Amarula ist ein geiles Zeug…..oder die Sambucca Chroniken

Ich habe eigentlich nie konkrete Ziele für mein Leben definiert. So in dem Sinne von…bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr möchte ich dies oder jenes erreicht haben, oder dergleichen. Es waren eigentlich eher Wünsche, die ich hatte und von denen ich hoffte, dass ich sie irgendwann einmal erfüllen kann. Es gibt natürlich viele Wünsche und was soll ich sagen, die allermeisten davon haben sich für mich erfüllt. Aber nicht immer zu dem Zeitpunkt, an dem ich es erwartet hatte und manchmal auch anders als ich es erwartet hatte.

Zu meinen größten Wünschen gehörte natürlich, dass ich irgendwann einmal eine eigene Familie haben würde, Das hat ja mit einem Hasen und zwei Kindern eindrucksvoll geklappt. Was zum kompletten Glück noch fehlte, war eine eigene Behausung. Also wünschte ich mir, dass wir irgendwann einmal ein eigenes Haus haben würden. Und weil ich so in Wünschlaune war, wollte ich dazu auch sehr gerne einen Garten haben. Einen echten Garten mit einem echten Rasen, den ich mähen wollte und echten Büschen, die ich beschneiden würde und echtem Unkraut, um das sich der Hase kümmern würde. Unkraut ist ja so gar nicht meins.

Natürlich ging auch dieser Wunsch in Erfüllung. Allerdings nur mit sehr viel Arbeit, die man da investieren musste. Aber irgendwann war es perfekt. Ein Haus, ein Garten, ein echter Rasen, den ich wirklich mähte und echte Büsche, die ich ebenso wirklich beschnitt und echtes Unkraut, das dem Hasen echt manchmal auf den Pinsel ging. Es war wirklich perfekt, auch wenn gerade in den ersten Jahren der Hase immer wieder auf neue Ideen bei der Gartengestaltung kam und ich Büsche und Bäumchen und Sträucher von rechts nach links umpflanzte und von vorn nach hinten, Nur damit ich sie im nächsten Jahr wieder von links nach rechts und von hinten nach vorn versetzen konnte.

Da ich ein genügsamer Mensch bin, war es mir eigentlich egal, welche Pflanze wo wucherte und ich hätte niemals eine davon umgepflanzt. Der Hase hatte aber, wie erwähnt immer wieder neue Ideen und so kam es auch zur ein oder anderen Spannung, wenn ich darauf bestehen wollte, dass es schriftlich festgehalten würde, dass ich diesen oder jenen Busch nie mehr versetzen würde. Niemals mehr in meinem ganzen Leben! Ich sei ein Korinthenkacker, sagte der Hase und ich nannte sie sprunghaft. Die Fronten waren dabei zusehends verhärtet und so mussten wir uns immer wieder zu Kompromissen bewegen.

Diese sahen in der Regel so aus, dass wir das machten, was der Hase wollte und dass es dann aber auch das endgültige Ergebnis sei. Also einmal noch umpflanzen und dann ist der endgültige Zustand erreicht und im Jahr darauf würde es für mich leichter werden. Was natürlich so nicht stimmte, denn in den Wintermonaten heckte der Hase neue Sachen aus und im nächsten Frühling waren wir wieder so weit, dass ich mich weigerte ihre Ideen umzusetzen.

Es folgte ein weiterer Kompromiss und noch einer und noch einer und so weiter und ich ließ mich immer wieder drauf ein. Ich wurde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass ich hier immer wieder über den Tisch gezogen wurde. Und dass von dem Hasen, der geschworen hatte mich immer zu lieben und zu ehren und dergleichen. Ja gut, es gab natürlich nicht den Passus,: du sollst ihn nicht über den Tisch ziehen. Aber ich wäre durchaus dafür, dass so etwas sowohl in der Kirche, als auch auf dem Standesamt formell ausgesprochen werden sollte.

