Manchmal denke ich, ich bin einfach zu blöd (höre ich da eine Zustimmung bei meinen Lesern?). Oder sind es eher die Zeiten, die zu blöd sind? Oder lassen die Zeiten mich einfach nur blöd aussehen, weil ich sie nicht verstehe und auch nicht immer verstehen möchte? Man muss nicht drumherum reden, wir passen nicht immer zusammen, das moderne Leben und ich. Und nicht selten, wünsche ich mir die gute alte Entspanntheit der guten alten Zeit zurück. Und ich erinnere mich lebhaft und mit einem leicht melancholischen Gefühl daran, wie es war, als man nur drei Fernsehprogramme hatte und es Sende- und Ladenschlusszeiten gab. Damals war es in dem Dorf, in dem ich lebte, noch beschaulich. Es gab rund zehn Kneipen und mindestens vier Supermärkte, oder kleinere Kaufmannsläden, drei Bäckereien und einen Schlachter. Dazu noch anderthalb Schreibwarenläden eine Tankstelle (oder waren es zwei?), und einen Imbiss. Und am Mittwochnachmittag hatte kein Geschäft mehr auf, ebenso am Samstagnachmittag. Dann war das Dorf in dem ich lebte, eine Art Geisterstadt und aus heutiger Sicht liebe ich es, dass es so war.
Gerne verschweige ich natürlich, dass es für mich als Kind und vielmehr noch als Jugendlicher, ziemlich öde war und alle in meinem Alter haben sich danach gesehnt, dass mal irgendwann mehr los sein würde, dass das pralle Leben zu uns käme. Wir wünschten uns mehr Fernsehprogramme und einen späteren Sendeschluss und wir wünschten uns, dass auch Mittwochnachmittag und Samstagnachmittag irgendwie mal mehr los sein würde, als dass trockene Büsche durch die Straßen wehten (ja genau wie in den Geisterstädten in den Western). Der Sonntag war damals ein öder Tag, an dem gar nichts ging. Als Kind blieb man zu Hause, weil es der heilige Familientag war. Gefühlt bestand das Jahr aus 52 Totensonntagen. Es war irgendwie trostlos. Wir wünschten uns so viele Dinge, die damit Schluss machen würden und die meisten sind auch irgendwie in Erfüllung gegangen.
Aber wie bei Goethes Zauberlehrling werden wir die Geister, die wir riefen nicht los. Und jetzt geht es mir so, dass ich das Gefühl nicht loswerde, dass es von allem viel zu viel gibt, außer von der Zeit, die man hat. Und so ist man permanent unter Dauerfeuer und nicht selten sehne ich mich zurück nach diesem Mittwochnachmittag von damals und nach den Totensonntagen. Das Trostlose von Damals ist das Tröstende von heute. Ich warte nur auf den Hexenmeister, der die Geister, die wir riefen wieder einfängt und wegsperrt, aber der wird nicht kommen und die Spirale wird sich immer weiter drehen und keiner weiß, wie das mal endet. Alles wird optimierter, hektischer, unübersichtlicher und vor allem unverständlicher. Und so kommt es, dass ein normaler Einkauf ein schlichtes Gemüt, wie das meine, an den Rand der Verzweiflung bringen kann.
Es beginnt damit, das Weihnachten vor der Tür steht und der Hase möglichst rechtzeitig möglichst viel von dem anstehenden und unfassbar umfangreinen Weihnachtsübergroßeingkauf erledigt haben möchte. Ich verstehe das total und finde die Grundidee auch wirklich nicht schlecht. Allein schon, weil ich mit diesem Einkauf nicht viel zu tun haben werde. Aber, wie es so ist im Leben, es kommt oft anders, als man gedacht hat. Und so wird der Hase pünktlich zur fraglichen Zeit krank. Sie war in Leipzig auf einem Weihnachtsmarkt und hat außer ein paar gebrannten Mandeln auch noch Corona mitgebracht. Ein Umstand, der sämtliche Hasenplanungen komplett über den Haufen wirft und mein Leben auf eine eher unangenehme Weise bereichert.
