Alles auf der Welt hat irgendwann, irgendwo seinen Anfang. So auch beispielsweise meine Tätigkeit als freier Schreiberling für eine regionale Tageszeitung. Hierbei ist es irgendwie wie bei einer umgekehrten Mondlandung. Ein großer Schritt für mich, aber für den Rest der Menschheit ist es zum allergrößten Teil vollkommen gleichgültig. Ich mache das Ganze jetzt seit etwas mehr als vier Jahren und ich habe während dieser Zeit hunderte von Texten geschrieben, deren Qualität ebenso schwankend ist, wie der Gang eines durchschnittlichen Vatertagstourteilnehmers. An viele Sachen erinnere ich mich noch recht gut. An die guten Dinge ebenso wie an die schlechteren Texte. Aber ich glaube am meisten in mein Gehirn gebrannt hat sich dabei meine zweite Arbeit. Welche allerdings eigentlich mein erster veröffentlichter Bericht gewesen ist. Wobei ich mich nicht so sehr daran erinnere, was ich geschrieben habe, sondern mehr um das ganze Drumrum. Ein prägendes Erlebnis, dass ich hier nun mit wenigen, knappen (rund 5.400) Worten grob wiedergeben möchte……………
…………..Sie würden mich enttarnen. Da war ich mir sicher. Und es würde keine zwanzig Sekunden dauern, bis sie mir auf die Schliche kommen würden. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Wie konnte ich nur so leichtsinnig sein? Aber als meine für mich zuständige Redakteurin fragte, ob ich es mir zutrauen würde, hatte ich sofort ja gesagt. Einfach ohne nachzudenken. Und es war mir auch vollkommen egal, dass ich von allen Anfängern der mit Abstand blutigste war und ich nicht im Mindesten wusste, worauf ich mich eigentlich eingelassen hatte. Vor nicht einmal 24 Stunden hatte ich meinen ersten, meinen allerersten Bericht für eine Zeitung geschrieben und nun war ich unterwegs zu einer Lesung, um über diese zu berichten und mir ging der Arsch auf Grundeis.
Eine Lesung also. Eine echte Lesung! Ich durfte teilhaftig werden, wenn jemand, der genug Intelligenz besaß, dass er schon zwei oder drei Romane verfasst hatte, aus seinem neuesten Werk vorlesen würde. Und ich würde dann, ganz der erfahrene Reporter der ich war, die Eindrücke aufsammeln und mit dem Autor und einigen Gästen ein paar erquickende Gespräche führen. Soweit die Theorie.
Denn eigentlich war ich ja, wie erwähnt ein Anfänger. Nicht nur das, ich war auch ein Anfänger, der weder über eine einschlägige Ausbildung verfügte, noch jemals einen Artikel veröffentlicht hatte. Der bisher erste, vor 24 Stunden abgelieferte, war noch nicht erschienen. Von ein paar Texten für eine Schülerzeitung, die ich vor rund 35 Jahren geschrieben hatte und über die ich lieber den Mantel des Schweigens hüllen möchte, einmal abgesehen, hatte noch nie jemand etwas von mir in einer Zeitung zu lesen bekommen. Nicht eine Zeile.
Dass ich nun, im Frühherbst des Lebens, doch noch dazu kam, für eine Zeitung zu arbeiten ist ein Umstand, den ich dem Hasen verdanke. Denn sie hatte nämlich eine entsprechende Anzeige entdeckt, in der eine Zeitung einen freien Mitarbeiter suchte und gemeint: „Das wäre doch was für Dich.“ Das machte mich stutzig, denn im Allgemeinen ist mein Hase eher kritisch meinen Schreibversuchen gegenüber. Wobei ich da natürlich immer sehr von mir überzeugt bin. Aber egal, dass mein Hase mich und meine Schreiberei mit einem öffentlichen Medium in Zusammenhang bringt, war schon eine veritable Überraschung.
Ich habe im Laufe meines Lebens immer wieder den Drang verspürt zu Schreiben und habe dies auch immer mal wieder getan. Und meistens gefiel es mir, was ich schrieb und dem Hasen häufig nicht. Aber ich ließ mich irgendwie nicht beirren. Irgendetwas in mir erzeugte diesen Drang zu schreiben, aber ich hatte nie ein passendes Medium, in dem ich meine Texte einer breiteren Öffentlichkeit näher bringen konnte. Also mal Hand auf´s Herz an dieser Stelle, es gibt wenig, was ich mir mehr gewünscht habe, als irgendwo irgendwas von mir veröffentlicht zu sehen, wo am Besten auch mein Name drunter, oder drüber steht. Und es musste auch kein Buch sein. Meine Ansprüche waren da geringer.
Der Hase entdeckte also in dieser Zeitung diese Anzeige und machte mich darauf aufmerksam. Und da war es dann um mich geschehen. „Wir suchen Sie“ stand da und ich fühlte mich sofort angesprochen. „Hase die suchen mich!“ „Ja, du wirst denen gerade noch gefehlt haben“, sagte der Hase und irgendwie gefiel mir der Unterton nicht wirklich.