„Willst Du den hier anwesenden Hasenbändiger lieben und ehren und ihn nie mit unnötiger Gartenarbeit quälen, bis dass der Gartencenter Euch scheidet? So antworte: Ja, mit OBI´s Hilfe!“……das wäre mal eine Ansage und würde das Miteinander oft viel leichter machen.

Aber egal. Es ist so, dass wir unser Haus und unseren Garten sehr gerne haben und es ist auch so, dass wir die Arbeit am Garten in der Regel auch gerne verrichten. Aber manchmal gibt es auch Tage, da ist es komplett anders. So wie an diesem Samstag. Ein Samstag, der wie ein ganz gewöhnlicher Samstag beginnt, sich aber im Finale zu einem Abend der besonderen und einzigartigen Sorte verwandeln soll. Aber das ist mir morgens noch nicht bewusst, als ich erwache.

Begonnen hat er für mich damit, dass ich arbeiten muss. Das ist zu diesem Zeitpunkt nicht ungewöhnlich, denn mein derzeitiger Arbeitgeber lässt mich häufig samstags halbtags arbeiten. Er lässt mich derzeit sowieso ohne Ende viel arbeiten. Ich möchte hier jetzt ja nicht jammern, aber ich könnte. Ich könnte jetzt natürlich noch näher beschreiben, wie der alte Sklaventreiber (großer Baustoffhandel) mich hier knechtet, aber ich denke zwischen den Zeilen ist schon genug Gelegenheit, ein gewisses Maß an Mitleid für mich und meine Situation zu entwickeln.

Eigentlich habe ich um zwölf Feierabend, aber es ist ja wie es ist, wenn man direkt mit Kundschaft zu tun hat. Phasenweise kommt kaum jemand vorbei, aber wenn es Richtung Feierabend geht, dann werde sie aktiv. Die Leute pennen bis 10. Dann wird gefrühstückt und dann, so gegen viertel vor zwölf fällt denen siedendheiß ein, dass sie noch irgendwas vom Baustoffhandel brauchen. Und auf den allerletzten Drücker hechten sie noch durch das Tor, das ich gerade schließen möchte, um noch mal eben ein 120er Schnüffelstück, säckeweise Zement oder weiß der Geier was zu ergattern. Was stimmt nicht mit den Leuten?

Beschreibungen erspare ich mir. Es dauert knapp bis halb eins, bis wir fertig sind und ich bin schonmal so richtig geladen. Jetzt nach Hause, Mittag essen und dann erstmal ein viertel Stündchen auf´s Ohr hauen. Dann sieht die Welt schon besser aus. Vorahnungsfrei komme ich zu Hause an und sehne mich nach etwas Ruhe. Der Hase jedoch ist rotwangig vor lauter Beschäftigung und verströmt jetzt mal so gar keine Ruhe, Während ich mir ein paar Brötchen schmiere und sogleich verspeise, erfolgt eine detailreiche Schilderung dessen, was der Hase schon alles gemacht hat und was der Hase gedenkt noch alles machen zu wollen.

Womit wir bei einer gewissen Diskrepanz angelangt sind. Denn zwischen dem was der Hase noch zu tun gedenkt und dem, was ich nicht zu tun gedenke, klafft eine riesige Lücke. Denn eigentlich will ich mal so gar nichts machen. Das zieht sich schon seit ein paar Wochen so hin. Es ist ja so, dass ich derzeit sehr viel arbeite. Hatte ich das eigentlich schon erwähnt? Und deshalb bleibt zu Hause viel auf der Strecke. Der Rasen, den ich eigentlich immer gerne mähe geht mir genauso auf die Nüsse, wie die Büsche, die ich sonst gerne beschneide. Wer zum Geier wollte eigentlich überhaupt so ein Haus mit so einem Garten haben?

