Manchmal, wenn ich mir die Zeit nehme und nicht gerade arbeite, oder in diesem Blog schreibe und nicht esse oder lese, oder vielleicht schlafe, verschlägt es mich auf mein Sofa. Mein Sofa ist ein gemütliches und gutmütiges Sofa und es beherbergt mich wesentlich öfter, als es im ersten Satz den Anschein hat. Ich liebe mein Sofa, auch wenn der Hase es eher nicht so schön findet. Wahrscheinlich passt die Farbe nicht zu meinen Augen oder es ist insgesamt eher unmodern. Aber mich ficht das nicht an, denn mein Sofa ist urgemütlich und zusammen bilden wir eine untrennbare Einheit. Und wenn ich so auf meinem Sofa liege, dann läuft auch im allgemeinen der Fernseher und ich habe den Eindruck, je älter ich werde, desto bescheuerter wird das Fernsehprogramm. Ich spreche dabei nicht von den ganzen Familien am Abgrund und der Steifenpolizei auf Streife und dem ganzen Assischeiß, der große Teile des Programms zukleistert. Nein, ich meine auch schon die vermeintlich niveauvolleren Sendungen. Ich habe mal etwas genauer hingesehen und einen Blick hinter die Kulissen geworfen. Um eine gewisse Anonymität der handelnden Personen zu wahren, habe ich die Formate verfremdet dargestellt.
Beispiel eins: die Küchenschabe
„Lieber Frank, wir haben ein ganz großes Problem. Wir haben ein Lokal, das sieht scheiße aus und wir sind zu blöd zum Kochen. Alles was wir hinkriegen sind Ravioli aus der Dose und Schnitzel aus der Fritöse. Die Küche ist ranzig, wie das Fett, in dem die Schnitzel schwimmen. Wir selbst sind auch hässlich und ungepflegt. Was uns wundert ist, die Gäste bleiben aus. Wenn das so weiter geht, müssen wir schließen. Wenn wir nur wüssten, wo der Schlüssel ist.“ Mit diesem Brief wenden sich Wolfgang K. aus W. und seine Gattin Margot an den berühmten, ach was sag ich, den phänomenalen, den gottgleichen Koch mit dem Namen einer getrockneten Weintraube, in der Hoffnung, dass er zur Rettung eilen könne. Und natürlich kann er. Er schwingt sich auf das hohe Ross, auf dem er für den Rest der Sendung auch gerne sitzen bleibt und begibt sich auf den Weg nach W., wo auch immer das liegen mag, um aus einem „schmierigen Löffel“ einen Gourmettempel zu machen.
Keine leichte Aufgabe, wie ein erster Blick ins Lokal verdeutlicht. Vorhänge aus den siebziger Jahren, die vor Fenstern hängen, die seit dieser Zeit nicht wieder geputzt wurden, mit Pflanzen auf den Fensterbänken, die aufgrund ihrer Größe bedrohlich wirken, wird all das abgerundet mit einem Tresen in Eiche brutal und einem Mobiliar, das aus dem Rest besteht, den die Polen beim Sperrmüll übrig gelassen haben. Gedämpftes Licht überall und man kann auch über den Bildschirm förmlich riechen, dass es hier mufft. Einziger Gast ist ein betrunkener „Schmierlappen“, der an der Theke sitzt und alte Kriegsgeschichten erzählt. Oh Pardon, das ist ja der Wirt persönlich.
„Hallo ich bin der Frank und ich soll Euch helfen, den Laden in Schwung zu kriegen“, sagt seine Gottheit und der Mann am Tresen antwortet leicht nuschelig: „Was´n fürn Frank…Hupp?!“ Da geht auch schon die Tür zur Küche auf und Margot betritt den Raum. Ihre Haare gleichen der Fritteuse, zumindest was den Fettanteil angeht. „Wolfgang Du vers… Schw.., ( der Sender übertüncht die schlimmsten Schimpfworte mit einem Piepton, freut sich aber über jeden Piep, weil das Quote bringt) weißt du blödär.(PIep)..iger Volltrottel nicht, wer das hier ist? Das ist seine Herrlichkeit, der Frank und der wird uns jetzt retten!“ Dem Frank überfliegt bei diesen Worten ein Heiligenschein. „Du wirst uns doch retten, oder?“ fragt Margottchen zur Sicherheit und der Frank kann sie da auf ganzer Linie beruhigen. Natürlich wird er. Da hat er schon ganz andere Fälle gehabt, die er allesamt vor dem Ruin und dem Gesundheitsamt bewahrt hat.