Jeden Tag habe ich nach Feierabend ein volles Programm mit Besorgungen von Medikamenten, Essen kochen, Getränke kaufen und dergleichen. Über allem aber schwebt das Damoklesschwert des Weihnachtsübergroßeingkaufes und ich versuche ihn so weit wie möglich heraus zu zögern. Immer mit dem nicht gerade uneigennützigen Hintergedanken, dass der Hase eventuell wieder genesen könnte. Aber auch die Tatsache, dass ich am Freitag früher Feierabend habe, spielt eine gewisse Rolle. Also ist der Freitag der Termin für das alles. Nur bleibt der Hase krank, ist nicht einsatzfähig und ich muss ins Getümmel. Und zu meiner Unterstützung kommt noch unser Sohn mit. Einerseits als Hilfe und andererseits als meine Verbindung zur modernen Einkaufswelt.
Doch schon im Vorfeld gibt es erste Probleme. Da ist zum Einen die Handschrift des Hasen. Es ist jetzt nicht so, dass der Hase keine schöne Handschrift hätte, aber bei Einkaufszetteln schludert sie da auch gern mal ein bisschen. Was ja nicht schlimm ist, weil sie es selbst ja bestimmt sehr gut lesen kann. Für den nicht direkt Involvierten ist es aber doch eine Herausforderung. Zumindest, wenn sie beim Schreiben in Zeitnot war. Dann sehen die Buchstaben eher wie Linien aus, die manch einem EKG, das bei mir geschrieben wurde (es waren so viele in letzter Zeit) auffallend ähneln, und man weiß manchmal nicht, wie rum man das Blatt halten muss.
Deswegen gibt es vor einem solchen Einkaufseinsatz auch immer eine ausführliche Lagebesprechung. So wie bei einem Militärmanöver und der Ton ist dabei auch zackig und ich sehe dem Hasen an, dass sie am liebsten selbst fahren würde und bei allen Artikeln Zweifel hat, dass ich sie auch wirklich finde oder die richtigen kaufe. Woher nur dieses Misstrauen? Der Hase ist ein wenig genervt, weil ich tausend Nachfragen habe und ich bin genervt, weil ich das unbestimmte Gefühl nicht loswerde, dass es heute Abend zu manch einem Aussetzer im Herzschlag kommt. Die Hoffnung, dass dabei meine Rhythmusstörung rückgängig gemacht werden könnte, ist eher schwach. Nasch einer erstaunlicherweise eher kurzen Zeit, haben wir die Details abgeglichen und ich bin zuversichtlich, diese Prüfung gut zu überstehen.
Aber es gibt noch ein weiteres Problem. Wenn der Hase krank ist und ich schicksalhafte Begegnungen mit einem Supermarkt habe und unser Sohn dabei mit an Bord ist, steht keiner in der Küche und bereitet das Abendessen zu. Was eher blöd ist, denn ich bin ein großer Fan von Abendessen, eigentlich von allem Essen. Also beschließen wir, dass wir mal was von Auswärts mitbringen. Und weil wir es schon lange nicht mehr gemacht haben und es uns dann auch mal wieder schmecken würde, kommen wir darauf mal ein bisschen was von Mc Donalds mitzubringen. Was auf den ersten Blick wesentlich einfacher erscheint, als es letzten Endes ist.
Ich bin damit aufgewachsen, dass man bei Mäckes reingeht, sich an den Schalter stellt und irgendein pickeliger Teenager sagt: „Willkommen bei Mc Donalds, Ihre Bestellung bitte.“ Das klingt freundlicher, als es gemeint ist, der Gesichtsausdruck der unterbezahlten Arbeitskräfte sprach damals Bände. Aber man wusste genau, was man hat und konnte direkt sagen, was man wollte. Mit ein wenig Glück stand dann kurz darauf das Bestellte auf dem Tresen und man setzte sich hin und verspeiste mit Händen und Füßen das eilig zusammengebraute Menü. Irgendwann kam man auf die Idee, Coupons einzuführen. Sparcoupons um genau zu sein, auf denen Menüs entweder günstiger oder bei gleichem Preis umfangreicher waren. Dann gab man so einen Coupon bei dem Pickeligen ab, zahlte verhältnismäßig wenig und bekam alles und aß auch wieder mir allen Extremitäten. Auch das System habe ich verstanden.