Ob ich mir vorstellen könne, über Themen, Ereignisse, Personen, Politik und dergleichen aus meiner Region berichten zu wollen? Na klar konnte ich mir das vorstellen.! Ob mir der Kontakt zu Menschen Freude bereiten würde? Aber immer! Ob ich über eine flotte Schreibe verfügen würde? Wenn nicht ich, wer sonst? Ob ich auch fotografieren könne? Selbstredend! Und ob ich in der Lage wäre Texte und Bilder in E-Mails zu verpacken und an die Redaktion zu senden? Selbstverständlich war ich auch das.
So auf den ersten Blick betrachtet, war ich die Idealbesetzung für diesen Job, der allerdings nur im Höchstfall als Nebenerwerb genügen würde. Aber das war egal. Ruhm und Reichtum würden irgendwann auf mich warten, dessen war ich mir sicher. Es gab da bloß so ein paar unwesentliche Hürden. Nichts Besonderes. So hatte ich zum Beispiel nie wirklich fotografiert in meinem Leben.
Ich hatte mal in den frühen 80ern eine Agfa-Pocket Kamera zu Weihnachten geschenkt bekommen. Ja, genau, eine „Ritsch-Ratsch-Klick“ und war ich sofort erfüllt von einem Ehrgeiz, damit die tollsten Aufnahmen ever zu machen. Ein Ehrgeiz, der schnell wieder verpuffte. Insgesamt habe ich zwei 24er Filme vollgeknipst, in neun Monaten. Und von den eigentlich 48 Bildern waren höchstens 8 ansatzweise erträglich. Der Rest war insgesamt für die Tonne und die Agfa-Pocket staubte schneller voll, als ich sie einst ausgepackt hatte. Aber dafür wusste ich mit Sicherheit, dass ich nie ein Fotograf werden würde.
Eigentlich nur eine Randnotiz in meinem Leben, aber für meinen angestrebten Job schon etwas hinderlich. Aber ich wollte so ein freier Mitarbeiter werden, das stand fest, also verschwieg ich die Wahrheit über mich und die Fotografie. Das wird schon werden, dachte ich mir. Genauso wie ich auch verschwieg, dass ich im Umgang mit fremden Menschen eher etwas verklemmt war. Nicht, dass ich Angst hätte, aber manchmal waren mir fremde Menschen unheimlich. So 6th Sense mäßig, nur nicht mit toten Menschen, wenn Ihr wisst, was ich meine. Aber insgesamt stand, trotz der offensichtlichen Makel meinerseits, für mich fest, dass ich mich bewerben würde.
Das konnte auf drei Ebenen geschehen. Entweder, ich würde anrufen, persönlich erscheinen oder aber eine Mail an die Redaktion schicken. Ich entschied mich für letztere Option. Erstens, weil ich damit vertuschen könnte, dass ich in solchen Gesprächssituationen gehemmt sein würde und zweitens, dachte ich mir, es würde mehr Sinn machen, dass ich mich schriftlich für einen Posten bewerbe, bei dem ich schreiben müsste. So konnte ich gleich mal zeigen, was so alles in mir steckt.
Leichter gesagt als getan. Ich feilte einen ganzen Nachmittag an meiner formlosen Bewerbung und bin dabei nicht über den ersten Satz hinausgekommen. Im Grunde bekam ich nicht einmal eine vernünftige Begrüßung hin. Scheiße, das fing ja schon mal toll an. „Schreib doch eher so, wie Dir der Schnabel gewachsen ist“, sagte der Hase. „Bin ich ne Ente, oder was?“ fragte ich und nahm den Ratschlag zögernd an. Bisher hätte ich versucht, so zu klingen, wie mit einem Stock im Arsch, sagte der Hase. Ich sah nach und was soll ich sagen? Ja, da war er, der Stock und er störte empfindlich beim Sitzen!
Natürlich habe ich nur sinnbildlich nachgesehen und ich wusste auch was der Hase meinte. Also habe ich mich innerlich locker gemacht und den Stock entfernt. Und was soll ich sagen, es sprudelte nur so aus mir heraus. Uh, das klingt angesichts des Stockes ein wenig verfänglich. Was ich sagen wollte, ich konnte plötzlich einen flüssigen Text schreiben. So wie bei einem Auto, das nicht richtig fahren möchte, bis man merkt, dass man noch die Handbremse angezogen hat.
Tja und dann war sie fertig, die Mail. Ich ließ den Hasen lesen und sie war jetzt gar nicht mal entgeistert. Das ließ hoffen. „Ich könnte ja als Beispiel meines Talents ein paar meiner alten Texte mitschicken“, sagte ich und sah vor mir, wie man wegen meiner literarischen Fertigkeiten einfach nicht aufhören konnte, mir auf die Schulter zu klopfen. „Man soll ja nicht mit dem Hintern das einreißen, was die Hände aufgebaut haben“, sagte der Hase. Ich hatte die leise Vermutung, dass sie da nicht ganz meiner Meinung war und ich nahm Abstand von diesem Vorhaben.
Ein letzter Blick auf die Mail und dann auf „senden“ gedrückt. Ein magischer Moment. Die Mail wurde in Bruchteilen einer Sekunde kleiner und verschwand. Ab ins Nirgendwo……. Kacke! Ich hatte keine Lesebestätigung eingefordert! Ich Hirni! Wie sollte ich jetzt wissen, ob die Mail überhaupt angekommen ist? Gesendet worden war sie, das konnte ich nachvollziehen. Aber was, wenn das Ding da im Spam landet oder gar nicht erst ankommt? Man, war ich ein Doofmann. Jetzt konnte ich nur warten. Und das lag mir ja überhaupt nicht.