Es ist jedenfalls so, dass ich den Hasen nicht immer mit der Arbeit hier alleine lassen kann und deshalb verzichte ich auf mein kleines Nickerchen an diesem Tag. Und man muss nicht lange drumrum reden, ein Dickerchen ohne Nickerchen ist nicht unbedingt der angenehmste Zeitgenosse. Ein Hase im Stress allerdings auch nicht. Und so machen wir uns wort- und leidenschaftslos an die Gartenarbeit. Spaß sieht einfach anders aus. Wir stacheln uns gegenseitig zu Höchstleistungen an und auch die 16 Uhr Schallmauer, nach der man am Samstag einfach auch mal nichts mehr machen sollte, rauscht einfach an uns vorbei.

Das geht so weiter bis 19 Uhr. Dann bin ich bedient. Ich bin alle und selbst wenn ich wollte, wäre ich nicht mehr in der Lage irgendein Gartengerät in die Hand zu nehmen, ohne es lautstark zu beschimpfen. „Du blöde Harke!“ „Scheißrasenmäher verdammter!“ „Hinfort mit Dir Du verkackte Heckenschere!“

Mit wem ich denn sprechen würde, fragt der Hase, sieht meinen etwas irren Blick und beschließt nicht weiter zu fragen. Hatte man nicht immer wieder von Ehepartnern gehört, die ihre Liebsten bei der Gartenarbeit mit einem Stück Feuerholz verwechselt hatten? Da der Hase sich nicht sicher war, ob ich ein Beil in meiner Nähe habe, lässt sie mich lieber in Ruhe.

Es ist, wie es ist und sowohl der Hase als auch ich sind geladen wie Pulverfässer und die Lunte brennt schon. Es ist zwanzig Uhr und ich merke, ich muss da jetzt langsam mal einschreiten. Der Hase werkelt immer noch, während ich auf der Terrasse sitze. Unser Sohn, der als einziges Kind an diesem Tag zu Hause ist, hat tatkräftig mitgeholfen, aber irgendwann wurden ihm seine Eltern etwas suspekt und er hat sich in sein Zimmer abgesetzt.

„Du hörst jetzt auf zu arbeiten“, sage ich entschieden zum Hasen. „Ja aber, es ist ja noch so viel zu tun“, bemerkt der Hase. „Scheißegal! Irgendwann muss auch mal Schluss sein!“ entgegne ich. Und dann spreche ich diese vier Worte aus, die dem ganzen Tag eine Krönung der etwas anderen Art verleihen sollen. Aber das ahne ich in diesem Moment noch nicht. „Ich glaube wir sollten mal einen Schnaps trinken“, (vier Worte? Waren wohl doch ein paar mehr) sage ich und der Hase setzt sich neben mich auf die Terrasse und nickt: „Ja ich glaube, den brauchen wir jetzt wirklich!“

Nun sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass wir so etwas in dieser Form noch nie gemacht haben. Einfach nur zu zweit sich hinzusetzen und Schnaps trinken ist nicht unser Ding. Nicht, dass ich Abstinenzler wäre und auch der Hase kann auch mal durchaus trinkfest sein. Aber erstens ist das bei ihr seltener der Fall als bei mir und zweitens haben wir noch nie so unvermittelt beschlossen, nur zu zweit mal irgendwas zu trinken, was schärfer ist, als Cola oder Wasser mit viel Kohlensäure. Da der Hase weder Bier noch Wein mag, sind diese kleinen Genussmittel zwischen uns nie so zum Tragen gekommen und sich zu zweit Cola Korn reinhauen, erschien uns nicht richtig. Warum auch immer. Wir sind eigentlich nur Gesellschaftstrinker. Auf Feiern durchaus mal, aber allein zu Hause nie.

Aber heute, an diesem Tag, ist es keine Frage, dass wir zusammen mal einen Schnaps trinken werden. Vorräte haben wir mehr als genug. Es kommt ja eigentlich nie irgendwas weg davon. Trinkt ja keiner von uns zu Hause. Also krame ich eine Flasche Sambucca hervor und schenke sowohl dem Hasen, als auch mir ein kleines Glas voll ein. Und da ich weiß, dass der Hase ein eher vorsichtiger Typ Trinker ist, stelle ich mich darauf ein, dass wir uns an diesem Glas für die nächste viertel Stunde aufhalten werden.