Also ist mein Gedanke ein ganz Einfacher, als wir auf diesen Fastfood Giganten kommen. Kurz vorher überlegen, was man möchte, das Ganze bestellen und dann hin und wieder weg. So weit die Theorie. Aber es gibt Hürden. Seit einiger Zeit bestellt man ja nicht mehr am Tresen, sondern an einem dieser Automaten, die irgendwo im Ankunftsbereich vom Schnellrestaurant rumstehen und in ihrer Handhabung dem ungeliebten Fahrkartenautomaten an deutschen Bahnhöfen ziemlich gleichwertig sind. Scheiße setzt sich halt durch. Aber für den noch nicht Angereisten gibt es die App. Yeah, eine App und mit der kann man schon von zu Hause aus sehen, was man später essen kann und möchte. Und man kann noch vieles mehr, von dem ich keine Ahnung habe. Und es gibt auch noch tolle Rabatte und manchmal auch ne Pommes für lau oder sowas. Und da fangen sie an, meine Probleme.
Es gibt überall für jeden Mist irgendeine App, die Dir das Leben erleichtern soll und die Dir Schnäppchen bietet, die einem die Sprache verschlagen. Das ist im Übrigen auch beim Einkauf so, aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt geht es darum, dass wir nach dem Supereinkauf ein wenig essen wollen und uns schon vor der Abfahrt Gedanken machen, was man denn nehmen könnte. Man könnte, so wie ich, die Schwierigkeiten scheuen und einfach irgendwas nehmen, wo man Bock drauf hat (so war es früher….wirklich), aber das ist im Vergleich zu den Superdupersonderangeboten in der App einfach nur unverhältnismäßig teuer. Man wird sozusagen dazu erzogen, diese App zu nehmen. Ich habe sie auch auf dem Handy, weigere mich aber sie anzuwenden. Wie ein bockiges Kind oder ein beratungsresistenter Frührentner, der tagtäglich den guten alten Zeiten nachtrauert. Ich fühle mich da jetzt nicht angesprochen, schließlich bin ich noch nicht in Rente.
Also, damit es keinen Unfrieden mit dem Sparhasen gibt, lasse ich mich breitschlagen und blicke auf die Angebote, die in der App sind. Ja, schon günstig, aber irgendwie ist da nichts dabei, was ich wirklich möchte. Was zu einem Großteil daran liegt, dass immer die Chicken Nuggets dabei sind. Und wenn eine Speise bei Mc Donalds dem Geschmack der Verpackung am nächsten gekommen ist, dann sind es diese Dinger, die aus gequirlten Küken (nur den männlichen) bestehen sollen. Moralisch verwerflich und einfach nicht lecker die Dinger. Also unterhalten wir uns gefühlt eine halbe Stunde darüber, welche Konstellation der Angebote wir nehmen können, um so durchzustauschen, dass ich keine Nuggets kriege und alle irgendwie satt werden. Endlos scheinende Diskussionen und immer wieder neue Varianten machen die Runde. Es mag sein, dass so eine App das Bestellwesen im Laden vereinfacht, aber in der Vorbereitung sind die Dinger auch nicht schnell. Man verbringt die Zeit nur anders und dabei verschwendet man so viel von dieser Zeit, dass sie irgendwie knapp wird. Die moderne Welt besteht aus Zeitdieben und wenn ich in Rente gehe, dann werde ich das Gefühl haben, dass die letzten zwanzig Jahre in nur fünf Jahren vergangen sind.
Wie dem auch sei, die Abfahrt zum Einkauf verzögert sich deswegen erheblich und eine gewisse Unruhe macht sich breit in mir. Eigentlich sind zwei Läden auf dem Plan, Edeka und LIDL, aber ich setze mich durch und heute machen wir nur Edeka. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in diesem Laden bin und beileibe auch nicht das erste Mal, dass ich einkaufen gehe. Rein in den Laden, die Sachen, die man braucht aus dem Regal nehmen, mit dem ganzen Rutsch an die Kasse und zahlen und fertig. Das kann ich. Jeder kann das. Wenn man sich nur genug Zeit nimmt, kann auch ein Hund sowas. Aber ganz so leicht, wie ich es mir gedacht habe, ist die Sache dann doch nicht und auch mit dem zweiten Paar Augen, die meinem Sohn gehören, stoßen wir beide häufiger an unsere Grenzen.
