Ich bin ein gemütlicher Mensch. Ja, das sagen bestimmt die meisten Menschen über sich, aber bei mir stimmt´s. Bei den anderen bestimmt auch, wenn man sie selbst fragen würde. Nee, aber ehrlich, ich bin wirklich ein gemütlicher Mensch. Wenn ich Eile und Hektik aus meinem Leben fernhalten kann, dann mach ich das. Wie ich das mache? Nun, ich bin halt geduldig. Geduld ist eine meiner hervorstechendsten Charaktereigenschaften. Da bin ich ein bisschen wie Budda, einerseits wegen dem Bauch (……ja, ich weiß, es müsste wegen des Bauches heißen, aber das klingt trotzdem irgendwie seltsam) und andererseits, weil Budda für Geduld und Nachgiebigkeit steht. Und genau so bin ich. Budda und ich sind ganz dicke….miteinander, sozusagen. Ich ruhe in mir. Und das nicht nur, weil da soviel Platz ist. Eine meiner Maximen lautet: Wenn Du die Dinge nicht ändern kannst, dann musst Du Deine Einstellung zu den Dingen ändern. Wow! Was ein Satz! Anders gesagt: Wenn´s mal scheiße läuft, bleib geduldig und warte bis es besser wird. Der Fahrschein zu mehr Gelassenheit im Leben. Und Gelassenheit ist es, was mich antreibt. Und es gibt eigentlich nur eine Sache, die mich aus diesem inneren Gleichgewicht holen kann: Wenn ich mein Bier nicht kriege, dann ist es irgendwann auch mal vorbei mit der Gemütlichkeit!
Und ich weiß nicht, ob der Herr mir eine Botschaft senden möchte, als er mir dieses verpeilte Wesen gegenübergestellt hat. Sie ist eine ziemlich junge Frau. Naja ich sag mal, wohl noch keine 20. Und wenn, dann höchsten gerade mal so alt. Und sie ist gepierct. Wenn ich so richtig zähle, hat sie wahrscheinlich mehr Piercings im sichtbaren Bereich, als Kerzen auf der Geburtstagstorte. Was an sich nicht weiter tragisch ist, auch wenn ich nichts unattraktiver finde, als Piercings. Aber das soll mir in diesem Fall egal sein, denn es ist mir ebenso egal, ob die Gute attraktiv ist, oder nicht. Denn ich möchte ja lediglich eine Transaktion mit ihr durchführen. Was allerdings nicht so einfach ist, wie ich es zunächst gedacht hatte. Kurz gesagt, ich möchte Bier bestellen auf dem Hurricane Festgelände. Ich bin mal wieder an der Reihe, ne Runde zu schmeißen und das will ich nun gerne tun. Der Dicke gibt ne Runde aus. Wir stehen in einigem Abstand vor der grünen Bühne und zwar an der zweiten Einheit Lautsprecher, die für das hintere Gelände geschaltet sind. Was dafür sorgt, dass wir besten Sound haben und weil gerade Royal Republic auftreten, ergibt sich daraus ein schönes Konzerterlebnis, denn Royal Republic sind live echt Granate. So ziemlich perfekt dieser Augenblick. Beste Musik, bester Klang, bestes Wetter und wenn jetzt noch ein Bier dazu kommt, kann es eigentlich kaum noch zu übertreffen sein, an diesem Tag.
Und ja, wie erwähnt, ich bin an der Reihe. Also spähe ich umher. Welcher Bierstand ist in der Nähe und wie lang sind die Schlangen? Ah, der Bierstand ist keine 15 Meter weg. Man steht also quasi schon dran. Eine recht große Bude, an der zu allen vier Seiten ausgeschenkt wird. An gefühlt acht Stellen gleichzeitig und überall lange Schlangen. Bier bestellen ist wohl nicht gerade der revolutionär neue Gedanke in diesem Moment. Es geht offensichtlich vielen Leuten ähnlich. Und alle stellen sich geduldig und durstig in die langen Schlangen. Nur ich, ich bin auf der Suche nach der Lücke. Nach einer kleineren Schlange, die in ihrer Form von Niemandem bemerkt wurde. Wie im Supermarkt an der Kasse, wenn sich alles bis zum Käsestand schlängelt und eine freundliche Stimme sagt: „Sie können jetzt auch an Kasse vier, die mache ich jetzt auf!“ Der Startschuss, ein paar Rentnerinnen zu Seite zu schubsen, weil die ja eh den ganzen Tag Zeit haben und sich, unschuldig pfeifend, ganz vorne an Kasse vier anzustellen. Genausowas suche ich jetzt, und mir sticht sofort ins Auge, dass es da die eine Schankstellte gibt, an der sich lediglich vier Leute lümmeln. Im Vergleich zu den 15 bis 20 durstigen Seelen in anderen Schlangen nahezu lächerlich, diese Minimalansammlung. Und ja, genau da gehe ich jetzt hin. Kurz gefragt, was der Rest so will (drei Bier, vier Alster) und dann mit klarem Auftrag hin zum Quell des edlen Pilseners.