Gesendet hatte ich an einem Montag und den darauffolgenden Dienstag hatte ich frei. Also saß ich ab 6.30 Uhr vor dem Rechner und wartete, ob da eine Antwort für mich käme….Und ich riss mich zusammen und hatte wirklich Geduld. 6.35 Uhr:immer noch nichts…….6.42 Uhr: eigentlich würde es mal langsam Zeit…….7.05: Was ist nur los mit diesen Zeitungsmenschen? …..Ich hatte damals nicht daran gedacht, dass in so einer Redaktion die Arbeitszeit vielleicht auch erst später erst begonnen wird. „Die fangen bestimmt erst um 9 an“, sagte der Hase.
9 Uhr, nichts. 9.07 Uhr, immer noch nichts. 9.12 Uhr, 9.13 Uhr, 9.17 Uhr…..und so weiter. Ich klebte förmlich vor dem Bildschirm. Mal ehrlich, ich war schon etwas enttäuscht. War ich denn gar nicht wichtig? Wussten die denn gar nicht, wer ich bin? Nun gut, natürlich wussten die es nicht. Woher auch. Aber das war mir egal. Ich fand, die Leute dort waren ein ziemlich ignoranter Haufen. Springt man so mit seinem zukünftigen Mitarbeiter um? Ich denke nein!
Dann, um halb elf, eine Mail von der Redaktion. Mein Herz blieb erst einmal stehen. Und ich musste mich setzen. Oh, ich saß ja schon. Aber man konnte es nicht leugnen, ich war mörder aufgeregt. Und wie schnell die doch geantwortet hatten. Das war ein Zeichen. Schon klasse, wie ernsthaft man bei der Zeitung mit mir umging. „Willste nicht langsam mal anfangen zu lesen?“, fragte der Hase. Natürlich wollte ich, aber was, wenn es eine Absage war? Was wenn man mir mit möglichst höflichen und rücksichtsvollen Worten mitteilen wollte, dass man mich zwar für einigermaßen sympatisch, ansonsten aber für komplett ungeeignet hielt? Von wegen auf die Schulter klopfen und so. Würde ich so eine Absage verkraften? Möglich, aber wahrscheinlich nur sehr schwer.
„Hallo“ stand da und „das klingt doch alles sehr interessant“…. das klang auch für mich interessant. Ob ich Zeit hätte, möglichst bald für ein Gespräch vorbeizukommen? Na klar hatte ich die. Weshalb ich sofort antwortete und dann auch sehr schnell wieder eine Rückantwort bekam. Nachmittags, halb vier hatte ich einen Termin in den Redaktionsräumen. Bingo! Ab diesem Zeitpunkt rechnete ich nicht mehr damit, dass ich diese Stelle nicht bekommen würde. Es war für mich nun glasklar, dass ich ein Reporter werden würde und ich fragte mich, wie lange es bis zu meinem ersten Pulitzerpreis dauern würde.
Da kann ich an dieser Stelle kurz einfügen: Ich warte immer noch! Und womit? Mit Recht!
Ich fuhr also hin zu der Redaktion, aber vorher gab es noch den Hasen Style Check: „So willst Du doch da nicht hin, oder?“ „Wieso nicht?“, fragte ich. „Guck Dir doch die Klamotten an! Altes T-Shirt, alte Hose, alte Jacke….“ „Darin steckt ja auch ein alter Mann!“ unterbrach ich. „…. und die ist dann auch noch dünn. Wir haben Winter und Du ziehst mit Sommerklamotten los. Die werden Dich für einen Volldeppen halten!“ Ja, so ist er mein Hase. Wenn sich mein Möhrennager eine Meinung gebildet hat, dann hält sie damit auch nicht hinterm Berg. Das Herz liegt halt öfter auf der Zunge.
Ich fühlte mich nicht gerade sehr unterstützt und war dementsprechend angefressen. „Ich bewerbe mich da nicht um einen Vorstandsposten bei der deutschen Bank. Außerdem bin ich so authentisch!“, zischte ich zurück. „Dann kannst Du Dich ja wenigstens authentisch rasieren!“, sagte der Hase. Was ich dann auch noch tat. Dann fuhr ich los, nicht ohne noch einen Seitenhieb vom Hasen gratis mitzubekommen: “ Du wirst keinen guten ersten Eindruck hinterlassen. Denk an meine Worte. Manchmal solltest Du vielleicht auf mich hören!“ „Und manchmal halt auch nicht“, sagte ich und wir waren so gar nicht auf einem Nenner. Wir sagten uns noch kurz mit ein paar Blicken wortlos, was wir momentan voneinander hielten und ich fuhr los. So authentisch, wie es mir momentan möglich war.
Und dann kam ich an. Ich zögerte noch ein wenig mit dem Aussteigen, denn ich war immer noch ein wenig nervös. Dann fasste ich mir ein Herz und ging die Treppe hoch zu den Redaktionsräumen. Es war eine etwas längere Treppe und ich schnaufte ein wenig, als ich ankam, weshalb ich mir einige Sorgen um den Stand meiner Fitness machte. Ich sah mich um und auch wenn die Redaktion derzeit nur in einem Provisorium untergebracht war, weil das eigentliche Gebäude noch im Bau befindlich gewesen ist, war ich sofort komplett beeindruckt. Rund 10 Leute saßen an ihren Schreibtischen und waren mit nichts anderem beschäftigt, als die nächste Ausgabe einer Zeitung zu gestalten und ich dachte mir nur, was sollte es Schöneres geben, also so einen Beruf zu haben.