An der Gemüseabteilung rauschen wir einfach so vorbei, was mich hoffen lässt, denn hier fängt der Hang zum Überfluss, der unser Leben so bestimmt, schon an. Allein 17 Sorten Tomaten gibt es hier. Wer braucht schon 17 Sorten Tomaten? Aber, wie gesagt, hier bleiben wir nicht, sondern gehen direkt zu einem Regalbereich für die spezielleren Dinge. Hier sollen wir eine Art Paste besorgen, die den schönen Namen Harissa trägt. Ich hatte mal meinen Kollegen, dessen Frau Larissa hieß, aber keine Paste war. Hilft mir auch nicht weiter in diesem Augenblick, in dem ich Harissa suche. Der Bereich ist rechtwinklig als eine Art „U“ von einem Regal eingegrenzt und mittendrin ist noch ein weiteres Regal, um das man auch herumlaufen kann, wenn man es denn möchte. Ich laufe ungefähr 42 Mal um diese Regal und ebenso oft flaniere ich vor dem rechtwinkligen Namensvetter. Und es gibt gefühlt über zweihundert verschiedene Artikel, Gewürze, fremdartige Saucen, Pasten und weiß der Schinder, was noch alles. Aber keine Harissa. Erster Kontakt mit zu Hause….eine Whatsapp…
Der Hase sagt, ich solle die Paste weglassen und ich bin schon ein bisschen in Schweiß ausgebrochen, angesichts der Kilometer, die ich jetzt bereits zurückgelegt habe. Früher habe ich mich häufig gefragt, warum kleine Kinder immer quengeln, wenn sie mit zum Einkaufen kommen. Heute verstehe ich sie und ich kann nur schwer den Impuls unterdrücken, mich laut weinend auf den Boden zu schmeißen. Wenn der ganze Kram schon so blöde beginnt, dann kann das ja nichts werden. Soll ich jetzt schon aufgeben? Nein, natürlich nicht. Der Hase ist krank und ich möchte unterstützen. Aber mal Hand aufs Herz, ein Einkauf ist nicht mehr einfach ein Einkauf und schon gar nicht, wenn der Hase dahinter steckt.
Für den Hasen ist der Samstag immer der Feiertag in der Woche, denn dann kommt die Rundschau, das kostenlose Wochenblatt, dass sich augenscheinlich durch Werbung finanziert. Denn darin befinden sich Prospekte. Prospekte von jedem Supermarkt, Discounter und egal welchem Laden sonst noch. Der Stapel ist unfassbar groß und mein Hase studiert sie alle. Zumindest die von den Läden, in denen sie einkaufen geht. Und wenn ich sage, sie studiert die Dinger, dann meine ich das. Wenn Prospekte, Sonderangebote und Rabatte ein Studiengang wären, hätte mein Hase schon locker den Bachelor und Master in der Tasche, würde kurz vor Beendigung der Doktorarbeit stehen und eine Professur in Aussicht haben. Es ist mir immer ein bisschen unheimlich, aber ich lasse sie gewähren. Ich hätte keinen Bock dazu und würde immer das kaufen, was mir gerade in den Sinn kommt.
Das würde natürlich zu immens hohen Kosten führen, mein Nervenkostüm aber schonen. Jedenfalls ist es so, dass ein Haseneinkaufsplan kein einfacher Einkaufsplan ist, sondern ein strategisch bis ins Detail ausgerichteter Schlachtplan. Nichts wird dem Zufall überlassen und jeder Winkel des Geschäfts ausgelotet. Ich atme durch und mache mich daran, die nächsten Dinge auf dem mehrseitigen Pamphlet zu finden. Das ist manchmal von Erfolg gekrönt und manchmal nicht. „Bring mal Alufolie und Frischhaltefolie mit“, hatte der Hase gesagt und mir den Hersteller genannt. Eigentlich einfach, denn den kenne ich auch. Aber er ist nicht erhältlich. Ich finde ihn nicht. Auch mein Sohn entdeckt, keine einzelne Rolle von dieser Marke. Nun will ich ja nicht wieder nach Hause schreiben, oder gar telefonieren, weswegen ich einfach eine andere namhafte Marke wähle. Wohlwissend, dass sie bestimmt falsch ist und der Hase mir ein bisschen den Kopf abreißen wird.