Aber ich habe die Rechnung ohne meinen Hasen gemacht. Denn sie ist, genauso wie ich, bis in die Haarspitzen gefrustet und äußert es unmissverständlich in der Art, wie sie den Sambucca trinkt. Es scheint mir so, als wenn ich mit einem russischen Matrosen auf Landurlaub ein Wodgawettrinken veranstalten würde. So schnell kann ich nicht blinzeln, wie mein Hase sich den Schnaps hinter die Binde kippt. Ich bin mir im ersten Moment nicht einmal ganz sicher, ob sie nicht auch das Glas mit verschluckt hat.

Hat sie nicht, aber ich bin schon etwas beeindruckt und bemühe mich, bei dem Tempo mithalten zu können. „Dies war der erste Sreich….“, murmelt der Hase und schenkt den Nächsten ein. Ich werde das Bild vom russischen Seeman im ersten Moment nicht los und muss zweimal hinsehen, ob der Hase vielleicht einen Anker auf dem Oberarm tätowiert hat. Was natürlich nicht der Fall ist, aber auch der zweite Sambucca verlässt sein Glas ähnlich schnell, wie der erste. Jetzt ist ein eher zweifelhafter Ehrgeiz in mir erwacht und ich schenke den nächsten ein. „Auf zwei Beinen kann man nicht stehen“, gebe ich einen Klassiker der Trunkenboldprosa zum Besten. Kurz angestoßen und schon ist auch das dritte Standbein weg.

Sambucca ist ein merkwürdiges Getränk. 40% Alkohol, aber irgendwie kann er mir nichts anhaben. Er brennt schon ziemlich beim Trinken und nach dem Dritten habe ich das Gefühl, als wenn ein offenes Feuer in mir lodert, aber ansonsten bin ich sehr resistent gegen seine Wirkung. Nicht, dass ich jetzt gar nichts merken würde. Nach dem Dritten fällt so langsam die Anspannung von mir ab und ich bemerke, dass wir sogar ein einigermaßen gutes Wetter haben. Bisher ist mir heute nicht einmal aufgefallen, dass wir überhaupt irgendwelches Wetter haben. Aber ich bin weit entfernt davon betrunken zu sein.

Auch der Hase entspannt sich zusehends und ihre Gedanken kreisen nicht mehr ausschließlich um die Gartenarbeit. „Vier gewinnt“, sagt sie und setzt so neue Prioritäten. Ich verstehe den Wink mit dem Zaunpfahl und fülle die Gläser ein weiteres Mal. Meine Hoffnung, dass mein russischer Obermaat die Trinkgeschwindigkeit verringert, zerschlägt sich augenblicklich. Zack, Ex und Hopp! Da werden heute keine Gefangenen gemacht. Das Wetter wird irgendwie immer schöner und ich verspüre den Drang irgendetwas Nettes zu sagen. „Du hast wirklich ganz toll Unkraut gejätet“, ist das Erste, was mir einfällt.. Soll jetzt keiner behaupten, ich könnte keine Komplimente machen. Ich weiß, wie man das Herz einer Frau zum Beben bringt. Ich bin der Bauknecht unter den Kleingärntern. Denn Bauknecht weiß, was Frauen wünschen. Sag einer Frau irgendwas mit Unkraut und sie ist Wachs in Deinen Händen.

Hier allerdings mit zweifelhaftem Erfolg. „Oh, ich bin ja noch gar nicht fertig“, sagt der Hase und macht Anstalten, sich wieder auf die Unkräuter zu stürzen. Nur mühsam kann ich sie davon abbringen. Es gelingt mir mit dem Verweis darauf, dass es schon fast dunkel ist und dass ich außerdem noch einmal nachgeschenkt habe. Kommentarlos wird auch das nächste Glas weggekippt. Ich verliere langsam den Überblick. Dinge wie Zeit und Raum beginnen ihre Bedeutung allmählich zu verlieren. Der Hase und ich reden viel. Und wir lachen!

