Unsere Tochter hat studiert und zwar mit viel Fleiß und großer Lernbereitschaft. Sie ist somit das genaue Gegenteil von mir, aber ich habe sie trotzdem sehr lieb. So lieb, dass ich immer bereit bin ihr zu helfen, wenn es nötig ist. Und nur damit keine falschen Eindrücke entstehen, für unseren Sohn gilt das natürlich auch uneingeschränkt. Allerdings ist der noch nicht so weit, dass er das Nest verlassen wird, was bei seiner Schwester nun der Fall ist. Sie zieht also aus. Jetzt in echt. Nicht in noch eine WG, sondern in ihre erste richtige eigene Wohnung. Diese ist mehr als viermal so groß wie ihr letztes WG-Zimmer und liegt mehr als doppelt so weit entfernt, als jenes. In Bad Ems ist das neue Domizil und das liegt rund 25 km südöstlich von Koblenz oder aber knapp 500 km von Bötersen. Die näheren Umstände sind erst einmal nicht weiter von Belang, denn ich möchte über den Umzug an dieses Städtchen an der Lahn berichten. Und ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage, dass es dramatisch, explosiv, unfassbar anstrengend, sehr spannend und auch ein bisschen gesetzeswidrig wird. Aber genug der Ankündigungen, nun geht es los.
Tag 1: Dienstag 13. Oktober
Ich bin ein Superheld. Ich bin Tetrisman. Und meine Superheldeneigenschaft ist, dass ich der König des platzsparenden Beladens bin. Wenn ein Umzug anliegt und ich dabei mithelfe, dann belade ich gerne die Fahrzeuge. Denn wenn ich eines kann, dann sowas. Und das Auto, der Transporter, oder was auch sonst, ist nur dann voll, wenn ich sage, dass er voll ist. Ich stehe dann gerne auf der Ladefläche, summe stumm die Tetrismelodie und dann wird auch jeder kleinste Winkel ausgenutzt. Während andere verzweifelt auf ihre Kartons, Möbel, Kisten und alles was noch verstaut werden muss, blicken, sehe ich darin nur eine weitere Herausforderung. Eine Aufgabe, der ich mich stelle und die ich in der Regel zur allgemeinen Zufriedenheit erledige. Ich weiß nicht, ob man es ein bisschen heraushört, ich bin dann echt begeistert von mir. Und mit was? Mit Recht! Und wenn der Wagen dann schon voll ist und die Palme noch mit muss, dann kriege ich das hin. Für meine Tochter und ihren geplanten Umzug nach Bad Ems bin ich ein Glücksfall und ich werde nicht müde, es ihr auch unter die Nase zu reiben.
Der eigentliche Umzug ist für das verlängerte Wochenende vom 23. bis zum 26. Oktober angedacht. Morgen, also rund 10 Tage früher, wollte sie mit dem Zug hinfahren, Mietvertrag unterschreiben und dergleichen. Da hatte ich die fabelhafte Idee, dass ich sie mit dem Auto begleiten könnte und wir an der Stelle schon einen Haufen Sachen mitnehmen könnten. Für das Hauptumzugswochenende ist eingeplant, dass wir ihr WG Zimmer in Münster auch noch leer machen, was in letzter Konsequenz dann doch etwas eng werden könnte. Zumal noch viele Möbel erworben wurden oder noch würden, die neben all dem anderen Krempel, der sich hier schon seit einigen Tagen türmt, natürlich auch transportiert werden müssten. Und weil ich die guten Ideen nicht allein gepachtet habe, kam der Hase auf den grandiosen Einfall, dass ich doch versuchen sollte, für dieses Vorabkommando schon einen Transporter zu organisieren.
Famoserweise konnte ich den auch noch recht kurzfristig kriegen und meine Talente als Human Tetris voll ausleben, weil bei uns das halbe Untergeschoss voll steht mit all den Sachen, die wir schon mitnehmen sollen. „Das passt da nie rein!“, sagt der Hase. „Da bleibt sogar noch Platz über“, sage ich und soll natürlich recht behalten. Ich weiß, keiner mag Besserwisser, aber ich liebe es, einer zu sein. Und weil wir noch Platz haben und weil wir noch unterwegs ein paar Möbel besorgen müssen, beschließen wir, am Tag der Hinfahrt noch in Wuppertal einen Roller Markt heimzusuchen, um da noch einen Hochschrank für die Küche zu erwerben. Den allerdings mit 20 Prozent Rabatt. Wo dieser Preisnachlass herkommt, ist mir schleierhaft, aber der Hase hat den irgendwie entdeckt. Der Hase entdeckt immer Preisnachlässe. Wahrscheinlich auch welche, die eigentlich gar nicht existieren, aber wenn der Hase sagt, dass es Prozente gibt, traut sich kein Verkäufer das in Frage zu stellen.