Es zieht sich ein bisschen hier im Laden. Der Hase ist hier mindestens einmal pro Woche und das schon seit einigen Jahren. Sie ist also mehrere hundert Male hier gewesen. Ich nur mal sporadisch. Der Hase kennt hier jeden Winkel und hat bestimmt schon so ziemlich jeden Artikel, den wir so haben, mindestens ebenso oft in der Hand gehabt. Sie findet die Sachen blind und ich renne hier blind durch die Gegend. Wir ändern die Taktik und mein Sohn macht sich auf die Suche nach manch einem Artikel, um alles zu beschleunigen. Schon bei der ersten Aktion dieser Art habe ich das Gefühl als würde ich ihn so schnell nicht wieder sehen. Ich soll Recht behalten.
Für mich kommt es zu einem Intermezzo am Kühltresen. Welches kein einfacher Kühltresen ist, sondern eher eine Kühllandschaft mit mehreren Tresen. Es gibt verschiedene Artikel zu kaufen und ich versuche eine gewisse Logik hinter der Anordnung in den Kühlmöbeln zu entdecken, damit ich mir die Sache vereinfachen kann. Der Edeka und ich haben eine unterschiedliche Auffassung darüber, was logisch ist. So laufe ich auch hier ziellos hin und her und nur vereinzelt finde ich das, was ich möchte. Der Sohn kommt wieder und beichtet, dass er sich durchfragen musste, um das zu finden, was er suchte. Ich verstehe genau was er meint, denn ich spreche gerade eine Verkäuferin an, die auf dem Boden kniet und die Regale befüllt.
Das mache ich noch so rund fünfmal und die nette Dame ist sehr geduldig. Es wird mir immer bewusster, dass wir im Überfluss leben und es zu viel von allem gibt und es von einem Produkt so viele Sorten gibt, dass es einem schwindelig wird. Manches von dem was ich suche, steht dann noch irgendwie weit hinten, weil die Kunden das Fach so ziemlich geplündert haben, oder aber es ist Hefe. Zu Hefe habe ich ein schwieriges Einkaufsverhältnis. Vor längerer Zeit hatte ein neuer LIDL aufgemacht und der erschien mir so groß wie ein Fußballstadion und da suchte ich auch mal Hefe. Überquellende Kühlregale erschwerten die Suche, denn Hefe ist immer nur in einem kleinen Pappschuber und geht rein optisch unter in all dem Überangebot. Nach einer halben Stunde fand ich die Hefe beim Fisch, wo auch sonst. So sollte es mir diesmal nicht ergehen, also frage ich auch hiernach nach.
Weiter geht´s durch den Laden, an die Fleischertheke. Hier muss ich drei Sachen mitbringen, die jedesmal zu einer anderen Abteilung dieses Tresens gehören, warum auch immer. Aber man ist freundlich zu mir und hilft mir weiter. Dann suchen wir Kaffee. Der steht nochmal wo? KeinPlan! Wir rennen durch den halben Laden und werden fündig, an einer Stelle die wir vor über einer halben Stunde schon hinter uns gelassen hatten. Aber der Kaffee, der hier heute im Angebot sein soll (was für ein Wunder) steht nicht da. Ich habe keinen Schimmer, ob der da irgendwann mal gestanden hat. Also zu Hause melden. Mache ich auch schon zum siebten Mal. Kaffee sollen wir weglassen. Der Hase ist langsam ungehalten, ich allerdings auch.
Wir ziehen weiter, der Einkaufswagen wird immer voller und unterwegs, als wir gar nicht mehr damit rechnen, findet mein Sohn irgendwo mitten im Laden, weit entfernt von dem eigentlichen Regal, den Kaffee. Der steht da, weil er im Angebot ist. Vermute ich zumindest. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie es dazu kommt, aber wir erreichen den Kassenbereich und es ist immer noch derselbe Tag (erstaunlicherweise). Wir kennen mittlerweile fast jeden Angestellten, denn wir müssen so sehr viel nachfragen. Und ich breche mal eine Lanze für das Personal, die sind allesamt kompetent und freundlich und suchen sogar im Lager nach Waren, die nicht im Laden vorhanden sind. Das kommt häufiger vor, als mir lieb ist, entzieht sich aber meiner Verantwortung.