Natürlich war mir sofort klar, dass es sich hier um eine Regionalzeitung handelt und dass hier bestimmt nicht die Mega Stories auf die Redakteure warteten, aber ist das nicht vollkommen egal? Und ich befand mich jetzt, in jenem Augenblick, an der Schwelle ein Teil des Ganzen hier zu werden. Ein kleiner Teil. Nicht wirklich entscheidend für das Fortbestehen des Blattes, aber das war ebenso egal. Ich war im Begriff die Tür zu dieser Welt einen Spalt breit zu öffnen und mich dann hineinzuzwängen. Eine Aussicht, die mir hier erst richtig bewusst wurde und mir ein ungeahntes Gefühl der Vorfreude bescherte.
Der Redaktionsleiter, mit dem ich geschrieben hatte kam zu mir und begrüßte mich. „Eine Frage vorweg“, sagte er, „wir sind hier eigentlich alle per Du, wäre das ein Problem?“ Nein, natürlich war das so gar kein Problem. Im Gegenteil. Mir wurde der Laden sofort noch eine Spur sympatischer. „Prima, dann hätten wir das geklärt“, sagte er und führte mich durch den provisorischen Redaktionsraum. Ich glaube ich hatte riesengroße Augen, einen offenen Mund und muss ausgesehen haben, wie ein Teenager, der gerade den Schlüssel für die Hausbar seiner Eltern gefunden hatte.
Mir wurde noch die für mich zuständige Redakteurin vorgestellt und so saßen wir zu dritt an einem Tisch und meine neuen Vorgesetzten redeten ein bisschen über die Zeitung und wie alles so abläuft und dergleichen. „Und, was hat Dich bewogen, hier bei uns mitzuarbeiten“, fragte der nette Redaktionsleiter. Ich weiß nicht, ob man es mir ansah, aber mein Kopf war in diesem Moment komplett leer gefegt. Und ich muss ehrlich gestehen, dass ich irgendwie die Möglichkeit außer Acht gelassen hatte, dass man mich bei einem Bewerbungsgespräch auch etwas fragen würde. Wer konnte denn auch mit sowas rechnen? Ich hatte noch nicht sehr viele Vorstellungsgespräche. Es entstand eine Gesprächspause, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, die wahrscheinlich aber nicht länger als 7 Sekunden gedauert hatte.
Man glaubt ja gar nicht, wie lange 7 Sekunden sein können. Verzweifelt versuchte ich irgendwelche Bilder in meinem Kopf zu generieren, die eine Antwort begünstigen würden. Allerdings erschien mir nur ein sehr großes Schnitzel. Ein Jägerschnitzel mit Bratkartoffeln genaugenommen. Das half nicht wirklich weiter.
„Ich habe früher mal bei einer Schülerzeitung mitgemacht“, begann ich zu stottern. Der Herr Redaktionsleiter bemühte sich sehr, jetzt nicht laut loszulachen und die nette Redakteurin fragte sich bestimmt, ob das mit der Schülerzeitung vor oder nach dem Weltkrieg gewesen sein könnte. „Ich habe damals den Spaß am Schreiben entdeckt und ich habe ihn immer noch. Ich wusste nur nie, für wen ich schreiben könnte“, beendete ich meine Ausführungen und war begeistert davon, wie ich hier noch die Kurve gekriegt hatte. Und hatte der nette Redaktionsleiter für einen Moment gedacht, der Typ ihm gegenüber habe nicht mehr alle Tassen im Schrank, so schien er nun wieder etwas beruhigter zu sein.
„Na, das Problem wäre dann ja jetzt gelöst“, sagte der Redaktionsleiter meines Vertrauens, „dann kannst Du ja jetzt einfach mal anfangen.“ Anfangen? Womit? Ich dachte, man würde mit mir irgendwie ein Thema geben und mich zur Übung schreiben lassen. Ich war überfordert. Ich hatte tausend Fragen, brachte aber keine über die Lippen. Also stammelte ich: „Womit soll ich anfangen?“ „Also in der Regel ist es so, dass unsere Freien sich ein Thema suchen und uns vorschlagen und dann, wenn es ins Konzept der Zeitung passt, schreiben sie, machen ein, oder mehrere Fotos und schicken uns dann alles. Dann sehen wir, ob es noch überarbeitet, oder von der Länge her verändert werden muss und dann erscheint es baldmöglichst“, sagte meine zuständige Redakteurin.
