Achtung jetzt kommt ein Karton……..Spieglein, Spieglein

Wenn ich eines auf der Welt nicht bin, dann ist es ein Frühaufsteher. Ich bin der Eulentyp. Morgens lange schlafen und abends lange wach bleiben. Das bin ich. So bin ich. Eigentlich. Aber das Leben, besonders das Arbeitsleben und erst Recht das Leben als Vater, haben mich geprägt und mittlerweile kann ich selbst an freien Tagen selten länger als bis halb acht schlafen. Und wenn doch, dann liegt ein Hase neben mir und sie ist schon immer wach. Sie muss keinen Ton sagen. Ich spüre es regelrecht, wenn sie neben mir liegt und wach ist. So als würden ihre Augen durch meinen Rücken bohren. Und ohne Worte sagen die Augen, die gerade durch meinen Rücken gekommen sind: „Du Bert, kannst Du auch nicht schlafen?“ Denn eigentlich sind der Hase und ich Ernie und Bert, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls bin ich über die Jahre zu einem verlässlichen Menschen geworden, der auch in den frühen Morgenstunden aufsteht. So richtig mit Vorbildcharakter für die Kinder. Aber offen gestanden suche ich noch immer nach dem Gold im Mund der Morgenstund. Ich glaube manchmal da ist überhaupt nichts dran. Alles Lug und Trug.

Tag 2 24. Oktober

Aber wie gesagt, ich bin sehr verlässlich und wenn ich morgens gebraucht werde, dann bin ich auch immer zur Stelle. Und heute morgen werde ich gebraucht, denn ich muss mit unserer Tochter noch einmal nach Münster fahren.Eine Fahrt die ich gerne vermieden hätte und die auch elend lange dauert. Die Rückfahrt übrigens auch. Ich habe sehr schlecht geschlafen. Mir rasen die Planungen und Gedanken durch die Hirnwindungen und vor allem die Matrix lässt mir keine Ruhe. Wir werden gute sechs Stunden unterwegs sein. Sechs Stunden in denen ich diese blöde Küche zumindest ein gutes Stück weiter aufgebaut hätte. Um halb sieben fahren wir los. Der Hase und unser Sohn bleiben in Bad Ems und werden sich Beschäftigungsfelder suchen.

Ach ja, das Internet geht nicht. Das ist gestern beinahe an mir vorbeigerauscht. Junior hat alle nötigen Anschlüsse angeschlossen und alle Kabel verkabelt. Ich persönlich habe da keinen blassen Schimmer von und ich bin dankbar, dass ich mich nicht auch noch darum kümmern muss. Und ich habe vollstes Vertrauen in unseren technikbegabten Sohn. Aber trotzdem ist da irgendwas im Argen. Hat wahrscheinlich irgendwas mit dem Anbieter zu tun. Aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung und ich möchte auch keine haben. Mir platzt das Hirn eh schon aus allen Nähten. Nicht dass das jetzt eine große Sache wäre. In meinen Dimensionen ist da schnell das Ende des möglichen Platzes erreicht. Ich fühle mich, als wenn ich mit einem Zweiplattenkocher ein 8 Gänge Menü für eine Hochzeitsgesellschaft kochen wollte. Und so fällt es mir schwer dem ersten Impuls zu widerstehen, in den Transporter zu steigen und mich einfach aus dem Staub zu machen.

Halb sieben ist Abfahrt und sowohl meine Tochter als auch ich, sind nicht gerade ein Wasserfall, wenn es ums Reden geht. Schweigend fahren wir durch die Dunkelheit gen Münster und hadern im Stillen damit, was noch alles so kommen mag. Jeder hängt seinen Gedanken nach, während ich mir meine nächste Cola Dröhnung gebe. Nach einer Weile fühle ich mich, als hätte ich ADHS und verspüre den Drang, während der Fahrt auszusteigen und bin mir sicher, ich würde mich selbst beim Fahren überholen. Das wäre mal was für die Verkehrsnachrichten: Mann läuft auf der Autobahn neben Transporter her und sieht sich dabei selbst am Lenkrad.

Mit zunehmender Helligkeit kommt ein bisschen mehr Leben in uns und meine Tochter steht im regen Kontakt zum Rest der Familie, der sich ausgiebig mit dem Internetanbieter auseinandersetzt. Irgendwann beginnen Tochter und ich ein langes und tiefgründiges Gespräch. Über Gott, die Welt, Greta, Dieter Nuhr, dem Diktat der Humorlosen und tausend anderer Dinge. Währenddessen begibt sich in Bad Ems die Abteilung „Jux, Dollerei und Chaos“ an die Arbeit. Oder auch Mutti und Simi genannt. Ich bin zwar nicht dabei, aber ich kann mir lebhaft vorstellen, was gerade so abgeht.

Er sagt mit einem leicht französischen Akzent: „Maman!“ Und sie antwortet irgendwas, das auch französisch klingt. Nach einem kurzen Geplänkel kommen beide auf den glorreichen Gedanken, die Zeit, in der sie allein in der Chaoswohnung sind, zu nutzen und irgendwas wirklich nützliches zu machen. Sie brauchen nicht viel reden, verstehen sich auch ohne Worte. Also einigt man sich darauf, ein Möbelstück zusammenzubauen. Einziger Haken, beide haben eigentlich noch nie so richtig selbstständig ein Möbelstück zusammengebaut und es ist keiner da, den sie fragen könnten.