Doch all das haben wir nun hinter uns, als ich die vielen, vielen, vielen Artikel auf das Laufband lege. Jetzt schlägt des Sohnes Stunde, denn er ist auch ein kleiner Rabattfanatiker und findet Apps so toll. Ich hasse Apps, egal welchen Vorteil sie haben. Und um dass volle Appprogramm zu haben, hat er des Hasens Handy mit, mit dem er auch bezahlt. Versonnen denke ich daran, dass es mal so war, dass man mit Telefonen telefonierte. Ein revolutionärer Gedanke. Irgendwie scannt die Kassiererin irgendwelche Sachen ein und Geld fließt, das ich nie zu Gesicht bekommen soll. Ich bin ein Freund vom Klimpern und Knistern, aber meine Zeiten sind vorbei.
Wir verlassen den Laden und mein Puls schlägt zwar unregelmäßig (wie immer) aber langsam (verhältnismäßig). Wir fahren zum Burgerdonald und unterwegs tippt Junior an seinem und des Hasens Handy rum. Er bestellt jetzt gerade, sagt er. Dachte das hätten wir schon. Wir machen Mc Drive, weil ich jetzt so gar keinen Bock darauf habe in dem Laden zu stehen. „Es gibt gleich zwei Codes, die ich Dir sage und die musst Du nennen, wenn wir an der Reihe zum Bestellen sind“, sagt mein technisch versierter Sohn in einem Ton, mit dem man einem Fünfjährigen erklärt, dass er nicht in der Nase popeln soll. Auch darauf habe ich eigentlich keinen Bock (also auf die Codes, das mit dem Popeln finde ich nicht ganz abwegig), erkenne aber die Ausweglosigkeit der Gegebenheiten und bin bereit das durchzuziehen….eigentlich.
Eigentlich, denn irgendwie hat es den Mächtigen gefallen, heute die Mc Drive Spur zu sperren. Es wurden einfach ein paar Container für gelben Sack Müll in den Weg gestellt und ich spiele mit dem Gedanken sie einfach umzunieten. Irgendwie haben sie es heute mit mir. Wir müssen doch noch rein. Scheiße, aber nicht zu ändern. Und weil mein Sohn so versiert ist, hat er aus unseren ursprünglichen Codes für Mc Drive nun Bestellnummern für den Laden generiert. Gott weiß, wie er das gemacht hat. Was mach ich bloß, wenn er mal nicht mehr bei uns wohnt. Ich glaube, er darf nicht weg. Wahrscheinlich muss ich irgendwann mal ausziehen, weil ich im Weg bin.
Unsere Bestellung ist deswegen auch schon in Bearbeitung, als wir reinkommen und auch schnell fertig. Man überreicht uns die Ware mit so wenig Worten, wie nur irgend möglich. Ich frage mich ein bisschen, ob wir auch das Richtige bekommen haben. Wahrscheinlich wäre es in dem Trubel auch nicht aufgefallen, wenn wir noch anderer Leute Essen mitgenommen hätten. Wir kommen zu Hause an, der Kofferraum so voll, dass wir beinahe einen Anhänger benötigt hätten. Ich lade das Nötigste, was in die Kühlung muss, aus und esse lustlos einen kalten Big Mac und zwei Cheeseburger. Und weil der Hase nicht alles schafft, darf ich auch noch ein paar Nuggets essen, die nach Ketchup schmecken, wenn man viel Ketchup ran macht.
Ich falle später am Abend in einen unruhigen Schlaf und träume von Larissas in Tuben und Kühlregalen, die mich einsaugen und von Apps, die mich versklaven. Aber mein Martyrium hat noch kein Ende gefunden. Es gibt noch einen Samstag, an dem ich erst biss mittags arbeite und dann mal eben zu LIDL möchte. Was ich nicht so alles möchte….
Und so gehe ich dann zu diesem unfassbar großen Discounter. Ja, genau der mit der Hefe. Und ja, ich weiß, es gibt noch viel größere Läden, aber ich frage mich halt immer wieder, ob das alles so sein muss und richtig ist. Ich bin ermattet von der Arbeitswoche und dem was so alles sonst noch los war. Und samstags arbeiten ist auch nicht immer der Favorit. Dementsprechend missgestimmt bin ich, als ich das Stadion betrete.