Ein Thema? Ein Königreich für ein Thema! Auch darauf war ich nicht im Mindesten gefasst gewesen. Ich hatte irgendwie gedacht, ich würde heute nur ausgehorcht werden und dann würde es ein weiteres Treffen geben und dann würde man mich langsam an die Materie heranführen. Pustekuchen. Nichts war es mit dem langsam Heranführen. Also sagte ich das erste, was mir durch den Kopf ging. Nein, nicht das Jägerschnitzel. Sondern der Wettbewerb: „Unser Dorf hat Zukunft“ an dem die Gemeinde, in der ich lebe, teilnahm und von dem ich nicht den Hauch einer Ahnung hatte. Also schlug ich dieses Thema vor, nicht wissend, ob da nicht auch schon tausendmal etwas darüber in der Zeitung gestanden hatte. Ich war schon immer ein schlechter Zeitungsleser und bin es auch heute noch. Aber egal. Das Thema stieß auf Wohlwollen und man entließ mich in die Freiheit, um darüber zu berichten und dann den fertigen Bericht an die Redaktion zu schicken.
Das ganze Vorstellungsgespräch dauerte rund 13 Minuten. Inklusive der Vorstellung der anwesenden Redakteure und der gesamten Abläufe. Also für die eigentliche, für mich wichtige Materie blieben nur knapp 8 Minuten. War ich froh, den Job zu haben? Ja, ich war froh. Und wie froh ich war. Fühlte ich mich in irgendeiner Form vorbereitet? Nein! Nicht im Geringsten! Machte es mir Angst? Hmmh, nö. Wird schon werden, sagte ich mir und fuhr nach Hause, dem Hasen vom Erlebten zu erzählen.
„Na, das ging ja schnell“, sagte der Hase, „die haben dich dann wohl nicht genommen.“ „Doch haben sie“, erwiderte ich, „und auch in meinen Klamotten! Die wollen keinen Dressman, die wollen einen…..“ „Die Not muss ja anscheinend groß gewesen sein“, sagte der Hase. Not hin oder her, ich war nun ein freier Mitarbeiter bei einer Zeitung und ich pellte mir ein Ei darauf, dass größer war, als das eines Straußen. Aber ich wollte mich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, die ich mir noch nicht erworben hatte und begann mich um meinen allerersten Artikel zu kümmern.
Ein sehr netter Mensch aus meiner Nachbarschaft war federführend in dem Dorf das Zukunft hat und somit der ideale Ansprechpartner für mich. Und eins kann ich verraten, der Wettbwerb hat mich seitdem in meiner bisherigen Tätigkeit immer wieder begleitet und ich glaube ich habe seither gefühlt eine Millionen mal die Worte „Unser Dorf hat Zukunft“ geschrieben. Aber allein dass es mein erster Bericht/Text war, hat dem Ganzen einen Sonderstatus gegeben.
Ich bat meine Quelle zunächst darüber zu Schweigen, dass ich ein nebenberuflicher Schreiberling werden wollte. Es war halt so, dass ich bei aller Euphorie auch immer die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, dass ich scheitern könnte und da war es besser, wenn nicht sehr viele Menschen davon wussten. Genaugenommen wusste nur der Hase, mein netter Mensch aus der Nachbarschaft und die Redaktion von meinen Ambitionen. Und um mein Geheimnis zumindest am Anfang noch zu wahren, kümmerte sich mein netter Nachbar auch um ein Foto. Wofür ich sehr dankbar war, weil ich eigentlich davor eine gewisse Panik hatte. Also vor dem Fotografieren. Mal abgesehen davon, dass ich eigentlich auch keine Kamera besaß.
Das Bild war dann auch echt nicht schlecht. Mein Text allerdings, mein erster eigener Zeitungstext, erschien mir, na ich sag mal, nur so halbwegs gut zu sein. Er war recht dröge und wirkte auf mich, wie ein Schüleraufsatz. Der Hase, der seitdem bei mir das Amt der Lektorin inne hat und in der Regel alle meine Texte Korrektur liest, war jetzt nicht so abgeneigt. Wobei der Hase und ich längst nicht immer einer Meinung über die Qualität meiner Texte sind.
Wie dem auch sei, Text und Bild habe ich dann an die Redaktion geschickt und ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, ob das was ich schrieb auch gut ankommen würde. Und je länger ich auf die Antwort wartete, desto geringer sah ich die Chancen an. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt schon meine Mails per Handy abrufen und in jeder freien Sekunde machte ich Gebrauch davon. Egal ob ich zu Hause war, oder ob ich arbeiten musste. Und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, die immerhin zwei Tage dauerte, kam die Antwort von meiner Redakteurin.
Ja, das klänge doch alles sehr gut soweit und würde demnächst auch in die Zeitung kommen……das war der Moment, in dem ich bei der Arbeit vom Gabelstapler kippte. Da auch hier niemand wusste, was sich da gerade für Änderungen in meinem Leben abspielten, blickte man mich sonderbar an. Ich stand wieder auf, stieg auf den Stapler und für den Rest des Tages berührten meine Füße nie wieder den Boden, denn ich schwebte. „Und weil du schon mal so in Schwung bist“, stand noch in der Mail, „hättest Du vielleicht Lust, morgen Abend zu einer Lesung zu fahren und darüber zu berichten?“ Ich zögerte nicht eine Sekunde und sagte zu.
Und nun saß ich in meinem Auto und fuhr zu dieser Lesung und ich fühlte mich so ein bisschen wie der Kapitän der Titanic, der alle Warnsignale übersieht und dann auf den Eisberg fährt. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Klar kann ich zu der Lesung, hatte ich geschrieben und war total überzeugt, dass ich das kann. Aber nun?