Die Wahl fällt auf die Garderobe mit Hutablage. Ein eigentlich einfaches Stück Möbel von diesem schwedischen Möbelhaus. Der ideale Einstieg. Aber es ist Vorsicht geboten. Möbelbau ist ein Minenfeld. An jeder Ecke lauert irgendeine Grütze, die Dich zur Verzweiflung bringt. Eine Schraube, die man auf der mikroskopisch kleinen Zeichnung nicht erkennen konnte und die man einfach übersehen und nicht eingebaut hat. Weswegen man den ganzen Kram wieder auseinandernehmen kann um dann von vorn zu beginnen. Unbescholtene Bürger sind wegen solcher Sachen in der Nervenheilanstalt gelandet, Ehen wurden geschieden und manch Gatte zu Hackfleisch verarbeitet. Deshalb ist es von enormer Wichtigkeit, bei Ikea Möbeln den Verstand auszuschalten und stumpf nach der Montageanleitung zu arbeiten. Man sollte sich niemals, und ich betone das jetzt ganz besonders, wirklich niemals, dazu hinreißen lassen, nach eigenem Gefühl vorzugehen. Das geht in die Hose! Immer! Ausnahmslos! Niemand kann Ikea besiegen! Der Schwede an sich liebt es nicht, wenn man Kreativität entwickelt.

Aber man muss sagen, Ikea hat wirklich genaue Anleitungen und Details werden gezoomt und vergrößert dargestellt. Also beschlossen Maman und Simi sich strikt an die Anleitung zu halten. Womit sie mir ein großes Stück voraus sind. Denn als ich mein erstes Ikea Möbelstück vor vielen Jahren zusammenbaute, habe ich genau das nicht getan. In einem leichten Anflug von Überheblichkeit, schließlich war ich Handwerker und kannte mich aus mit technischen Zeichnungen, meinte ich das System erkannt zu haben und ließ all meine Erfahrungen spielen und begann mit dem Aufbau. „Willst Du nicht auf die Anleitung gucken?“, fragte der Hase. „Mach Dich nicht lächerlich. Ich bin Handwerker! Da werde ich wohl noch so einen blöden Schrank zusammenkriegen, ohne so eine Anleitung. Anleitungen sind für Ignoranten und Anfänger!“

Weil die rechte Seitenwand allerdings an die linke Seite gekommen war (wie auch immer das passieren konnte ist mir ein Rätsel) passte irgendwann nichts mehr so, wie es sollte. Es folgte eine Demontage, begleitet von diesem Hasenblick, der mir sagen wollte: „Hab ich es nicht gleich gesagt?“ Das war der Zeitpunkt an dem ich meine Strategie für immer änderte. Jetzt sage ich: Egal wie simpel ein Möbelstück auch erscheinen mag, Montage immer nur nach Anleitung. Genau das wollen Hase und Sohn beherzigen. Problem ist nur, dass die ersten vier Seiten der Anleitung fehlen. Warum auch immer. Ein Fiasko. Wie soll man denn bitteschön schrittweise vorgehen, wenn die ersten acht Schritte nicht da sind? Die Wissenschaft, der Hase und Simi stehen vor einem Rätsel. Währenddessen sind unsere Tochter und ich dermaßen in Gespräche vertieft, dass wir im Raum Leverkusen eine Ausfahrt verpassen und nun über einen Umweg nach Münster fahren. Was sich allerdings als Segen herausstellt, weil auf der eigentlichen Strecke anscheinend eine Vollsperrung ist.

Wir kommen schneller in Münster an, als ich es geplant hatte. Ein Silberstreif am Horizont der Aufgabeneinteilung. In Bad Ems ist die Abteilung Spaß und Freude mit Maman und Simi auf die Idee gekommen, die ersten Seiten der Anleitung im Internet zu suchen. Nebenbei reden sie angehaucht französisch und schütten sich in kurzen Abständen aus vor Lachen. Die Garderobe steht kurz vor ihrer Fertigstellung, während wir in Münster den Wagen beladen. Wir beladen ihn mit unglaublich vielen Dingen. „Wo zum Henker kommt der ganze Kram bloß her?“, denke ich, als ich vor Schreck zusammenzucke. Durch eine Art Fenster sieht mich ein merkwürdiger alter Mann an. Ach, das ist ein Spiegel. Na dann. Schwein gehabt. Ich dachte schon ich würde phantasieren, wegen dem ganzen Koffein.

Da ich nicht so oft laufen möchte und ich ebenso möchte, dass es etwas schneller geht, nehme ich ein paar Sachen mehr in die Hände und mache mich auf den Weg, um das Zimmer zu verlassen. Dabei fällt mir ein abgeschraubtes Tischbein aus der Hand. Ich versuche es noch mit dem Bein (also mit meinem Bein) abzufangen. Was einerseits ein bisschen wie der Kranich bei Karate Kid aussieht und andererseits das Tischbein in eine ungünstige Flugbahn lenkt. Was zur Folge hat, dass das Tischbein gegen eine Trittleiter prallt, welche sich in einen gefährlichen Neigungswinkel begibt. Es ist wie in einem Comic. Tischbein gegen Bein, Tischbein gegen Leiter, Leiter neigt sich, Leiter fällt um, Leiter fällt gegen einen Spiegel, der anderthalb Meter hoch und ziemlich schmal ist und an der Wand lehnt, weil wir ihn schon abgenommen hatten, Spiegel macht eine kleine Drehung und kippt um. fällt Richtung Tür, Tür hat ein großes Glaselement, Spiegel fällt dagegen, Glas bleibt heile (Uff), Spiegel dreht sich abermals, Spiegel fällt flach mit der Rückwand voran auf den Boden und zersplittert in tausend Teile. Ich habe ein Mosaik erschaffen, denke ich stolz.

Aber ich habe auch einen Spiegel getötet, fährt mir ein großer Schreck durch sämtliche Glieder. Sieben Jahre Pech! Und ich bin Schuld! Ein weiter Faustschlag in die Magengrube. Die Dinge spitzen sich weiter zu. Was wird uns noch erwarten? Mehr dazu in der nächsten Folge……