Um sich einen persönlichen Ein- und Überblick zu verschaffen, bestellt der Frank sich ein paar Dinge aus der sehr übersichtlichen Speisekarte. Er hätte gerne die Ravioli a la Conserve und das Schnitzel de la Fritös und als Nachtisch ein Eis des Hauses. Wolfgang, der nur noch mühsam das Gleichgewicht halten kann, nimmt die Bestellung entgegen und verschwindet in Richtung Küche, um seiner zierlichen Margot zu sagen, was sie denn kochen solle. Nach einigen wüsten Beschimpfungen und einem kleinen Handgemenge macht sie sich ans Werk. Drei Minuten später serviert Wolfgang, der mittlerweile ein blaues Auge hat, die Speisen. „Dasssjedsd dassschnizl, Hupp“, erklärt der schwankende Kellner seinem entsetzten Gast, welcher mit dem Besteck, das auch schon bessere Zeiten, wahrscheinlich zum Ende des zweiten Weltkriegs, gesehen hat, sich bemüht die panierte Schuhsohle, die unter einem Meer von Sauce Hollandaise ertränkt wurde, in mundgerechte Stücke zu schneiden. Wolfgang geht zum Tresen und trinkt, weil er von der plötzlichen Arbeit überrascht wurde, erstmal drei Aquavit und zwei Bier. Währenddessen spricht der Frank mit gedämpfter Stimme in die Kamera:“ Den Hauptgang vor der Vorspeise? Das ist ein No Go! Und dann dieses Schnitzel. Ich glaube das wurde in der Friteuse zubereitet. Der Anfang lässt hier noch Schlimmes erahnen!“
Das verträumte Ping der Mikrowelle kündigt den nächsten Gang an. Wolfgang, der angesichts des kulinarisch dermaßen bewanderten Gastes sein Trinkniveau steigern möchte, ist von Bier und Schnaps auf Rosewein und Eierlikör umgestiegen und es ist ihm erstmal scheißegal, ob hier irgendeine Mikrowelle gepingt hat, oder auch nicht. Der liebliche Bassbariton seiner Gattin Margot aus der Küche erweckt ihn schließlich doch wieder zum Leben. „Wooooooolllllffffggaaaaaaaang Du (es folgen eine Reihe Pieptöne) schwing Deinen (Piep) hierher und hole die verdammten Ravioli ab, du elender (Piiieeeep) !“ Der Angeschriene tut wie ihm geheißen und bringt dem Sternekoch, der ein wenig selbstverliebt dreinschaut, die nächste Runde. „Ich glaube es handelt sich hier um Ravioli aus der Dose“, gibt dieser nach den ersten zwei Bissen sein ebenso niederschmetterndes wie auch fachkundiges Statement ab.
Wolfgang verzichtet derweil komplett auf Gläser und trinkt nun direkt aus der Flasche oder dem Zapfhahn. Ein lichter Moment bringt ihm die Erleuchtung und er schreitet zum Servieren des Desserts. Auf einem silbrig schimmernden Tablett bringt er dem mittlerweile etwas grüngesichtigem Lokaltester das Eis des Hauses. Ein Cornetto Erdbeer aus dem Jahre…., ach das kann jetzt keiner so genau bestimmen, auf der Verpackung ist jedenfalls noch eine vierstellige Postleitzahl. Dem Frank reichts, er hat genug gesehen. Er wolle noch einen Blick in die Küche werfen, sagt er zu Wolfgang, dem das irgendwie scheißegal ist.
In der Küche herrscht selbstverständlich das totale Chaos und die Kamera des Senders hält jedes noch so kleine Detail genussvoll fest. Margot sitzt mit ihrem schmierigen Kittel auf der versifften Arbeitsfläche und weint. Das passt natürlich sehr gut ins Konzept und die Kamera schwenkt sofort zu ihr, um die Verzweifelung möglichst plastisch darzustellen. Frank, der ja nicht nur ein Koch der Extraklasse, sondern auch ein sehr netter Mensch ist, tröstet die Verzweifelte. „Margot, morgen holen wir mal ein paar Leute zu einem Testessen hierher und dann sehen wir mal, wo die Probleme liegen und wie wir die in den Griff bekommen.“ „Ja“, schluchzt Margottchen und ein kleiner funken Hoffnung erhellt ihr trübes Gesicht.