In mir keimten Zweifel auf und ich sah keinen Ausweg. Es war, als wenn ich mit meinem Auto auf einen Abgrund zu fahren würde. Den Fuß fest auf dem durchgedrückten Gaspedal und immer mit der Hoffnung, dass in der kurzen Zeit, die mir blieb, bis ich in die Schlucht stürzen würde, spontan eine Brücke peplant und gebaut würde. So als wenn ich ein Flugzeug flöge und auf dem BER landen wollte, weil der ja eigentlich eröffnet werden sollte.
Es fing schon damit an, dass ich keinen Block hatte, in den ich mir Notizen machen könnte. Also habe ich meiner Tochter einen gemopst, auf dem fein säuberlich ihr Name stand und als ob das noch nicht peinlich genug wäre, auch noch „Klasse 8c“. Und auch wenn damit das Problem des Blocks gelöst war, hatte ich nicht die geringste Ahnung, was ich denn für Notizen machen sollte. Ich war noch nie auf einer Lesung. Was ging da ab? Ich hatte den Verdacht, dass dort mindestens 40 oder 50 Leute sein würden und der intelligente Mensch auf der Bühne, oder wo auch immer, würde intelligente Sachen vorlesen und mit seinem Publikum intelligente Gespräche haben. Und dann würde man mich ansprechen: „Also, wenn sie noch Fragen hätten…“ und ich würde da sitzen, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen und die ganzen Leute, die mich bis zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch für einen Journalisten oder etwas in der Art gehalten hatten, würden binnen weniger Sekunden begreifen, welch Scharlatan sie aufgesessen wären.
Ich bekam Angst und wurde immer kleiner in meinem Auto, das unweigerlich zu diesem Termin fuhr. Das Auto. Ja, das Auto war auch so eine Sache. Es war alt und von der Sorte „Gebrauchsgegenstand, der Dich von A nach B fährt“ und würde meinen desolaten Gesamteindruck komplettieren. Kein ernstzunehmender Reporter, oder freier Mitarbeiter würde mit einer solchen Rostlaube zu so einer wichtigen Lesung fahren. Niemals. Also stellte ich meinen Wagen ein paar hundert Meter entfernt von dem Veranstaltungsort ab. So konnte im ersten Moment niemand eine Verbindung zwischen uns herstellen.
Das nächste große Problem war die Kamera. Eigentlich hatten wir mal eine Digitalkamera aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht wo und der Hase war noch nicht zu Hause und Whatsapp hatten wir damals noch nicht. Mir blieb nicht viel Zeit zwischen meinem Feierabend und dem Termin, weshalb eine ausgedehnte Suche nach der Kamera nicht in Frage kam. Mein Handy hatte zwar auch eine Kamera, aber ich glaube, die war von derart schlechter Qualität, dass ich lieber hätte zeichnen können. Außerdem wusste ich nicht im Geringsten, wie die blöde Kiste in dem blöden Handy funktioniert. Man sagt ja auch, ein technisches Gerät ist nur so blöde, wie der, der es bedient. Also demnach war mein Handy sehr blöde.
Ich war an dieser Stellte ein wenig aufgeregt. Schließlich hatte ich bei der Suche nach einem Schreibblock schon genügend Zeit verloren. Was sollte ich nur machen? Ruhe bewahren war jetzt das Wichtigste! Also schrie ich nicht sehr laut, als ich hektisch durch unsere Wohnung lief und überall nach der Kamera suchte. Aber ich hatte einen rettenden Einfall. Meine Schwester, die einen Ort weiter wohnt, besaß eine! Also kurz angerufen…….niemand ging ran. Oh Gott! Spätestens jetzt wusste ich, dass ich den Mund viel zu voll genommen hatte. Hergott, was nun? Sollte ich vor Ort vielleicht jemandem die Kamera klauen und ein paar Bilder machen und dann verschwinden? Ich hatte nicht wirklich einen Plan, als ich das Haus verlassen wollte. Doch da, das Telefon klingelte und meine Schwester war dran. Und sie hatte wirklich eine Kamera. Und ich konnte sie mir ausleihen. Und das Beste war, sie wusste auch genau, wo ihre Kamera lag.
Ich fuhr hin und in einem Crashkurs wurde mir die Handhabung des Apparates näher gebracht und wie es mit mir so ist, wenn ich es eilig habe, ich hörte natürlich nicht hin. Und so fuhr ich in diesem unansehnlichem Auto zu dieser Lesung und war bewaffnet mit einem Schülerblock der Klasse 8c und einer Kamera meiner Schwester, deren Funktionsweise mir nur rudimentär geläufig war. Ich wusste, dass man sie irgendwo einschaltet und dass man auf irgendeinen Knopf drückt, wenn man ein Bild machen möchte und dass es für das Blitzlicht eine Reihe von Einstellungen gab, die gerade bei Innenaufnahmen sehr wichtig waren. Meine Hoffnung, dass die Lesung im Freien abgehalten würde, waren gering. Schließlich war es Ende Februar und saukalt. Kein Mensch würde draußen lesen. Außerdem war es eh dunkel.
Wie gesagt, die Voraussetzungen waren mehr als schlecht und die Tatsache, dass ich nicht im Geringsten wusste, was genau ich da bei dieser Lesung zu tun haben würde, komplettierte den fatalen Gesamteindruck. Mir wurde schon ein wenig übel und als ich aus dem Auto stieg, war ich auf die Größe einer mittelgroßen Ameise geschrumpft. Ich glaube ich musste die Tür zu dem Gemeindesaal, wo die Lesung stattfand, nicht öffnen, weil ich bequem darunter hindurch passte.
