Da wir das in den letzten Jahrzehnten nicht gerade oft machen mussten, fehlen uns die Vergleichswerte, aber es wird schon in etwa so sein, wie ich denke. Es ist ja im Allgemeinen so ziemlich immer so, wie ich denke.

Die Taktik ist klar geregelt. Jeder hat einen großen Koffer und ein Stück Handgepäck und da muss alles rein, was jeder für sich mitnehmen möchte. Und ich nehme all meine neuen Sachen, die mir Birgit Schrowange angedreht hat und packe sie in meinen Koffer. Dazu noch ein Paar Schuhe, eine Kulturtasche, ein Buch (ja, ich habe wirklich vor im Urlaub zu lesen!!) und noch ein bisschen Kleinkram (Kopfhörer zum Beispiel) und nachdem alles in meinem Koffer ist, blicke ich einmal rein und denke: „Geil, da ist sogar noch Platz.“ Denn ich bin ein sehr guter Kofferpacker. Der Hase hadert derweil noch mit einigen Kleidungsstücken und damit, wie sie alles in ihren Koffer, der im Übrigen größer ist, als meiner, kriegen soll. Ein erneuter Blick zu meinem Koffer sorgt für Überraschungen. Der ist nämlich plötzlich voll. Ein Beutel mit Hasenschuhen macht sich breit. Kann mich gar nicht erinnern, den eingepackt zu haben. Und weil ich ja der Hasenbändiger und ein höflicher Mensch bin, belasse ich es kommentarlos dabei, dass der Hase meinen Koffer ein wenig als ihren Schuhschrank missbraucht.

Wir schließen die Koffer und da wir neuerdings eine Kofferwage haben, machen wir ein erstes Wiegen. Mein Koffer wiegt 19,8 Kilo und ist somit voll im Limit, das im Übrigen bei 20 kg liegt, wie der Hase mir erklärt. Der Hasenkoffer wiegt im Übrigen 23,6 kg und ist somit zu schwer. „Da wirst Du Dich einschränken müssen“, sage ich zum Hasen und lächele überlegen. Die Einschränkung besteht darin, dass ich eine lange Hose und ein paar Shirts von mir aus meinem Koffer nehme, um ein paar Hasensachen unterzubringen. So war das ja eigentlich nicht gedacht. Eine erneute Wiegung ergibt 18,5kg bei mir und 21,3 kg beim Hasen. Also nochmal Koffer auf und weiter überlegt. Es wandern sogar ein paar Hasensachen aus dem Hasenkoffer nicht zu mir, sondern zurück in den Kleiderschrank. Aber es fehlen auch noch ein paar Dinge. Der Fön zum Beispiel, der aber noch gebraucht wird. Ich rege an, dass wir, allein für´s Packen mal eben alles in die Koffer tun sollten, was mit muss. Wobei ich mir um meinen Koffer keine Sorgen mache. Der ist ja weit unter dem Gewicht.

Komischerweise liegen jetzt aber noch drei weiße Hosen drin. Und das obwohl ich keine weißen Hosen besitze. Ich darf meinen Koffer einfach nicht aus den Augen lassen, sonst habe ich da bald noch den gesamten Kleiderschrank beherbergt. „Was willst Du denn mit drei weißen Hosen? Du hast doch schon ein Dutzend anderer Hosen dabei?“, beliebe ich zu fragen. „Ich kann mich einfach nicht entscheiden, welches die Richtige ist und am besten zu meinen Outfits passt“, sagt der Hase und ist ein wenig verzweifelt. Und ich zeige hier mal klare Kante. „Da muss was von weg!“, sage ich und nehme noch ein paar von meinen Sachen aus meinem Koffer, damit der Hase mehr Platz hat. Zur Not ziehe ich halt ihre Schuhe und die drei weißen Hosen an. Ich wiege die Koffer rund ein Dutzend Mal und am Ende drücken wir beide Augen zu und reden uns das Ergebnis schön. Wird schon passen, denke ich und wenn es Probleme am Schalter gibt, dann muss halt der Hasenballast verringert werden. Und damit meine ich jetzt aber nicht mich.