Am nächsten Tag kommt der Frank wieder. Bevor er das Lokal betritt, spricht er noch kurz in die Kamera, um die Ereignisse des Vortages zusammenfassend zu analysieren. „Ein hässliches Ambiente, verwahrloste Wirtsleute und dazu Fertiggerichte als Speisen, der Start war denkbar schlecht und ich bin jetzt mal gespannt, wie unsere Testesser reagieren.“ Das Testpublikum, das man mit Waffengewalt und Bestechungsgeldern in diese Lokalität gezwungen hat, sitzt schon erwartungsfroh an den Tischen, auf welchen sich zur allgemeinen Überraschung frische Tischdecken befinden. Wolfgang, der sich zur Abwechslung auch mal die Haare gewaschen und gekämmt hat, bringt den Gästen alles, was sein Margottchen in der Küche zaubert. Also genau das Gleiche wie gestern. Frank, der sich schon auf die entsetzten Aufschreie der Anwesenden freut, begibt sich an die Tische und interviewt die Gäste.
„Boah, watt lecker! So´ne Ravioli macht meine Mutter auch immer. Also hier schmeckts wie bei Muttern!“ freut sich der erste. Das Schnitzel sei auf den Punkt frittiert, bemerkt der Nächste. Die beiden Störenfriede, die so gar nicht in das Konzept der Sendung passen, werden unter Anwendung körperlicher Gewalt aus dem Lokal entfernt, während einer Werbepause. Die verbleibenden Gäste nehmen sich ein Beispiel daran und vermeiden jegliche positive Äußerung. Zum Abschluss des Essens dürfen sie noch einen Bewertungsbogen ausfüllen und der Frank präsentiert das Ergebnis. Er hält einen kleinen Zettel hoch und erklärt kurz was darauf zu sehen ist:“ Unsere Testesser haben den heutigen Abend bewertet und von 438 möglichen Punkten habt ihr…..“, es folgt eine spannungsfördernde Pause, „….2 erreicht. Das ist wenig!“ Eine Erkenntnis, die auch den beiden Wirtsleuten nicht verborgen bleibt.
In den folgenden Tagen tut sich eine Menge. Das Mobiliar wird dem Sperrmüll zurückgegeben, die alte Theke gegen eine stylische Neue ausgetauscht und zwei Tatortreiniger bringen die Küche auf Vordermann. Wolfgang, ein bekennender Analphabet, soll eine neue Speisekarte schreiben. Mit ganz tollen eigenen Ideen, die ihm der Frank fein säuberlich diktiert. In der Küche wird Margot die Funktionsweise des Herdes und des Kochfeldes näher gebracht. „Was sind das für runde Dinger?“ „Damit schaltet man ein und regelt die Temperatur!“ „Temperatur? Verstehe ich nicht! Und was ist das?“ „Das ist ein Wasserhahn, da kommt Wasser raus, das braucht man zum Kochen und Abwaschen!“ Margot nickt, aber in ihrem Blick kann auch ein Blinder lesen, dass sie überhaupt nicht weiß, was das alles soll. Währenddessen gehen die Arbeiten im Lokal unvermindert weiter. Viele Freunde, die das Ehepaar bisher noch nicht kannte und die vom Sender bezahlt wurden, legen tatkräftig Hand an. Es werden auch die Fenster geputzt.
Von dem unerwarteten Lichteinfall geblendet, erinnert sich Wolfgang daran, dass er doch eigentlich sehr durstig ist und unbedingt etwas trinken muss. Margot verbrennt sich an einer Herdplatte. „Verdammte Schei (Piep), das Ding ist ja heiß! Was soll das denn bitteschön?“ Die „Freunde“ schuften unverdrossen weiter und der Sender schmeißt Unsummen an Geld zum Fenster raus, damit neue Möbel angeschafft werden können. Nur die Wirtsleute sind eigentlich im Wege. Da platzt dem freundlichen Frittiermeister Frank der Kragen. Von dunklen Wolken umgeben wird er auf seltsame Art fast doppelt so groß und er faltet den Wolfgang und seine Margot vor laufender Kamera, bis sie ganz klein und mickrig sind. Margot heult mal wieder und Wolfgang würde gerne etwas erwidern, wenn er nur nicht so betrunken wäre.