Drinnen waren nur sehr wenig Leute, ich war allerdings auch sehr früh dran, und ein netter Mann begrüßte mich. „Matthias Daus von der Kreiszeitung“, sagte ich. Diese Worte hatte ich mir zurecht gelegt, für den Fall, dass man mich zur Begrüßung ansprechen würde. Ich war angetan von meiner Weitsicht. Ich hatte diese Worte mantraartig geübt. Tausendfach! Und jetzt, wo sie zum Einsatz kamen, flutschten sie mir flüssig über die Lippen. Allerdings ein paar Oktaven höher als normal. Ich piepste die Worte und mein Gegenüber musterte mich eingehend. „Ah, Transgender“, wird er wahrscheinlich gedacht haben und weil er ein Herz für Randgruppen hatte, blieb er auch freundlich.
Innerlich zitterte ich wie Espenlaub und wartete auf den Moment, in dem sich der Boden auftat und mich verschluckte. Aber dieser Moment kam nicht. Ich fand meine eigentliche Stimme wieder und fragte den netten Mann, der wahrscheinlich dachte: „Ah, Stimmbruch. Und das in dem Alter!“, ob es für mich einen bestimmten Platz gäbe. „Nein eigentlich nicht. Suchen Sie sich einfach einen Platz aus, der für sie am vorteilhaftesten ist, um später Fotos zu machen“, sagte er, „Sie werden das bestimmt am Besten wissen.“
„Hat der ´ne Ahnung, nix weiß ich“, dachte ich und schritt äußerlich gelassen durch den Saal und setzte mich in eine etwas direktere Nähe zum Vorlesenden. Welcher auch schon auf seinem bequemen Vorleserstuhl auf einer kleinen, provisorischen Bühne saß und auf die ankommenden Gäste wartete. Mein Empfangsmensch kam hinzu und stellte uns vor: „Das ist Herr Daus von der Zeitung und das ist Herr (ich weiß leider seinen Namen nicht mehr), unser Autor, der heute Abend aus seinem Roman (auch den Titel weiß ich nicht mehr) vorlesen wird.“ Wir schüttelten einander die Hände und ich wurde mir in diesem Moment noch intensiver bewusst, dass ich als der amateurhafteste aller Amateure einem Profi gegenüberstand. „Es ist noch etwas Zeit“, sagte der Empfangschef, „ich würde daher sagen, dass Sie, Herr Daus, unserem Autor ein paar Fragen stellen könnten.“
„Wen meint der denn mit dem Herrn Daus?“ fragte ich mich und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich aller Wahrscheinlichkeit der einzige Herr Daus in diesem Saal war. Fragen stellen sollte ich also. Oh Gott. In der Form hatte ich das noch nie getan. Was sollte ich fragen? „Hey, gut geschlafen?“ oder „Wie gefällt Ihnen das Wetter?“ oder „Haben sie das Buch echt selbst geschrieben? Ja? Ist ja ein Ding!“ Doch in diesem Moment geschah etwas Wunderbares. So als würde sie mir jemand diktieren, erschienen in meinem Kopf ein paar Fragen, die wirklich gar nicht so übel waren. Das beruhigte mich. Ich stellte die Fragen, die der Autor nett beantwortete und machte mir Notizen in den Schulblock meiner Tochter. Aber dann war es Zeit, die Lesung sollte beginnen. „Schöner Block „, sagte der Autor schmunzelnd und setzte sich auf seinen Vorlesesessel.
Hatte sich meine Angst im Vorfeld auch dahingehend verstärkt, dass ich mit einem großen Besucherandrang gerechnet hatte, so konnte ich mich in diesem Punkt komplett beruhigen. Im Saal anwesend waren: Der Vorleser, der Pressefuzzi (also ich), mein Begrüßer, drei weitere Leute von der Gruppe, die diese Lesung veranstalteten und gefühlt anderthalb Zuschauer, die aber verschwägert waren mit einem der Veranstalter. Es hatte so einen gewissen Charakter einer Geisterstadt. Fehlte nur das umherwehende Buschwerk. Also war meine erste Lesung und mein allererster Auftrag für die Zeitung weitaus weniger glamourös als erwartet.
Und so saß ich da, mit dem vierköpfigen Publikum und bedauerte den armen Autoren, der einerseits mit dem offenkundigen Desinteresse der Menschen aus der Gemeinde konfrontiert wurde und dessen einzige mediale Aufmerksamkeit darin bestand, dass das Lokalblatt einen Praktikanten oder sowas geschickt hatte. Nun gut, das wusste er nicht mit Bestimmtheit, aber ich denke er hat es spätestens vermutet, als er gesehen hat, wie ich versuchte ein paar Fotos zu schießen.
Nicht, dass ich die Kamera falschrum gehalten hätte, aber ganz unwahrscheinlich war es nicht, dass mir das nicht auch noch passieren würde, Ich hatte alle Hände voll damit zu tun, diese blöde Kiste überhaupt anzuschalten. Und dann noch die Sache mit dem Blitzlicht und dann noch den Auslöser finden. Es war grauenvoll und schrecklich. Man muss dabei bedenken, dass ich auch gleichzeitig dem Vortrag lauschen musste und mir aussagekräftige Notizen machen wollte.