Heute ist die Aufgabe scheinbar einfach, im Vergleich zu dem großen Feldzug gestern. Der Zettel ist übersichtlich und ich glaube auch ein bisschen zu wissen, wo welcher Artikel liegt. Kann gar nicht so schlimm sein. Es erfolgt eine gewisse Ernüchterung, als ich den Zustand des Ladens genauer betrachte. Es muss ein enormer Ansturm gewesen sein, heute morgen. Die Gänge stehen voll mit Waren, die in die Regale sortiert werden, oder werden sollen. Überall huschen Angestellte mit stapelweise Paletten umher und viele Bereiche sind von plündernden Kunden buchstäblich gerupft worden. Es hat ein bisschen was von den Anfangszeiten von Corona, als die Menschen dachten, es würde nie, nie, nie wieder Nudeln und Klopapier geben.
Ein Blick lässt mich beruhigt werden. Es gibt noch genügend Klopapier. Eine Sorte davon ist in der Herbstedition mit einem braunen Muster bedruckt. Was ich nicht so ganz verstehe. Abgesehen davon, dass ich sowieso nicht begreife, dass Klopapier überhaupt bedruckt sein muss. Ist doch wirklich im wahrsten Sinne eh für den Arsch. Und dann noch in Braun? Das ist so sinnvoll wie Sand in die Wüste tragen. Aber ich schweife ab, Klopapier brauche ich heute nicht.
Dafür aber ein paar Angebote. Und bei LIDL machen die das wirklich geschickt. Das Angebot steht nicht da, wo die Ware sonst ist, sondern in einem extra Bereich irgendwo in dem Laden. Und wenn man nicht häufig hier einkauft, weiß man nicht wo die Bereiche sind. Das Problem dabei ist, dass die die normale Ware trotzdem im Regal haben, die aber viel teurer ist, als das Angebot. Wenn man nicht aufpasst wie ein Schießhund wird man schnell betuppt. Ich hatte in der Vergangenheit schon vom Hasen von dieser Masche gehört und bin dementsprechend vorsichtig.
Natürlich finde ich die meisten Sachen auch hier nicht auf Anhieb und muss mich durchfragen. Das führt zu unnötigen Wegen und es wäre mal sehr interessant zu sehen, wie meine Laufwege auf Maps aussehen würden. Die Probleme nehmen zu und manches ist nicht vorhanden und ich muss schon wieder mit dem Hasen telefonieren. Ich bin kurz davor zu platzen und meine Innereien auf den Gängen zu verstreuen. Es macht einfach keinen Spaß jedem Angebot hinterherzuhechten, wenn es so derart versteckt ist. Lieber würde ich mir in diesem Augenblicken mit dem Hammer permanent auf den Fuß hauen.
An der Kasse werfe ich die Waren lustlos und gefrustet aufs Band und als es ans Bezahlen geht, verwende ich eine App vom Hasen und ich habe das Gefühl als würde das Handy in meiner Hand in Flammen aufgehen. Ich fahre nach Hause, nur um festzustellen, dass natürlich auch wieder irgendwas schief gelaufen ist. Manch ein Verfallsdatum ist einfach zu dicht dran an dem heutigen Tag, weswegen ich in zwei Tagen zwei XXL Packungen Räucherlachs essen muss. Und dann noch die Geschichte mit den Jumpis.
Für die Nichtkenner, es handelt sich dabei um so Knabberkram und die waren (natürlich) im Angebot. Mit 20 Prozent mehr Inhalt als die Normaltüte kostet so ein Beutel 89 Cent. Und die lagen in einem Aufsteller irgendwo im Markt zusammen mit ein paar anderen Snacks der gleichen Firma. Und ich also hin zu dem Aufsteller und darin rumgewühlt, wie ein Berserker, um die richtigen Dinger zu finden. Kartons fliegen durch die Luft und ich atme schwer. Aber die Mühen lohnen sich, ich werde fündig. Ich achte am An fang noch darauf, dass es die großen Packungen mit dem Mehrinhalt sind. Zu Hause aber stellen wir fest, dass unter diesen Packungen auch eine Normalgröße mit 20 Prozent weniger Inhalt ist. Die kostet allerdings nicht 89 Cent, sondern 1, 85 Euro. Der Hase möchte mich erwürgen, aber ich bin schneller und lege mir den Hände um den Hals. Ich werde gleich zudrücken. Aber mit zwanzig Prozent mehr, das ist günstiger.