So kann es nicht weiter gehen. Frank schreibt die Speisekarte und ein richtiger Koch wird eingestellt, der die Sachen auch zubereiten kann. Margot, die sich noch nicht völlig aus der Küche vertreiben lässt, blickt dem neuen Profi über die Schulter. Was er denn das für Zeugs anmischen würde, fragt sie ihn. Das sei Salat, erklärt der Angesprochene geduldig. „Ihh, Salat!“ sagt sie, bekreuzigt sich mehrmals und fügt murmelnd: „Nicht dass uns noch Gemüse ins Haus kommt“, hinzu.
Um das Personal dem neuerdings hippen Ambiente anzupassen, werden zwei Servicekräfte eingestellt. Es handelt sich um zwei Teilnehmerinnen einer Modelcastingshow, die einfach kein Foto mehr bekommen hatten und nun nach einer neuen Herausforderung suchen. „Hallooohh, ischbinner Wolffgaanng!“ nuschelt der wieder sturzbetrunkene Wolfgang und die beiden Mädels geben ihm äußerst widerwillig die Hand. Draußen wird ein neues Schild über den Eingang gehängt und aus „Margot ihr sein Schlemmergrill“ wird nun das „Chez Margot ft. der unvergleichliche Frank“. Ein paar neue Strahler hier, etwas Tischdeko dort und ein komplett neu eingerichteter Toilettenbereich , machen aus der alten Spukkaschemme ein neues Juwel der heimischen Gastronomie. Sich selbst auf die Schulter klopfend, verkündet nun der geniale Frank, dass am morgigen Tag ein erneutes Testessen stattfinden würde.
Und so kommt es auch. Es werden die gleichen Testesser genommen und ihnen wird nun feinste Kochkunst aufgetischt. In einem Lokal, das wie aus dem Ei gepellt aussieht und serviert von zwei außerordentlich hübschen jungen Damen. Wolfgang und Margot haben sich auch wieder fein gemacht und verbringen den Abend damit nicht allzu sehr im Weg zu stehen. Dann ist das Mahl beendet und das vollkommen begeisterte Publikum darf wieder einen Bewertungsbogen ausfüllen. Frank nimmt wieder so einen Zettel in die Hand und resümiert ein wenig: „Als wir am Anfang ein Testessen hatten, bekamt ihr von 438 möglichen Punkten… (dramatische Pause) nur kümmerliche zwei. Das war schlecht.“ Wer würde ihm da nicht zustimmen. Er fährt fort: “ Dann kam ich und zusammen mit Euren Freunden und einigen Maßnahmen haben wir hier viel verändert. Nach dem heutigen Essen haben wir wieder eine Bewertung abgeben lassen und (noch dramatischere Pause) das Ergebnis (die Pause ist an Dramatik kaum zu überbieten) lautet (der Höhepunkt der Pausen ist erreicht) 442 Punkte! Das ist besser! Viel besser!“
Lauter Applaus, jubelnde Gäste eine vor Rührung weinende Margot (die Kamera ist wieder ganz dicht dran an ihren Tränen) ein betrunkener Wolfgang „Wassnhierlos?“ und ein sichtlich stolzer Frank, das Finale ist wirklich perfekt. Der Ritter, äh Retter Frank verabschiedet sich von Wilfried und Marianne, oder wie auch immer die beiden Penner heißen und verlässt das Lokal. Er geht die Straße hinunter und erzählt dem geneigten Fernsehzuschauer noch einmal die ganze Geschichte und wie toll er doch war und was er nicht alles geschafft hat und so weiter. Im Hintergrund sieht man das Lokal langsam immer kleiner werden. Die Tür geht auf. Zwei flüchtig gepackte Koffer werden auf die Straße geworfen. Die Tür öffnet sich abermals und Margot und Wolfgang werden ebenfalls auf die Straße geschubst. Wer ganz genau drauf achtet, hört im Hintergrund, wie der neue Koch den beiden noch die Sätze: „Verpisst Euch! ich bin hier der neue Chef!“ hinterherwirft. „Aber was sollen wir jetzt machen?“ fragt Margot. Es ei ihm scheißegal antwortet der neue Wirt und geht in sein neues Lokal, das ihm sein Freund Frank soeben geschenkt hat.