Und ich stelle mich da so an und lausche den Jungs von Royal Republic. Und ja, die geben wirklich alles und ich freue mich auf den Moment, an dem ich gleich mit Bier in der Hand, ein bisschen losrocken kann. Wahrscheinlich sagt heutzutage kein Schwein mehr losrocken, aber ich bin alt und darf solche Worte verwenden. Ich bin also Nummer fünf in der Schlange, denke ich und blicke verächtlich auf meine Konkurrenten in anderen Schlangen, die da ewig warten werden. „Ätsch, ihr Verlierer!“ denke ich und bin nicht sicher, ob ich es nicht auch laut gesagt habe. Ich bin allerdings auch nach vier Liedern von Royal Republic immer noch Nummer fünf in der Schlange, während die Verlierer an mir gefühlt vorbeirauschen und sich mit Bier berauschen. Da läuft irgendwas falsch. Ich glaub ich muss mal nachsehen.
Es geht also so rein gar nicht voran. Das muss einen Grund haben. Bier alle? Ich versuche nachzusehen. Nee, Bier nicht alle. Überall an diesem Bierstand gibt es auch Bier. Erwartungsgemäß muss man sagen. Wo sollte es sonst Bier geben, wenn nicht hier? Ist ja schließlich nicht Hawaii. Denn da gibt´s ja kein Bier. Nein, der Grund, warum es hier nicht vorangeht, ist das Mädel hinterm Tresen, mit dem vielen Metall und den Dreadlocks, die mir jetzt gerade ins Auge stechen. Die Musik ist schön laut, weswegen ich nicht verstehen kann, was sie mit dem Typen, der gerade an der Reihe ist, so bespricht. Sie tänzelt jedenfalls hin und her und hat mal drei Bier dabei, die sie aber gleich wieder zurückstellt und mal sind es zwei Bier und eine Cola. Es gibt offensichtlich Kommunikationsprobleme. Und ich denke, wo ist Firma Hengstebeck, wenn man sie braucht. Denn bei Hengstebeck gibt´s keine Probleme.
Irgendwie kommt man doch zueinander und der durstige Besteller hat die richtigen Getränke. Huih, und das noch vor Anbruch des nächsten Tages (es ist im übrigen gerade so gegen 17 Uhr irgendwas). Mein Verstand sieht den gerade frisch versorgten Bierbesteller schon seines Weges gehen. Meine Augen allerdings geben andere Signale. Er steht noch immer am Tresen und versucht mit der Schankkraft des Jahres die Modalitäten der Bezahlung auszuhandeln. Mit Karte? Oder bar? Wenn Karte, welche? Und überhaupt…… Die beiden sind im angeregten Dialog, währen Royal Republic immer besser werden und meine Ungeduld immer weiter wächst. Dann der nächste Fortschritt. Es ist bezahlt! Heureka! Aber anscheinend stimmt schon wieder irgendwas nicht.
Mein Zunge klebt vor lauter Durst am Gaumen fest, die Anderen aus meiner Truppe, werfen mir vorwurfsvolle Blicke rüber und es beginnt in mir zu brodeln. Offensichtlich hat sie vergessen, bei ihm den Rabatt abzuziehen, den man bekommt, wenn man mit einer bestimmten Kreditkarte bezahlt. Er hätte diesen Rabatt allerdings gerne und sie ist nun heillos überfordert damit, das irgendwie in die Kasse einzugeben. „We are Royal Republic, and we are so proud, to be here!“ sagen Royal Rebuplic, während ein an mir vorbeilaufender Fan zu seinem Kumpel sagt, dass es das geilste Konzert von Royal Republic wäre, dass er gesehen habe und er betont, dass er schon einige Konzerte von Royal Republic gesehen hat.
Indes geht es voran. Der erste Besteller ist mit seinem Bier, das wahrscheinlich keine Kohlensäure mehr hat, geflüchtet und die nächste Wartemarke wird abgearbeitet. Meine Hoffnung, dass sie nun das Prinzip hinter all dem begriffen hat und dass sich nun alles bessert und dass es nun schnell vorangeht, zerschlägt sich schneller als das Ping einer Mikrowelle. Wieder zuckelt die Bedienung des Jahrhunderts hin und her und wieder kriegt sich nichts gebacken und wieder ist Firma Hengstebeck nicht greifbar. Ich platze! Also sinnbildlich und nicht wortwörtlich. „Wenn Ihr mein Geld nicht wollt, dann…….“, tja, was dann? Immer doof, wenn man mal so richtig seine Meinung raushauen möchte, und sich nicht die zweite Hälfte des Satzes überlegt hat. Also lasse ich das „dann“ unkommentiert in der Luft stehen und mache auf dem Absatz kehrt. Das blanke Unverständnis sieht mir hinterher. Und zum Herrgott sage ich: “ Herrgott, wenn Du meinst, dass ich jetzt kein Bier trinken soll, dann kannst Du mir das ja auch anders sagen!“
Ich gehe zum Rest der Mannschaft. Man sieht mich unverholen vorwurfsvoll an. Kein Bier! Das ist nicht gut! „Ist nicht meine Schuld“, sage ich und zeige auf die blöde Tante hinterm Tresen, die gerade im Rekordtempo Leute bedient. Es bildet sich eine leichte Staubwolke, weil sie so schnell ist. „Ja Herrgott, ich habe verstanden“, sage ich und widme mich dem Konzert. Und das ist wirklich so gut, wie der Typ von eben sagte. Nur dass schon die Hälfte vorbei ist, ärgert mich ein wenig. Aber man fährt ja nicht hierhin, um sich zu ärgern. Also genieße ich die Musik und das ist etwas was ich in den vergangenen 20 Jahren schon mehr als häufig gemacht habe. Doch dazu mehr im zweiten Teil dieser Unterfolge von „Mit Kukident und Dosenbier“.