Ich komme also nach Feierabend mit dem Transporter nach Hause, und die Kinder und ich beladen das Ding in knapp einer halben Stunde. „Dü düdüdü düdüdü düdüdü……usw.“, summe ich endlos vor mich hin, während ich die Kartons, Kisten, Sofas, Fahrräder und weiß der Schinder was noch alles, zu einem dreidimensionalen Puzzle zusammenfüge. Die Begeisterung über mich findet bei mir kaum Grenzen. Und ich freue mich auch ein bisschen, dass es endlich losgeht. Denn seit Tagen drehen sich meine Gedanken um die besondere Logistik dieses Unterfangens mit seinen weiten Strecken und ein paar Unbekannten. Wie beispielsweise dem Hochschrank von Roller und einem Spülenunterschrank von einer anderen Roller Filiale in Koblenz. Auch hier wieder mit Prozenten. Dazu kommt noch ein bisschen was von Ikea, auch in Koblenz, das wir in diesen ersten zwei Tagen auch noch abholen wollen. Abgerundet wird das Ganze mit einem Herd, einer Waschmaschine und einem Kühlschrank. Diese drei Sachen werden allerdings geliefert und nach endlosen Planungen und Telefonaten konnte der Hase das so deichseln, dass diese Sachen übermorgen geliefert werden. Die Uhrzeit ist noch nicht bekannt, aber man wird sich bei uns melden.
Tag 2: Mittwoch 14. Oktober
Die Ausgangslage ist hervorragend. Der Transporter ist beladen und aufgetankt. Wir müssen nur noch losfahren, meine Tochter und ich. Es könnte allerdings ein klitzekleines Problem geben. Um 4.30 Uhr weckt mich ein starkes Reißen in der Magen- und Darmgegend. Während ich noch über die Ursachen nachdenke, gehe ich in eine Art Durchfallmodus über. Ja Scheiße, denke ich passenderweise und male mir aus, wie wir die Fahrt auf 7 Stunden ausdehnen, weil der Vater meiner Tochter eine verbindende Freundschaft mit sämtlichen Serways Toiletten eingegangen ist. Ein weiteres Horrorszenario ist eine vollgesperrte Autobahn und ich kann Serways nur aus der Ferne sehen, während……….nein, ich mag es mir nicht ausmalen. Also besinne ich mich auf mein Dasein als Superheld. Superhelden haben keinen Durchfall! Oder hat man je davon gehört, dass Batman nicht die Welt retten konnte, weil er auf der Keramik gesessen hat? Nein! Also sage ich meinem Darm den Kampf an und soviel will ich vorweg nehmen, ich gewinne! Tetrisman sagt wo der Hase läuft. Obwohl das bei uns anders ist, da sagt der Hase, wo Tetrisman zu laufen hat, aber das ist eine andere Geschichte.
Wir fahren also los. Das Wetter ist gut und die Autobahn nicht übermäßig voll. Wir kommen sehr gut voran und ich beginne unser Zeitmanagement zu berechnen. Ein Prozess, der sich in der nächsten Zeit endlos wiederholen soll und mich vor ungeahnte Aufgaben stellen wird. Aber dazu mehr bei Gelegenheit. Wir sind gerade auf dem direkten Weg zu dem Roller in Wuppertal und nur noch ein paar Kilometer entfernt. Bisher ist alles reibungslos schnell verlaufen. Ich liebe diese Worte. In einer Baustelle kurz vor Wuppertal sehe ich mit einem mal ein Polizeiauto neben mir. Kurz darauf ist es vor mir. „Ach Du Scheiße, die Bullen!“, denke ich. Und ich weiß, das ist veraltet und herabwürdigend für die Polizisten und auch die Bullen an sich. Ich kann mich nicht immer an politisch korrekte Ausdruckseise gewöhnen, gebe mir aber mühe. Und ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich fühle mich sofort schuldig, wenn die Polizei so direkt vor mir ist. Egal, ob ich irgendwas gemacht habe oder nicht. Ich würde sofort gestehen, wenn sie mich anhalten würden. Aber diesmal bin ich mir wirklich absolut sicher, dass es aber auch wirklich nichts gibt, weswegen die Beamten mich hier anhalten sollten. Ich bin nicht zu schnell gefahren, nicht überladen, habe genug Abstand zum Vordermann eingehalten und das Auto ist offiziell ausgeliehen. Meine Tochter habe ich auch nicht entführt, also entspanne ich und fahre hinter den Polizisten her.
Da erscheint auf dem Display zwischen den beiden Blaulichtern die folgenschwere Aufforderung: „Bitte folgen!“ Anhaltesignalgeber heißt dieses Display im Übrigen und ich weiß nicht, was mir in letzter Zeit einen größeren Schrecken eingejagt hat, als diese paar Worte. Jetzt ist es soweit, denke ich, jetzt haben sie Dich erwischt. Und vor meinem geistigen Auge erscheint der Hase mit vorwurfsvoller Miene und sagt: „Ich habe es Dir doch gleich gesagt!“ Aber was? Was hat der Hase mir gesagt? Oder was denke ich, was der Hase mit gesagt haben würde? Was habe ich verbrochen? Ich bin ratlos. Mehr noch. Ich bin innerlich einer Ohnmacht nahe. Ich glaube, ich bin eigentlich einer der harmlosesten Typen auf dem Planeten, aber so ein direkter Kontakt zur Staatsgewalt verängstigen mich zutiefst. Ich glaube, in meinem ersten Leben war ich in einem totalitären Staat von der Staatspolizei eingebuchtet worden. Das ist die einzige Erklärung dafür. Eine Erklärung für die Polizeiaktion hier und heute habe ich aber immer noch nicht……..
Wie geht es weiter? Gibt es eine Schießerei? Werde ich in Gewahrsam genommen? Behalte ich meinen Führerschein? Muss der Hase ein paar Möhren als Kaution stellen? Erreichen wir Bad Ems? Oder zumindest den Roller in Wuppertal? Und gibt es wirklich die Prozente? Diese und weitere Fragen werden erläutert in der nächsten Folge von:
Achtung jetzt kommt ein Karton…….demnächst in diesem Theater…..stay tuned….