Aber irgendwie geschah hier das zweite Wunder. Das mit dem Fotografieren funktionierte so leidlich, aber dafür wusste ich einfach so, welche Notizen ich mir machen musste, um später daraus einen Text zu formen. Mehr noch! Ich hatte schon dort ein paar Textzeilen direkt vor Augen. So als wären sie fertig geschrieben und ich müsste sie nur ablesen. Und bei all dem ignorierte ich die beklemmende Atmosphäre, die entsteht, wenn auf der Bühne fast mehr Künstler sind, als Zuhörer im Publikum.
Ich bewunderte den Autoren, der sich davon auch gänzlich unbeeindruckt zeigte und seine Lesung hielt, als wenn er in einem vollen Saal säße. Und ich muss sagen, dass er wesentlich mehr Publikum verdient hätte. Weshalb ich beschloss, dass er zumindest in der Presse würdig vertreten sein sollte. Also würde ich mir sehr viel Mühe geben. Das stand fest.
Also blieb ich noch zur anschließenden Diskussionsecke (für eine Runde waren nicht genug Leute da) und fuhr so gegen halb elf abends nach Hause. Und weil ich wollte, dass meint Text möglichst bald erscheint, habe ich mich sofort an den Computer gesetzt und meinen eigentlich zweiten Text geschrieben. Bis weit nach Mitternacht und ich stellte fasziniert fest, dass ich kaum noch in meine Notizen sehen musste. Irgendwie wusste ich beinahe auswendig, was da drin stand. Ein Umstand, der sich bis heute nicht geändert hat.
Der nächste Tag war auch wieder eine Qual für mich. Auch wenn mir mein zweiter Text schon besser gefiel als der erste, war ich immer noch total unsicher, wie man auf Redaktionsseite darauf reagieren würde. Dann gegen Mittag die Erlösung: Alles gut! Der Text gefiel und würde am nächsten Tag (ein Samstag) in die Zeitung kommen. Allerdings sei das Foto eher schlecht, aber man würde das noch hinkriegen.
Und dann kam die Wartephase. Ich wusste, dass die Zeitung bei uns immer nachts gegen halb drei ausgeliefert wurde. Also war schon mal klar, dass ich bis dahin nicht schlafen würde. Die Tatsache, dass ich am nächsten Tag auch noch arbeiten musste, war mir dabei aber vollkommen egal.
Ich weiß nicht warum, aber die Zeitung kam nicht um halb drei und auch nicht um drei. Und um halb vier immer noch nicht. Ich war genervt und schlief ein. Und dann um halb fünf, der Hase hatte gerade Durst gehabt und sich in der Küche etwas zu trinken geholt, war es soweit.
„Taddaaaah!“ sagte der Hase und rieb mir die Zeitung unter die Nase. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich blätterte mit zitternden Fingern bis zu der Seite, wo mein Text zu finden war. Zusammen mit dem Bild, das zugegebenermaßen echt ziemlich übel war, nahm mein erster veröffentlichter Bericht mindestens zwei Drittel der gesamten Seite ein und wurde auch auf der Titelseite angekündigt und über all dem was ich geschrieben hatte, stand mein Name. Bingo! Ich glaube es gab in meinem ganzen Arbeitsleben keinen erfüllenderen Moment als diesen.
Mir ist natürlich klar, dass diesen Text außer mir und dem Hasen wahrscheinlich nur fünf oder sechs Personen (also die Anwesenden des Abends und der Autor vielleicht) bewusst gelesen haben und wahrscheinlich auch noch ein paar Versprengte, die sowieso alles lesen, was in der Zeitung steht, aber auch das war egal. Das Ding war drin und ich war happy. Mehr brauchte ich nicht.
Das Ganze ist jetzt vier Jahre her und ich habe seitdem einen ganzen Haufen Texte geschrieben und mit einem ganzen Haufen Leuten gesprochen und einen ganzen Haufen Veranstaltungen besucht. Ich hatte mir damals relativ schnell eine Kamera gekauft. So eine für Blöde, wo man nicht tausend Sachen einstellen muss, bevor man abdrückt. Nicht die allerbilligste Sorte, aber wenn ich mal auf professionellere Zeitungsleute treffe, dann sieht meine im Vergleich zu deren Mega großen Kameras mit den Objektiven zum Wechseln wie ein kleines Spielzeug aus. Man könnte beinahe vermuten, dass bei meiner Kamera vorne Wasser rausspritzt oder so. Aber so scheiße ist die gar nicht und ich habe sogar gelernt damit einigermaßen erträgliche Fotos zu machen.
Von den Texten die ich geschrieben habe, gefallen mir ein Drittel nicht wirklich, ein Drittel finde ich so halbwegs gut und immerhin ein Drittel erscheint mir für meine Verhältnisse und Ansprüche doch gelungen und davon ein paar auch sehr gelungen. Wobei auch da die Meinungen vom Hasen und mir nicht selten unterschiedlich sind. Sie findet, dass ich manchmal schreibe wie ein Märchenonkel und ich finde, dass es halt locker klingt. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.
……und wenn sie nicht gestorben sind………