Teufel, wer hätte das gedacht. Wir können ja noch lachen! Eine Fledermaus fliegt in einigem Abstand vorbei und ich sage: „Guck mal da, eine Fledermaus!“ Es dauert Minuten, bis unser Lachanfall so langsam abebbt. Wir haben den Punkt erreicht, an dem der Fusel das Hirn so vernebelt, dass man wirklich über jeden Scheiß lachen kann und lachen muss. Unser Sohn guckt kurz vorbei. Er macht sich augenscheinlich Sorgen und kann gar nicht nachvollziehen, was an einer Fledermaus lustig ist.

Er blinzelt verlegen, weil er sich nicht ganz sicher ist, ob seine Eltern nicht durch vollkommen durchgeknallte Aliens ersetzt wurden. „Eine Fledermaus! Muhaha!“, ich kriege mich gar nicht mehr ein und auch der Hase macht sich beinahe die Hose nass vor Lachen. Das Ganze funktioniert übrigens auch mit solch Gassenhauern wie: Heckenschere, Starkstromsteckdose , Tupperwarenverkaufsbezirksleiterin und so ziemlich jedem anderen Ausdruck, der einem von uns über die Lippen kommt.

Am meisten lachen wir natürlich über unseren Sohn, der so schrecklich ernsthaft ist. Und darüber, dass die Flasche Sambucca fast alle ist. Und darüber, dass keiner von uns beiden das Wort „Sambucca“ unfallfrei aussprechen kann. Es wird langsam Zeit für meine Sternstunde. Ich kann wieder einmal der Großmeister des flachen Witzes sein. Das Publikum (der Hase) ist ja schon betrunken genug. „Wo geht eine Katze auf der Modenschau?“, frage ich und da ich von mir so begeistert bin, warte ich die Antwort nicht ab. „Auf dem Catwalk!“ Ich kriege mich gar nicht mehr ein vor Lachen. Man, der war echt gut! Und wo ich so in Fahrt bin, schicke ich den nächsten hinterher:“ Wie heißt das Rakel mit Vornamen?“ Ich lasse die Frage nur kurz im Raum stehen. „Mi!“ rufe ich und klopfe mir blaue Flecken auf meine Schenkel.

Der Hase verzieht keine Miene. Da muss ich wohl andere Trümpfe aus dem Ärmel schütteln. Aber auch meine schauspielerische Meisterleistung als Glöckner von Notre Dame fällt ziemlich durch. Esmeralda möchte lieber noch einen Sambucca trinken. Gesagt getan. Und dann ist er erreicht. Der Moment, an dem die Flasche Sambucca leer ist. Es ist mir nicht vergönnt zu bestimmen, wie spät es ist, aber wenn mein Gefühl mich nicht trügt, haben wir eine rekordverdächtige Zeit hingelegt.

Doch was soll man nun machen mit dem angebrochenen Abend? Die Stimmung zwischen dem Hasen und mir ist wirklich bestens und wenn ich mich ein bisschen zurücknehme, bleibt auch Platz für ein paar wirklich sehr gute Gespräche, die allesamt die Gemeinsamkeit haben, dass sowohl der Hase, als auch ich, hinterher nicht mehr wissen werden, wovon wir gesprochen haben. In Erinnerung bleibt aber ein schönes und harmonisches Gefühl. Damit das nun nicht abebbt, komme ich auf die wahnwitzige Idee im Kühlschrank nach etwas Trinkbarem zu suchen.

Ich werde fündig. Eine volle Flasche Amarula, die meine Schwiegermutter uns vor eineinhalb Jahren geschenkt hatte, wartet darauf, dass sie geöffnet werden wird. „Tadaa!“, sage ich und halte stolz den Elefantenlikör in die Höhe. „Meinste, den sollten wir auch noch trinken?“, fragt der Hase und lässt beim Sprechen so manch einen Vokal aus und ordnet auch die Konsonanten mitunter etwas beliebig an. Aber ich verstehe sie einwandfrei. „Jupp!“ antworte ich fehlerfrei und bin froh, dass ich ein Wort mit einer Silbe gefunden habe. Da kann man soviel nicht falsch machen.

War es beim Sambucca noch so, dass man ansatzweise verfolgen konnte, in welchem Tempo man trinkt, ist es uns mit dem Amarula vollkommen egal. Irgendwie sind die Gläser zeitgleich voll und auch leer. Und ich kann nicht mit letzter Sicherheit sagen, dass mir dieser Amarula in diesem Moment wirklich schmeckt. Ist schon ein ziemlich sahniges und zähes Zeug. Aber das ist irgendwie egal. Wir befinden uns in einem Stadium, in dem wir auch Rasierwasser oder 4711 trinken würden. Es entsteht ein kleiner Wettbewerb, wer denn am meisten vertragen kann. Irgendwann steht das Ergebnis fest. Ich gewinne. Wenn auch nur knapp. Die Flasche ist auch so ziemlich leer und das Gesöff schlängelt sich zäh durch meinen Hals. Der Hase muss kapitulieren. Der letzte Amarula bleibt im Mund und möchte nicht mehr runtergeschluckt werden.

Und hier reißt der Faden. Ich kriege es nicht mehr ganz zusammen, wie es alles kommt, aber irgendwie liege ich dann im Bett. Der Hase allerdings nicht und das fällt mir erstmal gar nicht auf. Ich weiß zwar nicht wieso, aber ich werde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass ich total betrunken bin. Es ist dieser Zustand, wenn man viel zu viel in viel zu kurzer Zeit getrunken hat. Man fühlt sich zunächst noch vollkommen gut und dann auf einmal gibt´s den Schlag in den Nacken und man ist betrunkener als Boris Jelzin es je gewesen ist.

Ein junger Mann, der meint er wäre mein Sohn, steht an der Tür und sagt:“Du musst mal kommen. Irgendwas stimmt mit Mama nicht!“ Naja, eigentlich stand er schon vor zwei Minuten an der Tür und hat das gesagt. Es hat nur ein bisschen gedauert, bis ich das Gesehene und Gesprochene wahrgenommen habe. „Irgendwas stimmt mit Mama nicht“, hallt es durch meinen Kopf und da seine Mama ja auch der Hase ist, kann ich mir den Querverweis zu einer Werbung nicht verkneifen:“Irgendwas stimmt mit Hasi nicht“, sagt da ein Kind zu seinem Lehrer und hält dieses leblose Kaninchen auf dem Arm. Der Lehrer rettet das Tier, indem er einen Luftballon aufpustet und mit Reibung eine Art elektrischen Strom herstellt und das Hasenherz wieder zum Schlagen bringt.

„Ich komme gleich. Ich suche nur noch einen Ballon“, sage ich und mache mich auf die Suche nach einem Ballon. Was schwieriger ist als erwartet, weil die Regale im Arbeitszimmer, in denen eventuell ein Ballon liegen könnte, seltsamerweise in einer kreisenden Bewegung sind. „Ach Scheiß was drauf“, denke ich und mache mich auf den Weg nach unten, denn dort ist der Hase und es geht ihm anscheinend nicht gut.

Zur Rettung eilend, gehe ich zur Treppe. Diese besitzt komischerweise neuerdings die Eigenschaft gleichzeitig nach unten und auch nach oben zu führen. Mit je einer Hand am Treppengeländer und am Wandhandlauf gehe ich die Treppe dann also gleichzeitig runter und rauf. Die Bilder an den Wänden tanzen seltsamerweise. Warum tun sie das? Unten im Flur steht der junge Mann, der vorhin an der Schlafzimmertür stand. Wer ist das nochmal? Ah ja, der Sohn. Unser Sohn und er macht sich Sorgen um seine Mutter. Obwohl er sich gerade mehr Sorgen um seinen Vater macht. Weil dieser das seltene Kunststück hinkriegt die Treppe gleichzeitig hoch und runter zu fallen und dabei unentwegt mit den Bildern an der Wand spricht. Sie mögen doch mal stehenbleiben.

Es wird mir später unerklärlich erscheinen, aber ich komme unfallfrei unten auf dem Flur an. Alles bewegt sich und die offene Wohnzimmertür ist irgendwie komplett in Schieflage geraten. Obwohl ich mir sicher bin, sie einst gerade eingebaut zu haben. Im Wohnzimmer angekommen, erblicke ich meinen guten alten Ohrensessel. Und ich bin dermaßen im Arsch, dass ich unbedingt zu ihm muss. Schweiß bricht mir aus und mir ist irgendwie etwas schwindelig. Der Sessel ist zwar auch in Bewegung, aber ich kann ihn trotzdem entern. Arme und Beine über die Armlehnen gehängt und den Kopf in einem seltsamen Winkel geneigt, sitze ich auf dem Sessel und habe das Gefühl, ich säße in einer Achterbahn.

Die Terrassentür ist auf Kipp und eine Gestalt steht dort und versucht durch den Spalt der Tür verzweifelt nach Luft zu schnappen. Es ist der Hase. Und dem Hasen geht es offensichtlich so rein gar nicht gut. „Ich glaube ich sterbe!“, sagt der Hase. Eine Aussage, die mich bekümmert, aber ich sitze gerade auf einem Sessel, der Achterbahn mit mir fährt. „Ich kann Dir leider nicht helfen“, sage ich, „gleich kommt ein Looping!“

Und hier endet es. Zumindest endet das, was ich im Nachhinein mit einer gewissen Sicherheit als verlässliche Erinnerung behalten werde. Ich sitze anscheinend noch eine Weile in meinem Achterbahnsessel, während der Hase, nach Luft schnappend, immer noch mit der durchaus möglichen Option des nahenden Todes zu kämpfen hat. Irgendwann später liegen wir beide im Bett. Von meiner Seite aus kann ich mit Sicherheit behaupten, ohne dass ich mich übergeben musste. Das muss ich eigentlich nie, wenn ich mal betrunken bin. Ich habe es mir in frühen Jahren abgewöhnt, weil mir vom Kotzen immer schlecht wurde.

Ich erwache am Vormittag und bin zwar benebelt, aber insgesamt geht es mir eigentlich bestens. „War wohl´n bisschen viel gestern Abend“, denke ich und erblicke den Hasen neben mir. Offensichtlich hat sie ihr Ableben umgehen können, aber so richtig gesund sieht sie auch nicht aus. „Na, geht´s Dir nicht so gut?“, frage ich fröhlich. Ich möge mich verpissen, meint der Hase und wünscht mir neben Pest und Cholera ein paar fiese Geschlechtskrankheiten an den Hals. Es geht ihr den Rest des Tages schlecht und auch am nächsten Morgen ist sie immer noch nicht auf dem Damm. „Das kommt davon, wenn man seine Grenze nicht kennt“, bemerke ich und mache mich sofort aus dem Staub. Der Hase is not amused.

Ein paar Tage später ist Zeit, das Geschehene aufzuarbeiten und das erste, was man hier unbedingt sagen muss: Liebe Kinder (falls Kinder unter den Lesern hier sind), macht sowas auf keinen Fall zu Hause nach. Und wenn Eure Eltern mal ähnlich drauf sind, macht Euch aus dem Staub. Für den Hasen und mich war das alles eine einmalige Sache und wird es auch bleiben……Und wenn uns dann irgendwann einmal das Leben und die Arbeit wieder so stressen wird, dann gibt es lieber einen Kamillentee oder Holunderbeersaftkonzentrat und uns wird höchstens ein Vitaminschock von den Füßen hauen.